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ARTENSCHUTZ/155: Höchste Zeit, Artenschutzfinanzierungsversprechen einzulösen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Oktober 2014

Umwelt: Höchste Zeit, Artenschutzfinanzierungsversprechen einzulösen

von Stella Paul


Bild: © Kanya D'Almeida/IPS

Der Planet Erde hat in den letzten vier Jahrzehnten etwa 52 Prozent seiner Wildtiere verloren
Bild: © Kanya D'Almeida/IPS

Pyeongchang, 8. Oktober (IPS) - Der Planet Erde hat in den letzten 40 Jahren mehr als die Hälfte seiner wildlebenden Tiere eingebüßt. Für die Regierungsvertreter, die im südkoreanischen Pyeongchang mit Aktivisten und Wissenschaftlern über Auswege aus der lebensbedrohlichen Misere diskutieren, hat der scheidende Präsident der Artenvielfaltskonvention (CBD), Hem Pande, ein einfaches Erfolgsrezept zur Hand: endlich das zu tun, was sie im letzten Jahr versprochen haben.

Wie Pande, Vorsitzender der Biodiversitätsbehörde Indiens, das ein Jahr lang die Präsidentschaft der CBD-Vertragsstaatenkonferenz innehatte, am Rande der vom 6. bis 12. Oktober laufenden Gespräche gegenüber IPS erklärte, ist die Finanzierung ein schwaches Glied in der Kette der globalen Bemühungen, die fragilen Ökosysteme der Welt zu retten. Die CBD-Vertragsparten hielten sich nicht an ihre Zusagen.

Pande erinnerte an die vollmundigen Töne der Teilnehmer des 11. Treffens der Vertragsstaaten (COP11) im Oktober 2012 im südindischen Hyderabad, ihre Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen bis spätestens 2015 zu verdoppeln. Doch zwei Jahre später sei die Bilanz ernüchternd, zog er Bilanz.

Solange die Staaten nicht Wort hielten, seien signifikante Fortschritte nicht zu erwarten und die 20 Biodiversitätsziele von Aichi, auf die sich die Weltgemeinschaft auf dem Treffen 2010 im japanischen Nagoya geeinigt habe, Makulatur, so der CBD-Vorsitzende. "Es besteht ein riesiger Bedarf an finanziellen Ressourcen. Doch die Zuwendungen für den Umweltschutz schrumpfen. Es wird höchste Zeit, dass die Vertragsstaaten einhalten, was sie versprochen haben."


Wettlauf gegen die Zeit

Tatsächlich ist die Geschwindigkeit, mit der die Menschheit ihren Artenreichtum zerstört, erschütternd. Dem am 6. Oktober vorgestellten Vierten Globalen Biodiversitätsausblick (GBO-4) zufolge hat die Welt in den vergangenen 40 Jahren 52 Prozent ihrer wildlebenden Tiere eingebüßt und in den vergangenen 50 Jahren 17 Prozent ihrer Wälder gefällt. Die Gewässer wiederum wurden seit 1970 drei Viertel ihrer tierischen Bewohner beraubt, während Verschmutzung, Küstenentwicklung und Überfischung inzwischen 95 Prozent aller Korallenriffe bedrohen.

Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, bedarf es umfangreicher Finanzmittel. Maßnahmen wie die Wiederinstandsetzung der Küstengebiete, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, die Durchführung von Sensibilisierungsprogrammen oder die Schaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten haben ihren Preis.

Um die 20 Nachhaltigkeitsziele von Aichi bis 2020 zu erreichen, bedarf es nach Schätzungen der Umweltorganisation WWF jährlicher Investitionen in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar. Die Aichi-Ziele beinhalten unter anderem die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, eine nachhaltige Fischerei, mehr Schutzgebiete, die Restaurierung von 15 Prozent aller weltweit degradierten Ökosysteme und Maßnahmen zum Schutz der bekannten bedrohten Arten.

Das Abkommen, die Finanzmittel für den Artenschutz drastisch zu erhöhen, gehörte zu den wichtigsten Ergebnissen der COP11. Auf der Grundlage von durchschnittlichen nationalen Investitionen in die Biodiversität der Jahre 2006 bis 2010 erklärten sich die Industriestaaten damals dazu bereit, ihre Ausgaben zur Rettung der Artenvielfalt zu verdoppeln. Obwohl keine konkreten Zahlen auf den Tisch kamen, glaubten Experten mit jährlich bis zu zwölf Milliarden Dollar rechnen zu können. Doch inzwischen haben sich diese Prognosen als Fata Morgana erwiesen.

Paul Leadly, führender Autor des Artenschutzfortschrittsberichts GBO-4, bestätigte, dass die Finanzierungsmittel "definitiv nicht ausreichen". Die gute Nachricht laute, dass es bei der Finanzierung ein kleines Plus gebe. Die bittere Pille, die es zu schlucken gelte, sei die Erkenntnis, dass sich nirgendwo eine Verdoppelung des Betrags abzeichne. Leadly zufolge lässt sich angesichts von Stagnation und wirtschaftlichem Niedergang in vielen Teilen der Welt nur schwerlich voraussehen, wie die Staaten ihre Zusagen in den nächsten zwei Jahren einzuhalten gedenken.

Eine Reihe kritischer Stimmen warnen davor, die wirtschaftlichen Probleme als Entschuldigung für die schlechte Zahlungsmoral gelten zu lassen. Es gebe Länder wie Indien, die, in der Hoffnung ein gutes Beispiel abzugeben, substanzielle Beträge in den Umweltschutz investiert haben, hieß es. "Seit 2012 haben wir zwei Milliarden Rupien [umgerechnet 32,5 Millionen Dollar] jährlich ausgegeben, um unsere artenreichsten Gebiete inklusive National- und andere Schutzparks zu verwalten und zu erhalten", meinte Pande. Alle 171 CBD-Vertragsstaaten sollten das Gleiche tun.


Eine Frage des politischen Willens

Obwohl die finanziellen Zuwendungen für Indiens Ministerium für Umwelt und Wälder von 2012 bis 2013 von 391 Millionen auf 325 Millionen Dollar geschrumpft seien, hätten sich die Gesamtausgaben durch die Umweltschutzausgaben anderer Ministerien und Behörden gegenüber den vorhergegangenen Jahren erhöht. Als Beispiel nannte Pande die Mittel, die in die Wiederherstellung von Land, Böden und Wasser, den Fischereisektor und in die ökologische Entwicklung geflossen sind.

Da die internationalen Biodiversitätsabkommen unverbindlich sind, kann kein Staat zum Handeln gezwungen werden. Somit wird es schwierig, die CBD-Vertragspartner auf ihre Versprechen festzunageln. Dem indischen Gesandten zufolge haben zudem viele Länder noch nicht einmal ihre nationalen Rechenschaftsberichte pünktlich eingereicht, was bedeutet, dass die GBO-4-Zahlen und Zahlungszusagen nicht aktuell sind.

Die Mobilisierung von Finanzmitteln ist auch auf der laufenden Konferenz in Südkorea ein vordergründiges Thema, wie Braulio Ferreira de Souza Dias, Exekutivsekretär der CBD, gegenüber IPS versicherte. Von COP12 erwarte man eine klare Strategie, die Gelder freizusetzen.

Leadly wiederum wies darauf hin, dass es zahlreiche kostengünstige Möglichkeiten des Artenschutzes gebe wie die Abschaffung staatlicher Beihilfen. "Regierungen geben sehr viel Geld zur Subventionierung etwa der Landwirtschaft, Treibstoffe, Fischerei und der Düngemittel aus." Diese Zuschüsse dem Artenschutz zuzuführen, wäre die bessere Investition. Seiner Meinung nach sollten die laufenden indischen Bemühungen, die Subventionen für Kunstdünger abzuschaffen, anderen Staaten als Vorbild dienen. China sei ein Land, das den Düngemittelsektor sehr stark bezuschusse. Um das zu ändern, sei ein großes Ausmaß politischer Entschlossenheit vonnöten.

Einige Staaten, darunter viele arme, unternehmen trotz finanzieller Engpässe Anstrengungen, um ihre natürlichen Reichtümer und Dienstleistungen zu schützen. So hat Thailand in diesem Jahr 150.000 Dollar mehr für den Schutz seiner Wälder bereitgestellt. 54 Prozent oder 291 Millionen Dollar des guatemaltekischen Haushalts sind für Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität vorgesehen. Namibia gibt für ähnliche Zwecke um die 100 Millionen Dollar aus, während Bangladesch und Nepal 360 respektive 86 Millionen Dollar aufwenden. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/10/financing-for-biodiversity-a-simple-matter-of-keeping-promises/
http://www.ipsnews.net/2014/10/humanity-failing-the-earths-ecosystems/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2014