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ARTENSCHUTZ/270: Hyänen - Wenn das Image zum Problem wird (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Winter 2019
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Wenn das Image zum Problem wird

von Britta Hennigs


Hyänen haben ein Imageproblem: Sie gelten als dumm und feige. Ihr breites Grinsen, das laute Lachen, ihr linkischer Gang und dass sie in großen Rudeln über die erlegte Beute als mutiger und ehrenhafter geltender Raubtiere wie Löwen herfallen machen es nicht besser.


Als Autorin und Artenschützerin frage ich mich: Wo soll man bei diesen denkbar schlechten Voraussetzungen überhaupt anfangen, eine Lanze zu brechen für eine Tierart, die wichtig und schützenswert ist? Zunächst einmal: Es geht hier nicht um die allseits bekannte, nicht zuletzt durch Disneys "Der König der Löwen" in Verruf geratene Tüpfelhyäne, sondern um ihre Verwandte, die Streifenhyäne. Sie ist, wie ihr Name schon sagt, an ihrem gestreiften Fell zu erkennen, unterscheidet sich aber auch in anderer Hinsicht von den anderen Hyänenarten: Als Einzige kommt sie nicht ausschließlich in Afrika, sondern auch in Asien vor, wo sie in offenen Landschaften wie Halbwüsten und Savannen, aber auch im Gebirge auf Nahrungssuche geht. Sie lacht nicht, sondern ist eher ein leiser Vertreter der Hyänen, lebt oft einzelgängerisch und schläft in Erdbauten. Außerdem ist sie die kleinste der drei Eigentlichen Hyänen (Tüpfel-, Streifen- und Schabrackenhyäne), besitzt aber die längste Schultermähne von allen, die sie aufstellen kann, um größer zu wirken.

Es stimmt, dass die als nachtaktiv geltende Streifenhyäne selten selber jagt (im Gegensatz zu Tüpfelhyänen, die sogar häufiger jagen als Löwen) und sich hauptsächlich von Aas ernährt. Dies ist ihr jedoch zugutezuhalten: So kann die Streifenhyäne zerkauen und verdauen, woran die meisten anderen Tiere scheitern, und verhindert so das Ausbreiten von Krankheiten. Aasfresser übernehmen sozusagen die Funktion der Müllabfuhr im Tierreich.

Hyänen werden seltener
Dennoch: Streifenhyänen werden fast überall seltener. Die Verbreitung der Art, die sich von Nord- und Ostafrika über den Mittleren Osten und die Arabische Halbinsel, den Iran und Pakistan bis nach Indien zieht, ist bruchstückhaft, es gibt zahlreiche isolierte Populationen. Eines der Länder, in denen die Art lange als verschollen galt, ist Tadschikistan. In dem zentralasiatischen Hochgebirgsland werden Hyänen, wie anderswo auch, als Grabräuber und Bedrohung der Ernten - interessanterweise vorzugsweise Melonenernten - und Weidetiere verfolgt. Das Verhältnis zwischen Mensch und Hyäne ist zerrüttet, die Hyänen leiden unter Giftanschlägen, Angriffe durch Hirtenhunde und Wilderei. Als Folge davon gab es jahrzehntelang keine wissenschaftlichen Nachweise mehr über das Vorkommen der Streifenhyäne in Tadschikistan.

Suche nach einem Dorf
Bis eines Tages ein Video im Internet auftauchte: Zu sehen waren drei Streifenhyänen, die angeblich von Herdenschutzhunden getötet worden waren. Doch das eigentlich Besondere des Videos waren ein in der Überschrift genannter Ortsname und die Behauptung, dass es in Tadschikistan aufgenommen worden war. Ein Hobby-Naturschützer namens Umed Karimov machte sich auf die Suche nach dem Ort und konnte ihn im Südwesten des Landes, am Rand der Aktau-Berge, tatsächlich ausfindig machen. Er befragte die Bewohner des Dorfes, die ihm von den Streifenhyänen erzählten, und fand sogar das im Video gezeigte Hirtenhaus. Doch Karimov reichte das nicht. Ein weiterer Beweis musste her, einer, der naturwissenschaftlich anerkannt werden würde. Karimov baute Wildtierkameras auf und wartete ab. Im Dezember 2016 gelang es schließlich: Das erste bekannte Foto einer lebenden Hyäne in Tadschikistan war geschossen und damit der wissenschaftliche Beleg dafür, dass in diesem Gebiet noch immer Streifenhyänen vorkommen.

Starke Unterstützung
Mittlerweile hat Karimov bei seiner Arbeit zum Schutz von Streifenhyänen Unterstützung bekommen: Der NABU und die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) haben in der Region, aus der das Video stammt, ein gemeinsames Streifenhyänen-Schutzprojekt gestartet. Im ersten Schritt geht es darum, mit weiteren Fotofallen und Interviews Informationen zu sammeln, denn Streifenhyänen sind die am wenigsten erforschte der drei Hyänenarten. Um die seltene Art zu retten, haben Anwohner, vor allem Hirten und Jäger, gemeinsam mit dem NABU, der ZGAP und tadschikischen Partnern, den Naturschutzverein "Obi Safed" ("Weißes Wasser") gegründet. Anwohner sollen über die Vermeidung von Schäden durch Hyänen aufgeklärt und die Hirtenhunde, die immer wieder Streifenhyänen töten, besser kontrolliert werden. Für naturinteressierte Touristen sollen Führungen angeboten werden. In einem Wildschutzgebiet sollen Streifenhyänen und ihr wichtigstes Beutetier, das Urialschaf, vor Wilderei geschützt werden. Erst wenn sich die Wildschafbestände erholt haben, dürfen neben den zahlreich anzutreffenden Wildschweinen auch einzelne Wildschafe kontrolliert gejagt werden - ein Anreiz für den Wiederaufbau und den Erhalt einer gesunden Wildschafpopulation, der auch den Hyänen zugutekommt.

Es bleibt viel zu tun
Im Sommer 2018 gelangen den Mitgliedern von Obi Safed im Rahmen des Projektes weitere Aufnahmen von Streifenhyänen. Auf einer davon trägt ein Tier ein totes Lamm davon. Ein Bild, das nicht gut dazu taugt, das beschädigte Image der Hyänen aufzupolieren. Wahrscheinlich war das Lamm bereits tot, denn Streifenhyänen jagen selten selber und tragen durch ihre Ernährungsweise zur Gesunderhaltung von Herden bei. Aber das zu beweisen und die Hirten davon zu überzeugen, ist nicht leicht. Es bleibt also viel zu tun für den Imagewandel der missverstandenen Hyänen in Tadschikistan.


Steckbrief

Art: Streifenhyäne (Hyena hyena)
Größe: 100 bis 120 Zentimeter, dazu kommt der Schwanz mit einer Länge von 30 bis 40 Zentimetern
Gewicht: 25 bis 55 Kilogramm
Nahrung: Aas, lebende Tiere, meist Reptilien und Fische, aber auch Pflanzen, u.a. Melonen
Lebenserwartung: Bis zu 20 Jahre
Sozialstruktur: Einzelgänger, paarweise oder in kleineren Familiengruppen
Fortpflanzung: 1-4 Jungtiere, die nach 90-94 Tagen Tragzeit zur Welt kommen.
Gefährdung: In der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) werden Streifenhyänen mit abnehmendem Bestand von ungefähr 10.000 erwachsenen Individuen im Freiland als potenziell gefährdet eingestuft.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/19, Seite 42 - 43
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2019

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