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ENERGIE/059: Ägypten - Biogas aus Küchenabfall, arme Familien produzieren Alternativenergie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juni 2013

Ägypten: Biogas aus Küchenabfall - Arme Familien produzieren Alternativenergie

von Cam McGrath


Bild: © Cam McGrath/IPS

Nutzer einer Biogasanlage in Ägypten
Bild: © Cam McGrath/IPS

Kairo, 13. Juni (IPS) - Die Biogasanlage auf dem Dach von Hussein Farags Wohnung in einem der ärmsten Bezirke von Kairo sorgt für den täglichen Nachschub von Kochgas, das aus Küchenabfällen gewonnen wird. Die Rückstände würden ansonsten in Plastiktüten entsorgt oder in die verstopfte Kanalisation gekippt.

Die Biogasanlage, die null Emissionen freisetzt, besteht aus zwei großen Plastikwannen und aus größtenteils recycelten Materialien. Die Familie spart dadurch umgerechnet etwa drei US-Dollar monatlich an Gaskosten. In dem heruntergekommenen Viertel Darb El-Ahmar, wo Farag lebt, macht dies nahezu einen Tageslohn aus.

Die Anlage mit ihrem 1.000 Liter fassenden Plastiktank wandelt organische Abfälle in Methangas um, dass zum Kochen und Erhitzen von Wasser verwendet wird. Gewöhnlicher Haushaltsmüll - Essensreste, verbrauchte Teeblätter, schimmeliges Brot - wird über Nacht eingeweicht und dann in die mit Bakterien versetzte Flüssigkeit in dem Tank gekippt, in dem sich die Abfälle zersetzen. Durch ein Rohr wird das Methangas zum Küchenherd der Farags geleitet.

Wie Farag berichtet, leitet er jede Woche etliche Liter schwarze Flüssigkeit aus dem Tank ab. "Ich fülle das Gebräu in Flaschen und verkaufe es als organischen Dünger an den Gartenhandel."


"Ägypten braucht solche Systeme"

Die 2008 gebaute Anlage, die damals weniger als 180 Dollar kostete, muss praktisch nicht gewartet werden. "Ägypten braucht solche Systeme", meint Farag. "Wir haben viel mehr organische Abfälle als früher, als unsere Schweine noch lebten." Um die Ausbreitung der Schweinegrippe im April 2009 einzudämmen, wurden die Tiere landesweit gekeult.

Schweine waren eine wichtige Säule des traditionellen Müllverwertungssystems in Kairo. Sie vertilgten fast ein Drittel der 20.000 Tonnen Müll, die täglich von den 18 Millionen Einwohnern der Stadt produziert werden. Ohne die gefräßigen Tiere ist die Menge an 'feuchten' Abfällen stark gestiegen. Abwasserkanäle und Müllkippen quellen inzwischen über, und auf den Straßen türmen sich Berge von Unrat. Der verfaulende organische Müll zieht zahlreiche Fliegen und Ratten an, die zu Überträgern von Krankheiten werden.

Nach Angaben von Farag wurde der Bau von Biogasanlagen zunächst von 'Solar CITIES' unterstützt und bezuschusst. Die Non-Profit-Initiative entwickelt nachhaltige Energieträger für Familien mit niedrigen Einkommen. Sie hat sich bereits am Bau eines halben Dutzends Biogasanlagen in Kairo und einfacher Solar-Wasserboiler beteiligt, für die am Ort gesammelte Materialien verwendet wurden. Doch die Finanzierung wurde schließlich eingestellt.

In Manshiyet Nasr, einem weiteren Elendsviertel der ägyptischen Hauptstadt, hat der 'Solar CITIES'-Koordinator Hanna Fathy 2009 seine eigene Biogasanlage errichtet. Seitdem hat er viele Armensiedlungen besucht, um den Bewohnern zu zeigen, wie sie sich durch die Biogasproduktion bei der Energieversorgung unabhängig machen können.

"In den meisten Familien fällt täglich genug Küchenmüll an, um daraus so viel Gas zu erzeugen, dass sie damit kochen und Wasser erhitzen können", erklärt Fathy, der zurzeit an Umweltprojekten außerhalb von Ägypten arbeitet. Die staatlichen Energiesubventionen hielten allerdings viele Ägypter davon ab, in nachhaltige Lösungen zu investieren. Es kann zehn Jahre dauern, bis sich die Anschaffungskosten für eine Biogasanlage rentiert haben. Würden die Energiesubventionen abgeschafft, wäre dies aber bereits nach einem Jahr zu schaffen.

"Die Regierung bietet keine Anreize für Familien, die zu sauberer Energie wechseln wollen. Deshalb bleiben sie bei der günstigsten kurzfristigen Lösung, nämlich dem Kauf von Gasflaschen", erzählt Fathy.

Mehr als zwölf Millionen ägyptische Haushalte sind auf Butangasflaschen angewiesen, die im Einzelhandel etwa 1,15 Dollar kosten. Die Flaschen reichen etwa zwei Wochen. Abgesehen von der enormen Last, die die hohen Subventionen für die Wirtschaft bedeuten, hat die Verknappung von importiertem Butangas zu langen Warteschlangen an den Verteilerstellen geführt. So mancher Streit um die Gasflaschen ist bereits tödlich ausgegangen.


Butangasflaschen sind gefährlich

Zudem besteht das Risiko, dass schlecht gewartete Flaschen explodieren, Küchen in Brand setzen und Menschen verletzen. Der Elektriker Mohamed Rageb, dessen Frau bei einem solchen Unfall 2010 schwer verletzt wurde, überlegte inzwischen, auf Biogas umzusteigen. Nach einer Anleitung aus dem Internet will er nun eine Anlage selbst bauen und auf seinem Balkon installieren.

"Ich denke, sie sind sicherer und sparen Zeit. Denn ich muss nicht mehr nach Gasflaschen anstehen", sagt Rageb. Familien, die zu alternativen Energien wechseln, stehen bisher aber noch keine Sonderkredite zur Verfügung. Rageb muss sich das Geld für seine Biogasanlage also auf anderen Wegen leihen. Bis er das Darlehen abgezahlt hat, können Jahre vergehen. Er ist dennoch zuversichtlich, dass er seine Ersparnis bei den Energiekosten steigern wird, wenn die in Finanzproblemen steckende ägyptische Regierung die Subventionen abbaut. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://solarcities.blogspot.de/
http://www.ipsnews.net/2013/06/cairos-poor-convert-kitchen-waste-into-fuel-savings/

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IPS-Tagesdienst vom 13. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2013