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FISCHEREI/038: Chile - Ausbeutung der Meere - Fischpopulation in Gefahr (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2012

Chile: Ausbeutung der Meere - Fischpopulation in Gefahr

von Marianela Jarroud



Santiago, 2. Juli (IPS) - Die Fischereibranche in Chile steckt in einer tiefen Krise, seitdem große Flotten insbesondere in den vergangenen zehn Jahren das Meer vor der Küste des südamerikanischen Landes systematisch ausbeuten. Einem Bericht der Umweltorganisation 'World Wide Fund for Nature' (WWF) zufolge sind 64 Prozent der 22 Fanggebiete überfischt.

Dabei fehlen dringend benötigte Details über die Fischressourcen. Nur von 20 der 148 unterschiedlichen Arten, die 2009 in die Fangnetze gegangen sind, kennt man den biologischen Zustand und das Ausmaß der Überfischung. Das bedeutet, dass die aktuelle Situation von 86 Prozent der nationalen Fischarten unbekannt ist.

92 Prozent der Nahrungsmittel, die in Chile aus dem Meer gewonnen werden, sind Fisch, fünf Prozent Algen und drei Prozent Schalentiere. 2011 war die Fischerei für 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verantwortlich. Die Einnahmen aus dem Export von Zucht- und Wildfisch ergaben 4,88 Milliarden Tonnen im gleichen Jahr.

Einem Bericht des Zentrums für investigativen Journalismus zufolge sind neun Wirtschaftsunternehmen im Besitz von 90 Prozent der industriellen Produktion des chilenischen Stöckers, der Sardinen und Anchovis. Diese drei meistgefangenen Fischarten erwirtschaften einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar.

"Die Fischereikrise hat sich in den vergangenen zehn Jahren immer mehr verschärft", sagt der Umweltwissenschaftler Samuel Leiva, der für Greenpeace Chile arbeitet. Schuld sind seiner Meinung nach die politischen Vorgaben, denen zufolge mehr Fische gefangen werden dürfen als wissenschaftlich ratsam ist.

Leiva zufolge hat die Politik kurzsichtig gehandelt, als sie um die Jahreswende 2000/2001 das Gesetz verabschiedete, das bis jetzt Grundlage für die Fischerei in Chile ist. "In der Öffentlichkeit dreht sich die Diskussion zumeist darum, wer den größten Teil der Fischproduktion für sich beansprucht. Doch wir von Greenpeace sorgen uns auch darum, ob es überhaupt genügend Fische im Meer gibt, die gefangen werden können. Wir beschäftigen und mit der Überfischung der Gewässer und damit, welche Fischarten bereits in einer Krise stecken." Leiva fordert sowohl nationale als auch internationale Abkommen, um die Fischbestände zu erhalten.


Neues Gesetz in Arbeit

Tatsächlich beschäftigt sich das chilenische Parlament zurzeit mit einem Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der Fischerei. Das Gesetz soll im Januar 2013 in Kraft treten und 20 Jahre lang gültig sein. Die kleinen Fischereibetriebe wehren sich gegen den Entwurf, der ihrer Ansicht nach nur die wenigen Familien unterstütze, die großindustrielle Fischproduktion betreiben.

"Die Regierung besteht auf mehreren Maßnahmen, die die kleinen Fischereibetriebe in den Untergang treiben", sagt Jorge Bustos, Sprecher der Nationalen Kommission für die Verteidigung der Fischerei. Darunter fasst er beispielsweise das verpflichtende Installieren von Geräten zur Ortung und Identifizierung der Schiffe durch Fernüberwachungssysteme.

Die kleinen Fischereibetriebe fordern ein Verbot der großen Schlepper und wollen, dass der Fischereisektor so aufgeteilt wird, dass die kleinen Betriebe einen größeren Anteil an den Fangquoten erhalten. Darüber hinaus soll Umweltaspekten eine größere Bedeutung zukommen.

Neben dem nationalen Gesetz beteiligt sich Chile auch auf internationaler Ebene an Fischschutzmaßnahmen: Am 13. Juni ratifizierte der Senat die Konvention für die Erhaltung und das Management der Hochseefischressourcen des südpazifischen Ozeans (Convention on the Conservation and Management of the High Seas Fishery Resources of the South Pacific Ocean) der Regionalen Fischereiorganisation für den Südpazifik (SPRFMO).

Die Konvention wurde bereits im Jahr 2009 in Neuseeland auf den Weg gebracht. Sie dient als allgemein gültiges Regelwerk für nachhaltige Fischerei. 32 Staaten gehören der Regionalen Fischereiorganisation für den Südpazifik an, und neun haben die Konvention bisher ratifiziert. Das erste Treffen der Kommission zur weiteren Ausarbeitung ist für Januar 2013 geplant.

Besonders wichtig an der Konvention ist nach Ansicht des Greenpeace-Experten Leiva, dass die Fangquoten aller Fischarten, unabhängig davon, ob sie sich innerhalb nationaler oder internationaler Gewässer bewegen, einer strikten Regulierung und einem Monitoring unterliegen. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:
http://www.southpacificrfmo.org/
http://ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101059
http://www.ipsnews.net/2012/06/depleted-chilean-fish-need-a-real-chance-of-recovery/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2012