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FISCHEREI/107: Das EU-Mauretanien Fischereiabkommen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Das EU-Mauretanien Fischereiabkommen
Eine Wende hin zu nachhaltigen EU-Fischereipartnerschaften?

Von Francisco Mari



Die mauretanischen Gewässer sind schon seit Jahrzehnten das Ziel der Hochseetrawler aus Europa, die bei sich alles überfischt haben. Als alle Länder das Recht auf Bewirtschaftung eines Seegebietes 200 Seemeilen vor ihrer Küste erhielten, musste die Europäische Union (EU) für ihre Fangschiffe um Lizenzen verhandeln und zahlte aus Steuergeldern Kompensation dafür. Die Regierung Mauretaniens war froh über die Einnahmen, sie machten teilweise ein Viertel des Staatshaushaltes aus. Um die Nachhaltigkeit der Befischung dieser scheinbar unerschöpflichen Ressource kümmerten sich beide Seiten kaum. Erst als immer mehr Umweltorganisationen und Wissenschaftler warnten, dass die mehrfach verscherbelten Fanggründe umkippen könnten, begann, auch durch die langjährige Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, ein Umdenken bei der mauretanischen Regierung und auch der EU.


Denn inzwischen waren die Fischereiverträge das Symbol einer neokolonialen Ausbeutung afrikanischer Ressourcen geworden. Mit dem Beschluss einer neuen EU-Fischereigesetzgebung 2014, die auch ökologische, soziale und entwicklungspolitische Vorgaben für die nun "Nachhaltige Fischereipartnerschaftsverträge" genannten Abkommen enthält, haben die EU-Kommission und "Partnerländer", wie Mauretanien strenge Vorgaben für Neuverhandlungen. In diesem Falle wurden für einheimische Kleinfischerverbände und internationale NGOs überraschend tatsächlich jene von der Wissenschaft und Zivilgesellschaft geforderten Beschränkungen für die EU-Fischindustrie vereinbart. Die großen Fabrikschiffe dürfen sich der Küste nicht mehr unter 20 Meilen nähern und der Tintenfischfang und der Fang auf die runde Sardinelle wurden gänzlich verboten.

Das Geschrei der EU-Fischindustrie ist groß

Das brachte spanische Schiffseigener, die seit Jahrzehnten in Mauretanien Tintenfisch fangen, ebenso auf die Palme, wie die deutsch/niederländischen Trawlerbesitzer. Sie wollen bis heute nicht glauben, dass Mauretanien ernst macht, Fischgründe der handwerklichen Fischerei vorzubehalten, wenn sie knapp vor der Überfischung stehen. Sie waren bisher nicht gewohnt, dass "ihre" EU-Fischereikommission einem solchen ökologisch nachhaltigen Vertrag zustimmt. Verärgert weigert sich die deutsch/niederländisch Schiffsflotte, die immer noch üppigen Lizenzen über 340 Millionen Kilogramm Fisch anzunehmen. Und zwar um die EU, besonders die Kommission, die vertragstreu an Mauretanien 80 Millionen jährlich überweist, unter Druck zu setzen. Denn momentan zahlt die EU, ohne dass die "gekauften" Fangmöglichkeiten für die EU-Fangschiffe 100%ig genutzt werden. Das könnte tatsächlich EU-Parlament und EU-Mitgliedsländer verleiten, die Zahlungen zu kürzen. Gerade bei den laufenden Neuverhandlungen des Protokolls wird das in den nächsten Wochen noch eine Rolle spielen.

So ganz hat es aber bisher für die Fischindustrie noch nicht geklappt, die Anwendung des Abkommens zu ihren Gunsten neu zu verhandeln. Denn Tunfischfänger, Krabbenfischer und auch baltische Fischtrawler boykottieren nicht mit. Es gibt vor allem für letztere "Monsterschiffe" auch gar keine anderen Meere, wo diese "Dinosaurier der Weltmeere" noch profitabel fischen könnten. Die Kleinfischerei in Mauretanien, die dortige Zivilgesellschaft und NGOs in Europa sind auf jeden Fall entschlossen, keinen Rückfall in Zeiten des "Fisch zahlen und mitnehmen" zuzulassen.

Wende oder Ausnahme? Skandal um neues Fischereiabkommen mit Senegal

Es bleibt unklar, ob das Abkommen mit Mauretanien wirklich eine Wende in der EU-Fischereipolitik darstellt oder nur eine Ausnahme. Denn das vor einigen Wochen unterzeichnete Abkommen mit dem Senegal sieht Fanglizenzen für den Seehecht vor, obwohl es keine wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass ein Überschuss an dieser Fangart besteht. Eine Bestimmung, die zwar aufgrund internationalen Rechts selbstverständlich sein müsste, aber von der EU nun überall als großes feierliches Versprechen der neuen EU-Fischereigesetzgebung für alle Fischereiverträge gelten soll. Die Empörung über die EU, aber noch mehr über den eigenen, der GRÜNEN Partei angehörenden Fischereiminister ist in Senegal groß. Auch Brot für die Welt, Fair Oceans und andere mit dem Forum Umwelt und Entwicklung vernetzten deutschen NGOs werden nun, im Gegensatz zum von ihnen unterstützten Abkommen mit Mauretanien, die deutsche Regierung auffordern, diesem EU-Senegal-Protokoll die Zustimmung im EU-Rat zu verweigern.

Scheinbar gewinnen nach den EU-Wahlen und vor dem Ende der Amtszeit der bisherigen Kommissarin Maria Damanaki wieder diejenigen in der EU Oberwasser, die sich nach den intransparenten Kungeleien zwischen Regierungen im Süden, EU-Fischerausschuss im Parlament, Fischereikommission und EU-Rat zurücksehnen. Heute sind aber auch die Kleinfischerverbände in den "Partnerländern" der EU-Fischereiabkommen sehr wachsam. Es dauert nur wenige Sekunden in den sozialen Medien bis wir in Europa ebenso wie viele Menschen im Süden von Machenschaften erfahren, welche den Bestand von Fischgründen gefährden, die für die Ernährungssicherheit und die Einkommensmöglichkeiten der Menschen an den Küsten lebenswichtig sind.


Autor Francisco Mari ist Referent für Agrarhandel und Fischerei bei Brot für die Welt.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014, Seite 10
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2014