Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

GLOBAL/001: Nagoya darf nicht floppen - NGOs fordern ambitionierte Ergebnisse (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010


Aktuell
Nagoya darf nicht floppen
NGOs fordern ambitionierte Ergebnisse

Von Kathrin Blaufuss


Das Jahr 2010 muss für den Schutz der biologischen Vielfalt ein entscheidendes Jahr werden. Gegen Ende des Internationalen Jahres der Biodiversität wird die Staatengemeinschaft auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention (COP 10) über die Zukunft unserer aller Lebensgrundlagen verhandeln. Nun heißt es, die Weichen für die nächsten 10 Jahre richtig zu stellen.

Die Vorverhandlungen in Nairobi im Mai machten deutlich, dass wichtige Fortschritte in drei Schlüsselthemen gemacht werden müssen, um die COP 10 in Nagoya als Erfolg verbuchen zu können. In Nagoya steht viel auf dem Spiel: Der richtungweisende Strategische Plan bis 2020, eine Finanzierungsstrategie und das Protokoll zum gerechten Zugang und Vorteilsausgleich müssen auf den Weg gebracht werden. Die Ausgestaltung eines Strategischen Plans mit konkreten Zielvorgaben, um bis 2020 den Biodiversitätsverlust zu stoppen, ist allerdings noch heftig umstritten. Die Entwicklungsländer machten deutlich, dass ohne eine bedeutende Steigerung der finanziellen Unterstützung, der Verlust an biologischer Vielfalt bis 2020 nicht aufzuhalten sei. Zudem drängen die Entwicklungsländer auf eine befriedigende und längst überfällige Regelung für den gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen. Ohne die letzten beiden Punkte zufriedenstellend zu lösen, wird es keinen zukunftsweisenden Strategischen Plan geben. Ohne diesen wird es aber weltweit kaum Anstrengungen geben, den Biodiversitätsverlust zu stoppen.


Signale nach Japan

Auf dem Weg nach Nagoya, fanden in der letzten Zeit einige wichtige Treffen statt, die das Potenzial haben starke Signale nach Japan zu senden. In Genf trafen sich am 3. September diejenigen Umweltminister, die bereits eine Vertragsstaatenkonferenz ausgerichtet haben oder im Begriff sind, dies zu tun. Sie lancierten dort einen Appell, die "Erklärung von Genf", zum Erhalt der Biodiversität und forderten die Nationen auf, eine neue internationale Politik zur Erhaltung der Biodiversität auszuarbeiten und umzusetzen. Der enorme Wert der biologischen Vielfalt und deren Leistungen für die Menschheit werden darin hervorgehoben und eine Trendwende in der internationalen Biodiversitätspolitik gefordert. Die Erklärung richtet einen Appell an die Staats- und Regierungschefs, am 22. September dieses Jahres auf der Sondersitzung der UN-Generalversammlung zur biologischen Vielfalt ein deutliches Signal an die Teilnehmer der 10. Vertragsstaatenkonferenz der CBD im Oktober in Japan zu senden.

Die Belgische EU-Ratspräsidentschaft lud im September zu einer Konferenz zur Biodiversität nach Ghent ein. Dort wurde die "Botschaft von Ghent für die Biodiversität post-2010" verabschiedet, die einen sektorübergreifenden Ansatz für die Biodiversität fordert. Mainstreaming müsse stattfinden, um wirkliche Fortschritte zu erzielen. Auch wurde das EU Engagement für den Erhalt der globalen Biodiversität bestärkt. Für Nagoya und dessen Erfolg ist das wichtig, allerdings auch nur dann, wenn Taten folgen.


NGO-Forderungen

Aus Sicht deutscher Umwelt- und Entwicklungsverbände müssen dafür folgende Anforderungen in Nagoya erfüllt werden [1]:

1) ABS-Protokoll muss endlich verabschiedet werden

Im dritten Ziel der Konvention über die biologische Vielfalt, die gerechte Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen, sind seit Inkrafttreten der Konvention nicht genügend Fortschritte gemacht worden. Bisher konnte kein völkerrechtlich verbindliches Protokoll verabschiedet werden, um der Biopiraterie einen Riegel vorzuschieben. Dieses Protokoll muss auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz der CBD im Oktober 2010 in Nagoya/Japan endlich beschlossen werden. Es muss die Rechte von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften voll berücksichtigen und ein stringentes und verbindliches Überprüfungssystem enthalten, dazu gehören auch Sanktions- und Klagemöglichkeiten im Falle von Verstößen. Der Geltungsbereich muss so festgelegt werden, dass er alle gängigen Formen der Nutzung genetischer Ressourcen - auch Rückwirkend seit Inkrafttreten der CBD - einschließt.

2) Zusätzliche finanzielle Ressourcen dringend erforderlich

Seit dem Inkrafttreten der Konvention ist es nicht gelungen, die weltweiten Ausgaben für die biologische Vielfalt als globales öffentliches Gut auch nur annähernd auf ein Niveau zu steigern, das dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung gerecht würde. Trotz der über 50%-igen Steigerung der Gelder auf rund 1,2 Milliarden US-Dollar für die Global Environment Facility (GEF), dem Finanzierungsinstrument der CBD, im Jahr 2010, bleiben die finanziellen Mittel weit unter dem Bedarf für die Realisierung der Ziele und Beschlüsse der CBD. Bisher ist das Herzstück der CBD, die Einrichtung eines weltweiten Schutzgebietsnetzes zu Land und auf den Meeren mit 20% Flächenanteil nicht realisierbar. Dafür würden schätzungsweise rund 45 Milliarden US-Dollar jährlich benötigt.

Ein Großteil der natürlichen Vielfalt befindet sich in den Entwicklungsländern des Südens, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, um die Biodiversität aus eigener Kraft zu schützen. Im Sinne einer gemeinsamen aber geteilten Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt und Ökosystemleistungen, sind daher die reichen Nationen gefordert. Die Industriestaaten kommen aber bisher ihrer Verpflichtung aus der CBD, den Entwicklungsländern »neue und zusätzliche Finanzmittel« zur Umsetzung der Konvention bereit zu stellen, nicht nach.

Daher müssen alle Vertragsstaaten der CBD die finanziellen und personellen Ressourcen um ein mehrfaches steigern. Die Strategie zur Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Ressourcen muss klare Zielvorgaben erhalten und neue und innovative Finanzierungsinstrumente nicht nur entwickelt sondern auch angewendet werden. Ein wichtiger Schritt hierbei wäre der konsequente Abbau schädlicher Subventionen.

3) Strategischer Plan mit hohem Anspruch nötig

Nachdem das 2010-Ziel, den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen, weltweit und in der EU gescheitert ist, müssen neue Ziele mit hohem Anspruch für die kommende Dekade 2011 - 2020 festgelegt werden, damit uns die biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme erhalten bleiben. Grundlage dafür ist der Strategische Plan mit konkreten Zielen, die bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollen, z.B. Stopp des Verlustes an Wäldern und natürlichen Lebensräumen, Stopp von Überdüngung und Überfischung, Vergrößerung der Schutzgebietsfläche auf 20% an Land und auf den Meeren, nachhaltige Bewirtschaftung aller Landwirtschaftsflächen, Beendigung aller umweltschädlichen Subventionen. Die einzelnen Ziele müssen ambitioniert und durch entsprechende Indikatoren und Meilensteine messbar sein.

Diese Forderungen wurden auf einer Fachtagung vom Deutschen Naturschutzring und Forum Umwelt und Entwicklung am 16. September auch mit Vertreter/Innen aus der Politik, Regierung und Wissenschaft diskutiert.


Nagoya muss gelingen

Bereits am 15. September hatte das Forum Umwelt und Entwicklung gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung (BMZ) zur öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung "Vielfalt erhalten - Zukunft sichern: Biologische Vielfalt als Grundlage für Entwicklung" in Berlin eingeladen. Dort sollte ein gemeinsames Zeichen gesetzt dafür werden, dass der Erhalt biologischer Vielfalt sofortiges Handeln erfordert. Auf Grund der Tatsache, dass es abzusehen ist, dass die Verhandlungen in Nagoya schwierig werden galt es vorher noch einmal sowohl breite Unterstützung für das Thema Biodiversität in der Öffentlichkeit zu generieren, als auch den entsprechenden Forderungen der Zivilgesellschaft gehör zu verschaffen. Denn es ist im Moment nicht abzusehen, dass Industrieländer substantiell mehr finanzielle Ressourcen aufbringen werden und auch bei den ABS-Verhandlungen fehlen noch die entsprechenden Zugeständnisse. Auf der anderen Seite kann sich die Weltgemeinschaft ein zweites Kopenhagen nicht leisten, Nagoya muss gelingen und dadurch auch entsprechende Signale nach Cancun für die Klimaverhandlungen im Dezember aussenden.

Die Autorin ist NGO-Focal Point des gemeinsamen Projektes zu COP10 von DNR und Forum Umwelt und Entwicklung.


[1] Ein ausführlicher Anforderungskatalog an die 10. UN-Konferenz über die biologische Vielfalt (CBD COP 10) in Nagoya, Japan, 18.-29. Oktober 2010 kann unter www.biodiv-network.de heruntergeladen werden.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2010