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GLOBAL/086: Die COP 11 der Biodiversitätskonvention - Was können wir erwarten? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012
Biodiversität - Mehr Kröten für den Artenschutz

Die COP 11 der Biodiversitätskonvention
Was können wir erwarten?

von Friedrich Wulf



Die COP 10 war zweifellos ein großer Erfolg. Diejenigen, die in Nagoya gewesen sind, werden sich noch an die Freude und Erleichterung erinnern, als weit nach Mitternacht am letzten Tag der COP 10 im Oktober 2010 alle Entscheidungen angenommen wurden, einschließlich der drei wichtigsten, dem sogenannten »Nagoya-Paket«. Dieses umfasst die Entscheidung über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile aus deren Nutzung (mit dem Nagoya-Protokoll)(X/1), der Entscheidung zum Strategischen Plan 2011 bis 2020 und den Aichi-Biodiversitäts-Zielen (X/2) und der Entscheidung zur Strategie für die Mobilisierung von Ressourcen zur Unterstützung der Erreichung der drei Ziele des Übereinkommens (X/3). Diese Konferenz war damit ein Meilenstein in der Geschichte des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD).

Da nun all diesen wichtigen Entscheidungen getroffen wurden, könnte man sich fragen, was bleibt für die kommende COP 11 noch zu tun? Hauptaufgabe ist es doch nun, die Entscheidungen auf nationaler Ebene zu implementieren? Aber gerade dafür ist die COP 11 wichtig. Denn die Umsetzung wird nicht ohne ausreichende finanzielle Mittel möglich sein, und auf der COP 11 wollten die Vertragsstaaten Ziele festlegen, in welchem Umfang die Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Was passiert bei der COP 11?

Dies wird wahrscheinlich die Hauptaufgabe für die COP 11 in Hyderabad sein: den Finanzbedarf weiter zu spezifizieren sowie Möglichkeiten der Finanzierung und bindende finanzielle Ziele zu vereinbaren, damit Parteien in der Lage sind, die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen (siehe Artikel von Günter Mitlacher in dieser Ausgabe, Seite 4-5).[*] In Nagoya entschieden die Vertragsparteien die Annahme von konkreten finanziellen Zielen auf die COP 11 in Hyderabad zu verschieben (Entscheidung X/3, Abs. 8g) - »vorausgesetzt, dass robuste Basislinien identifiziert und unterstützt und ein effektives Berichtssystem adoptiert wurden«. In Absatz 7 legt die gleiche Entscheidung eine Reihe von Indikatoren fest, über die die Vertragsstaaten bis Mitte 2011 berichtet hätten müssen, um aufzuzeigen, wie viel Geld derzeit für den Erhalt der Biodiversität ausgegeben wird, wie viel Geld benötigt wird (Gap-Analyse) und auch, wie viel Geld derzeit für biodiversitätsschädigende (»perverse«) Subventionen ausgegeben wird. Leider kamen die Vertragsparteien diesem Aufruf zur Berichterstattung bisher kaum nach, und die weniger als 20 bisher eingereichten Berichte an das Sekretariat decken nur einige der Indikatoren ab (siehe Einleitung von CBD/WGRI/4/6 und die CBD-Seite zur Strategie zur Ressourcenmobilisierung [1]).

Während Einschätzungen über den Finanzbedarf zur Umsetzung des strategischen Plans noch selten sind, ist es absolut klar, dass die Finanzierung dafür verbessert werden muss. Solange die Erhaltung der Biodiversität nicht als Querschnittsaufgabe in allen Wirtschaftsbereichen integriert ist, und solange die Wirtschaft nicht nachhaltig ist, ist es dringend notwendig, diesem Mangel mit gezielten Maßnahmen zu begegnen. Es ist offensichtlich, dass hierfür zusätzliche finanzielle Mittel benötigt werden. In der Tat zeigen jüngste Untersuchungen, dass in der EU die derzeitigen Mittel in der Landwirtschaft verdreifacht werden müssen, wenn die EU-Biodiversitätsziele erreicht werden sollen [2]; die Natura 2000-Finanzierung muss um einen Faktor von fünf bis zehn erhöht werden, damit dieses System von Schutzgebieten ihr Ziel erreichen kann, die Biodiversität in der EU langfristig in einem guten Zustand zu erhalten [3]. In der Schweiz muss die Finanzierung der naturschutzrechtlich geschützten Bundesinventare verdoppelt werden.[4]

Mittel für die CBD

Doch woher soll dieses Geld kommen? In erster Linie werden die benötigten Gelder aus öffentlichen Quellen kommen müssen (siehe Artikel von Günter Mitlacher in dieser Ausgabe, Seite 4-5). Die meisten der geforderten »innovativen Finanzmechanismen« sind methodisch schwierig oder gar gefährlich und inakzeptabel. Die Natur darf weder auf einzelne Ökosystemdienstleistungen reduziert werden, ohne dass andere ebenfalls berücksichtigt werden (klassisches Beispiel ist REDD, bei dem die Wälder nur als Kohlenstoffspeicher angerechnet werden, nicht jedoch als Wasserspeicher oder als Lebensraum für Pflanzen und Tiere), noch darf sie zur Handelsware verkommen, die privatisiert werden kann.

Derzeit fließen in den meisten Ländern weniger als 0,1 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts in die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Bei einer solch marginalen Ausgabe sollte es trotz derzeitiger Finanzkrise möglich sein, den Posten für die öffentlichen Investitionen für Biodiversität zu verdoppeln oder sogar zu verzehnfachen, ohne dass es für den Gesamthaushalt spürbar ist - aber es kann einen großen Unterschied für die Biodiversität bedeuten ... und für unser Wohlergehen. Insbesondere durch den Abbau biodiversitätsschädigender Subventionen kann das nötige Geld aus den Staatshaushalten mobilisiert werden. Dadurch wird nicht nur der Druck auf die Biodiversität reduziert; das eingesparte Geld kann auch genutzt werden, um die Finanzierungssituation zu verbessern.

Der Erfolg von Hyderabad wird daher - zu einem großen Teil - davon abhängen, ob die Industrieländer klare und mutige finanzielle Verpflichtungen Verpflichtungen eingehen und sich zu ausreichenden finanzielle Zielen bekennen, statt sich hinter »unklaren Baselines« und dem Fehlen von Daten zu verstecken - wozu sie weitgehend selbst beigetragen haben, indem sie ihre Hausaufgaben aus der Entscheidung X/3 nicht gemacht haben. Hierzu gehört leider auch Deutschland, das nach wie vor keinen Überblick hat, welche Mittel für die Umsetzung der Nationalen Biodiversitätstrategie (und des strategischen Plans der CBD in Deutschland) [5] nötig sind. Entwicklungsländer haben allen Grund, sich aufzuregen, wenn die Industrieländer ihren Teil des Nagoya-Deals nicht erfüllen, nachdem sie dem strategischen Plan zugestimmt haben. Ohne finanzielle Hilfe der Industrieländer sind sie nicht der Lage, diesen umzusetzen. Ohne Fortschritte hier wäre der Erfolg von Nagoya gefährdet - nur zwei Jahre nach der dortigen Konferenz.

Die Umsetzung des strategischen Plans ist die zweite wichtige Herausforderung in Hyderabad. Wie UNEP/CBD/COP/11/12 zeigt, haben bisher nur dreizehn Parteien ihre nationalen Biodiversitätsstrategien (NBSAP) an seine Ziele angepasst. Für eine erfolgreiche Umsetzung des strategischen Plans sollten die Parteien in Hyderabad:

  • Sich auf eine verstärkte Integration (in NBSAPs und nationalen Politiken) und Umsetzung des strategischen Plans einigen;
  • Aussagefähige und leicht zu erhebende Indikatoren für alle Aichi-Ziele beschließen, über die regelmäßig berichtet wird - wie von dem wissenschaftlichen Ausschuss der CBD - SBSTTA (Subsidiary Body on Scientific, Technical and Technological Advice) vorgeschlagen (SBSTTA XV/1);
  • Meilensteine beschließen, anhand derer sichtbar wird, ob man national und global noch auf Kurs ist, um die Aichi-Ziele zu erreichen. Auch wenn klar ist, dass der Fortschritt der SP-Umsetzung von Land zu Land aufgrund der nationalen Umstände erheblich variieren wird, sollten solche Indikatoren doch auf Grundlage des Anhangs der Vorlage zu SBSTTA 15 (SBSTTA 15/3) beschlossen werden.

Eng verwandt ist die erwartete Entscheidung über den vierten Global Biodiversity Outlook (GBO-4). Dieser soll einen »Halbzeitbericht« über den strategischen Plan liefern. Hierfür sind die vorgeschlagenen Indikatoren und Meilensteine sehr wichtig.

Weitere Themen für einen erfolgreichen Abschluss der Konferenz sind eine Entscheidung, wie bei der REDDUmsetzung die Biodiversität gesichert wird, eine Entscheidung zu Agrotreibstoffe und eine Entscheidung über marine Biodiversität.

Aber nur wenn diese beiden Hauptthemen - Mobilisierung von Ressourcen und Monitoring der Umsetzung des strategischen Plans - erfolgreich behandelt werden, wird die Konferenz von Hyderabad für den dort getroffenen Fortschritt auf dem Weg zur Erreichung der Ziele der CBD in guter Erinnerung bleiben.

Der Autor ist Koordinator der AG Biodiversität des Forums Umwelt und Entwicklung und arbeitet bei Pro Natura - Friends of the Earth Switzerland zu internationaler Biodiversitätspolitik.

[1] Vgl. http://www.cbd.int/financial/

[2] Vgl. IEEP, July 2011: Costs of delivering environmental benefits through agriculture and forestry management, http://www.ieep.eu/topics/agriculture-and-land-management/high-nature-value-farming/2011/07/costs-of-delivering-environmentalbenefits-through-agriculture-and-forestrymanagement, p.3 f.: 34 Mrd. EUR/a werden jährlich für Landmanagement benötigt, 13.5 Mrd EUR/a sind verfügbar.

[3] Vgl. http://www.ieep.eu/publications/2011/03/financing-natura-2000

[4] Vgl. http://www.wsl.ch/fe/wisoz/projekte/biotopschutzkosten//index_DE

[5] S. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Thilo Hoppe, Sven-Christian Kindler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 24.7.2012, Bundestags-Drucksache 17/10380

Die AG Biodiversität hat ein Hintergrundpapier zur Finanzierung des Strategischen Plans veröffentlicht. Dieses steht unter www.forumue.de/themen/biologische-vielfalt/ag-biologische-vielfalt-termine/fachtagungcop11/ zum Download bereit.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

[*] Anmerkung der SB-Redaktion: Im Schattenblick unter: Infopool → Umwelt → Internationales
GLOBAL/087: Die Finanzierung der Konvention zur biologischen Vielfalt bis 2020 (FUE Rundbrief)

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012, S. 2-3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2012