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GLOBAL/087: Die Finanzierung der Konvention zur biologischen Vielfalt bis 2020 (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012
Biodiversität - Mehr Kröten für den Artenschutz

Die Finanzierung der Konvention zur biologischen Vielfalt bis 2020
Herausforderungen und Lösungsansätze für die Konferenz in Hyderabad

von Günter Mitlacher



Die Lösung der chronischen Unterfinanzierung des globalen Biodiversitätsschutzes ist eine entscheidende Hürde, die auf dem nächsten Biodiversitätsgipfel in Hyderabad 2012 in Indien (CBD COP-11) übersprungen werden muss. Denn der Mangel an ausreichenden finanziellen Mitteln ist ein Haupthindernis, den Biodiversitätsverlust weltweit zu stoppen.

Bessere Gesetze, effektivere Landnutzungsplanung, stärkere Einbindung von Naturschutzanliegen in andere Wirtschaftssektoren und die Transformation hin zu einer »Green Economy« müssen hinzukommen. Der Masterplan 2011-2020 der Biodiversitätskonvention (CBD) mit seinen 20 Zielen (Aichi Targets) beschreibt diese Mammutaufgabe sehr deutlich. Ein ambitionierter Strategischer Plan ohne Finanzierungskonzept mit klaren Finanzierungszielen ist kaum denkbar. Darum wird in Hyderabad intensiv zwischen Nord und Süd gerungen (siehe Artikel von Friedrich Wulf in dieser Ausgabe, Seite 2 - 3).

Fehlende »Bausteine« der Finanzierungsstrategie der CBD

Eine neue Finanzierungsstrategie der CBD wurde auf dem Bonner Biodiversitätsgipfel 2008 (CBD COP 9) ausgehandelt (Strategie zur Mobilisierung von Ressourcen Entscheidung IX/11), die zu größeren finanziellen, technischen und personellen Kapazitäten in allen Vertragsstaaten führen soll.

Die Umsetzung der Finanzierungsstrategie wurde auf der Konferenz in Nagoya 2010 (CBD COP-10) mit einem Indikatorensystem unterfüttert, das Auskunft über die bereitgestellten Geldströme geben soll, zum Beispiel Mittel der Entwicklungshilfe für Biodiversität (Official Development Assistance - ODA), Höhe nationaler Budgets, Ausgaben des Privatsektors, von NGOs, Stiftungen und von anderen Geldgebern. Alle Staaten sollten dieser Entscheidung gemäß (decision X/3 www.cbd.int) bis 30. Juni 2011 geeignete Informationen liefern, jedoch konnten nur wenige Staaten diese Daten überhaupt beschaffen. Die probeweise Anwendung der Indikatoren führte dazu, das Berichtssystem zu überarbeiten. In Hyderabad soll nun ein gestrafftes Konzept (reporting framework) verabschiedet werden. Eine Einigung über diesen »Baustein« dürfte erreichbar sein.

Ungleich schwieriger gestaltet sich die Entscheidungsfindung, sprich welchen Referenzzeitraum legt man zugrunde, um die Referenzgröße über die derzeitigen Ausgaben zu beziffern.

Diese sogenannte baseline der nationalen und dann aggregiert zu globalen Ausgaben soll eine Grundlage sein, um darüber zu entscheiden, wie viel Geld man heute bereits ausgibt. Der vorgeschlagene Zeitraum 2006 bis 2010 für die Bestimmung eines Durchschnittswertes der baseline ist nach wie vor strittig. Die EU hatte den Vorschlag eingebracht, ein bestimmtes Jahr als baseline zu nehmen. Dies ist nicht unerheblich, um zu verdeutlichen, was die Staaten in den letzten Jahren an Geldern zur Verfügung gestellt haben und wie die Zuwächse waren. Der Durchschnittswert fiele höher aus im Vergleich zum Basisjahr 2006 und geringer im Verhältnis zum Basisjahr 2010, wie die Tabelle mit Werten der OECD, der EU und Deutschlands verdeutlicht.

In der EU ist man sich auch über die Methode nicht einig, wie die baseline bestimmt werden soll, da sehr unterschiedliche Datenerhebungsmethoden in den Mitgliedsstaaten existieren. Und auch in Deutschland scheint man sich daran die Zähne auszubeißen. In Hyderabad wird man sich hoffentlich auf den Referenzraum 2006 bis 2010 einigen können, weil dies der Datenlage in den CBD-Staaten am ehesten gerecht wird und einzelne Jahresangaben nur zu Verzerrungen führen würden. Man muss zuversichtlich sein, dass trotz der methodischen Schwierigkeiten diese Hürden genommen werden.

Was an Geld gebraucht wird - der Finanzierungsbedarf

Man hatte sich auf maßgeblichen Druck der EU darauf verständigt, in Hyderabad über die Finanzierungsfragen weiter zu verhandeln. Und es solle nur dann ein Finanzierungsziel beschlossen werden, wenn die besagte baseline (2006 - 2010) akzeptiert und das Berichtskonzept (reporting framework) beschlossen wird. Sehr schwierig dürfte es sodann werden, sich auf ein Finanzierungsziel zu einigen, also auf eine Vereinbarung, welche Länder wie viel Geld beisteuern, um den Masterplan bis 2020 zu schaffen.

Zuvorderst wird darüber debattiert werden, in welchen Größenordnungen die jetzigen Ausgaben liegen. Von 16 CBD-Staaten gibt es neue Zahlen, von 177 Staaten fehlen verlässliche Daten, das heißt wir wissen nicht, wie viel Geld derzeit für Biodiversität weltweit ausgegeben wird und selbst für Deutschland gibt es keine Gesamtübersicht, was Bund, Länder, Kreise und Gemeinden für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzen. Eine im Jahr 2012 neu aufgelegte Analyse im Auftrag des CBD-Sekretariates beziffert die globalen Ausgaben im Jahr 2010 auf etwa 53 Milliarden US Dollar (Little Biodiversity Finance Book, 2012).

Wie groß ist der eigentliche Finanzierungsbedarf für den Masterplan der CBD? Ein bottom-up-Ansatz mit Daten aller CBD-Staaten sollte eine Basis für die Diskussion um Finanzierungsziele legen. Nur wenige Länder haben Zahlen geliefert, so dass momentan auch keine globale Zusammenschau besteht.

Großbritannien und Indien haben eine Studie in Auftrag gegeben, die eine Schätzung der globalen Kosten (global costs) für jedes der 20 Aichi-Ziele bis Hyderabad vorlegen soll. Die Zahlen dieses top down-Ansatzes dürften je nach Aichi-Ziel stark variieren und insgesamt eine Größenordnung von mehreren hundert Milliarden bis zu Billionen US Dollar erreichen. Die Datenlage ist jedoch unvollständig und es bestehen große Unsicherheiten in den Kalkulationen von Maßnahmen, je nachdem, unter welchen Umständen und in welchem Land sie umgesetzt werden. Außerdem überlappen sich viele Aichi-Ziele, so dass Doppelberechnungen kaum zu vermeiden sind.

Parallel arbeitet eine Expertengruppe an dem Finanzierungsbedarf für die nächste Periode 2014 - 2018 der Global Environment Facility (GEF), der allerdings nur 155 Länder und nur solche Maßnahmen einschließt, die durch die GEF förderfähig sind. Die Kostenschätzungen dafür beziehen sich zudem nur auf zusätzliche Kosten, die entstehen, um globale Vorteile in Projekten zu erreichen (incremental costs to generate global environmental benefits). Dieser »reduzierte« top-down-Ansatz konzentriert sich außerdem nur auf Schätzungen von Ausgaben, die im wesentlichen in der Verantwortung der Regierungen liegen, um die CBD-Beschlüsse umzusetzen und somit von öffentlichen Haushalten zu finanzieren sind. Viele zusätzliche Maßnahmen werden nicht erfasst.

Legt man die bekannten Ergebnisse zugrunde, weil der Autor Mitglied dieser CBD/GEF-Expertengruppe ist, kann man - sehr konservativ gerechnet - einen Bedarf von mindestens 50 Milliarden US Dollar pro Jahr an zusätzlichen Mitteln aus allen öffentlichen Haushalten für alle Länder annehmen. In dem besagten 10-Jahreszeitraum des Masterplans liegt der Bedarf bei circa 500 Milliarden US Dollar.

Basierend auf der Analyse des Little Biodiversity Finance Book (2012) summieren sich die aus öffentlichen Haushalten multi- und bilateralen durch ODA sowie national aufgebrachten Gelder auf circa 32 Milliarden US Dollar pro Jahr (2010). Die gesamten öffentlichen Gelder müssten somit mehr als verdoppelt und auf 82 Milliarden US Dollar pro Jahr gesteigert werden. Daran hat die ODA für Biodiversität einen Anteil von circa 20 Prozent weltweit pro Jahr. Diesem Prozentsatz gemäß entfielen von den 82 Milliarden US Dollar insgesamt rund 17 Milliarden US Dollar auf die multi- und bilaterale Finanzierung als ODA und rund 65 Milliarden US Dollar auf die Finanzierung in nationaler Verantwortung.

Wie ein Finanzierungsziel aussehen sollte

Wie beschrieben geben die OECDLänder bilateral rund sechs bis sieben Milliarden US Dollar pro Jahr aus, was um circa 0,5 Milliarden US Dollar pro Jahr an multilateraler Finanzierung zu ergänzen wäre (zum Beispiel über die GEF). Die baseline 2010 für die ODA Biodiversität wäre somit rund sieben Milliarden und das Ziel 17 Milliarden US Dollar pro Jahr, was eine (sofortige!) Steigerung um das mehr als das Doppelte bedeutet! Rein rechnerisch müssten jährlich akkumulativ etwa 20 Prozent Zuwachs eingeplant werden. Dies ist sehr schwierig und unwahrscheinlich angesichts knapper Kassen. Gleichzeitig müssten die einzelnen CBD-Staaten insgesamt ihre nationalen Budgets für Biodiversität ebenfalls verdoppeln, von derzeit 32 Milliarden auf 65 Milliarden US Dollar pro Jahr, was gleichermaßen äußerst schwierig ist.

Fazit

Der Masterplan der CBD ist ein sehr ambitionierter politischer Rahmen, um den Verlust an biologischer Vielfalt bis 2020 zu stoppen. Ohne eine solide Finanzierung werden die 20 Aichi-Ziele nicht zu erreichen sein. Gute Gesetze, positive Anreize zu nachhaltiger Landnutzung und Abbau schädlicher Subventionen müssen die Finanzierungsstrategie flankieren, so dass auch Ausgaben gespart werden können. Dennoch müssen öffentliche Mittel den Löwenanteil der Finanzierung von biologischer Vielfalt als öffentlichem Gemeingut abdecken. Wie die Lastenteilung zwischen nationaler und internationaler Finanzierung (ODA) des Masterplans aussehen soll, wird hart verhandelt werden. Wegen der Finanzkrise wollen die EU und andere Geber keine neuen Zusagen machen. Aber auch die Entwicklungsund Schwellenländer müssen ihren Teil der Last tragen.

Der Autor ist Leiter Biologische Vielfalt bei WWF Deutschland.

Jahr
OECD Länder
Nicht-EU Länder
EU
EU
Deutschland
2006   
2007   
2008   
2009   
2010   
2,9   
3,7   
3,6   
4,8   
6,5   
1,4     
2,3     
1,4     
2,0     
2,5     
1,5
1,4
2,2
2,8
4,0
1,2
1,1
1,7
2,2
3,2
0,22   
0,19   
0,22   
0,30   
0,46   
Durchschnitt 2006 - 2010

4,3   
*    
1,9     
*      
2,4
*
1,9
**
0,28   
**    

*  in Mrd. US$, gerundet
** In EURO (1:0,8 US$), gerundet

Tabelle: Bilaterale Biodiversitätsfinanzierung von OECD-Ländern (Daten: OECD-DAC - Rio Marker Daten, April 2012.)


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012, S. 4-5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2012