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KATASTROPHEN/042: Japan - Städte dringen auf Ausbau von Katastrophenschutz, auch Privatsektor beteiligt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Oktober 2012

Japan: Städte dringen auf Ausbau von Katastrophenschutz - Auch Privatsektor beteiligt

von Suvendrini Kakuchi


Nähunterricht für Erdbebenopfer - Bild: © Suvendrini Kakuchi/IPS

Nähunterricht für Erdbebenopfer
Bild: © Suvendrini Kakuchi/IPS

Tokio, 12. Oktober (IPS) - Das verheerende Erdbeben der Stärke 9 und der Tsunami im Nordosten Japans im März 2011 haben den betroffenen Städten vor Augen geführt, wie wichtig es ist, auf derartige Naturkatastrophen vorbereitet zu sein. "Ohne die vorher durchgeführten Schutzübungen hätten wir die Tragödie nicht überlebt", ist sich Takao Kawamura, der Direktor der Arahama-Grundschule in Sendai, sicher.

"Die große Herausforderung besteht heute darin, auf die nächste Katastrophe noch besser vorbereitet zu sein, indem wir daraus lernen, was wir an jenem Tag noch versäumt haben", sagt Kawamura. Zusammen mit Lehrern und Schülern hatte er auf dem Dach der inzwischen verlassenen Schule bis zur Ankunft der Rettungshubschrauber ausgeharrt.

Im Rahmen des 'Sendai-Dialogs' trafen am 9. Oktober in der Stadt IWF-Chefin Christine Lagarde, der Weltbankpräsident Jim Yong Kim und andere Teilnehmer der Tagungen der internationalen Finanzorganisationen vom 9. bis 14. Oktober in Tokio mit Vertretern japanischer Behörden, der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft zu Diskussionen zusammen, um über die Stärkung des internationalen Engagements für weltweite Katastrophenhilfe zu diskutieren.

"Wir haben viel gelernt, als wir über die Rolle einer Stadtverwaltung bei der Katastrophenprävention nachgedacht haben", sagte die Bürgermeisterin von Sendai, Emiko Okuyama, bei der Eröffnung der 'Sendai-Dialogs'. Die Stadt bereitet auf mehreren Ebenen Rettungsmaßnahmen vor und entwickelt eine neue Umweltstrategie, die auch Energiemaßnahmen einschließt.

Bei dem Beben und dem Tsunami kamen in der 1,6 Millionen Einwohner zählenden Stadt 891 Menschen ums Leben. Die Zahl der Opfer wäre noch höher gewesen, würden in Japan nicht strikte Vorschriften für den Bau erdbebensicherer Häuser gelten.


Regelmäßige Katastrophenschutzübungen in der Schule

Wie Kawamura erklärte, leben in Arahama, einem ländlichen Gebiet 15 Kilometer von Sendai entfernt, etwa 1.600 Familien. Da das Katastrophenschutzprogramm hier besonders weit entwickelt gewesen sei, habe es unter den Schülern keine Todesopfer gegeben. Die Kinder seien auch nicht in Panik geraten, da in der Schule regelmäßig Katastrophenschutzübungen stattgefunden hätten, sagte er. Dort seien auch Decken und andere Hilfsgüter eingelagert worden. Wenige Tage vor dem Tsunami hatte Kawamura entschieden, diese Güter vom Erdgeschoss in höhere Etagen bringen zu lassen. Daher seien sie in der Flut nicht verloren gegangen.

Untersuchungen ergaben, dass die Schule, die als Evakuierungsort geplant worden ist, wie viele andere Gebäude im Land den Erschütterungen durch das Beben standgehalten hatte. Nicht gerechnet hatte man damit, dass die Flutwelle eine Höhe von bis zu 15 Metern erreichen würde, gegen die die Pinien, die als Schutzwall gepflanzt worden waren, nichts ausrichten konnte.

"Wir wissen, dass wir nicht zu hundert Prozent auf eine Katastrophe vorbereitet sein können", sagte Norizami Ootobu, der ein groß angelegtes Aufräumprogramm der Stadt Sendai in Ido leitet. "Die beste Vorbereitung auf eine solche Krise besteht darin, Präventionsmaßnahmen einzuführen, die die Auswirkungen mildern."

Naturkatastrophen treffen zwar nicht nur ärmere Entwicklungsländer, richten dort aber oft größere Schäden an. Studien der Weltbank zeigen, dass der Klimawandel und das enorme Wachstum der Städte in diesen Ländern Katastrophen mit schlimmen Folgen auslösen. Die wirtschaftlichen Verluste werden auf ein Drittel der offiziellen Entwicklungshilfe geschätzt.

Ernüchternd wirken in diesem Zusammenhang Statistiken, wonach weniger als vier Prozent der offiziellen Katastrophenhilfe für Präventionsmaßnahmen ausgegeben werden. Der größte Teil des Geldes ist für Nothilfe und Wiederaufbau bestimmt.


Grünes Wachstum muss mit Katastrophenschutz einhergehen

Laut Rachel Kyte, der Vize-Präsidentin der Weltbankabteilung für nachhaltige Entwicklung, wird immer deutlicher, "dass ein grüneres und inklusives Wachstum mit Investitionen in die Katastrophenprävention Teil der globalen Entwicklungsagenden werden muss".

Doch viele Entwicklungsländer sind dazu nicht in der Lage. So erklärte Nadeem Ul Haque, der stellvertretende Vorsitzende der pakistanischen Planungskommission, dass die Prioritäten seiner Regierung eher auf der Schaffung von Arbeitsplätzen für 90 Millionen junge Menschen sowie der Sicherung der Gesundheitsversorgung und dem Aufbau der notwendigen Infrastruktur lägen.

Die Erfahrungen in Sendai haben aber auch gezeigt, dass nicht nur die Behörden, sondern auch die Privatwirtschaft und die Bürger einen wichtigen Beitrag zum Katastrophenschutz leisten können. Aus privater Hand wurden nach dem Beben Darlehen für geschädigte Firmen und für den Wiederaufbau bereitgestellt.

Das Unternehmen Lawson, das in ganz Japan Convenience-Stores betreibt, stellte im Raum Tohoku Lebensmittel für Zehntausende Erdbeben- und Tsunamiopfer in Evakuierungszentren bereit. Die Firma ermöglicht Kindern, die ihre Familien verloren haben oder obdachlos geworden sind, den Schulbesuch. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.worldbank.org/pos/specialevent.html
http://www.ipsnews.net/2012/10/sendai-shares-big-lessons-from-the-great-quake/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2012