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KLIMA/257: Neue Kosten-Nutzen-Rechnung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2013

Klima: Neue Kosten-Nutzen-Rechnung - Internationales Projekt bewertet wirtschaftliche Auswirkungen von Anpassungsmaßnahmen

von Carey L. Biron


Washington, 25. September (IPS) - Äthiopien, Großbritannien, Indonesien, Kolumbien, Südkorea, Norwegen, Schweden wollen ein Jahr lang gemeinsam untersuchen, welchen wirtschaftlichen Nutzen breit angelegte Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel erbringen können.

Die mit neun Millionen US-Dollar finanzierte Initiative 'New Climate Economy' wird von einer Kommission vorangetrieben, deren Vorsitz der ehemalige mexikanische Staatspräsident Felipe Calderón führt. Die Forschungen zu dem Projekt werden in Institutionen durchgeführt, die sich in den meisten der beteiligten sieben Staaten befinden. Für September 2014, kurz vor einem UN-Klimagipfel, soll der Abschussbericht veröffentlicht werden.

Neben einem Aufsichtsgremium, dem frühere Staatschefs und Finanzminister angehören, wird die Globale Kommission für Wirtschaft und Klima tätig werden. Co-Vorsitzender ist der britische Ökonom Nicholas Stern, der 2006 für die britische Regierung einen richtungsweisenden Bericht über den Klimawandel erstellt hatte.


Wachstum und Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen

Das neue Projekt ist als direkte Fortsetzung von Sterns Arbeiten gedacht. "In einer Zeit, in der Regierungen in aller Welt Mühe haben, das Wachstum und den Zugang zu Energie voranzubringen und die Nahrungssicherheit zu verbessern, ist es von essentieller Bedeutung, dass die vollständigen Kosten und Vorteile durch Klimaschutzmaßnahmen deutlicher verstanden werden", sagte Stern bei der Vorstellung des Projekts am 24. September am Rande der UN-Vollversammlung in New York. "Es kann nicht darum gehen, entweder Wachstum zu schaffen oder das Problem der globalen Erwärmung anzugehen. Beides muss geschehen."

Seit der Veröffentlichung des Reports 2006 wird Stern zugutegehalten, den möglicherweise größten Einfluss auf den internationalen öffentlichen Diskurs über die durch Klimaveränderungen verursachten wirtschaftlichen Risiken genommen zu haben. "Man hat zwar das Gefühl, dass der neue Bericht 'Stern 2.0' sein wird, der Fokus wird jedoch etwas anders sein", erklärte Michele de Nevers von der Washingtoner Denkfabrik 'Centre for Global Development' (CGD). "Der Stern-Report konzentrierte sich auf die Kosten des Klimawandels und versuchte klarzustellen, dass die Kosten für einen Stopp oder eine Umkehr des Klimawandels im globalen Kontext relativ gering sein würden. Der neue Bericht will sich dagegen auf die Vorteile der Klimaschutzmaßnahmen fixieren."

Nach Ansicht von Nevers könnten die gewohnten Diskussionen über das Thema dadurch völlig auf den Kopf gestellt werden. "In der globalen Debatte darf nicht nur auf die Kosten geschaut werden", betonte sie. Es zähle auch der Nutzen für Wirtschaft, Gesundheit und Umwelt, der aus solchen Aktionen hervorgehe.


Finanzierung bleibt größte Hürde

In den Entwicklungsländern ebenso wie in den Industriestaaten bleibt der größte Stolperstein bei den internationalen Klimadiskussionen die Finanzierung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zu dessen Abmilderung. Der neue von den Vereinten Nationen beaufsichtigte Grüne Klimafonds verfolgt beispielsweise das Ziel, bis 2020 rund 100 Milliarden Dollar aus Industrieländern zusammenzubringen. Bereits im ersten Jahr sind die Zuschüsse jedoch recht spärlich geflossen.

Die internationalen Debatten drehen sich zurzeit zumeist um die manchmal schwindelerregend hoch erscheinenden Kostenschätzungen für Klimaanpassungsmaßnahmen und neue Methoden zur Energieerzeugung, die die Verwendung fossiler Brennstoffe bremsen. Zudem wird angenommen, dass diese Bemühungen deutlich höhere Betriebskosten verursachen könnten.

Aus diesen Gründen regt sich auch eine gewisse Skepsis hinsichtlich des geplanten Berichts. Manche Beobachter fragen sich, ob die Kommission in ihrer derzeitigen Zusammensetzung die neuen Impulse vermitteln kann, die erforderlich sind, um die globale Klimadiskussion voranzubringen.

"Wir brauchen unbedingt einen frischen Blick auf die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels. Dabei erscheinen aber nur die üblichen Verdächtigen. Es gibt deutliche Überschneidungen mit den Ergebnissen früherer Beratungen, bei denen dieselben Fragen gestellt wurden. Daraus entstanden lange Berichte, die nicht umgesetzt wurden, weil die Industriestaaten nicht ihren gerechten Anteil leisten wollten", sagte Oscar Reyes, der für den Think Tank 'Institute for Policy Studies' in Washington tätig ist.


Abhängigkeit des Klimaschutzes vom Finanzsektor kritisiert

"In Zeiten, in denen Rettungsaktionen für Banken zum Austrocknen von Klima-Fonds führen, beobachten wir, dass dieselben Industrieländer auf ein Klimafinanzierungssystem drängen, das sogar noch stärker vom Finanzsektor abhängig ist", kritisierte Reyes. "Daran kann sich erst dann etwas ändern, wenn die Regierungen beginnen, ihre Wirtschaftsstrategien mit Blick auf dringende Klimafragen zu überdenken."

Die weiter voranschreitende Forschung macht es den Parlamentariern allerdings immer schwerer, das Risiko außer acht zu lassen, dass Tatenlosigkeit angesichts der Klimaveränderungen teurer werden könnte als neue politische Strategien. In China wurde beispielsweise festgestellt, dass eine geringe Kohlendioxyd-Steuer eine substanzielle Auswirkung auf die Treibhausgas-Emissionen hätte. Denn dadurch würde die Luftverschmutzung gemildert, die die Gesundheitskosten in dem Land erheblich in die Höhe getrieben hat.

Das 'Government Accountability Office' - der US-Rechnungshof - setzte den Klimawandel in diesem Jahr auf die Liste der Probleme, die die größten Finanzrisiken für die Regierung und das Land verursachen. Washington sei ungenügend vorbereitet, um mit einem Problem dieses Ausmaßes umzugehen, warnte die Behörde.

Demnach wurde in den USA 2001 die Rekordzahl von 98 Naturkatastrophen gemeldet, verglichen mit 65 im Jahr 2004. In diesem Zeitraum wurden für die Beseitigung der Folgen solcher Katastrophen rund 80 Milliarden Dollar benötigt. Weitere 60 Milliarden Dollar wurden Ende vergangenen Jahres allein für den Ausgleich der Schäden durch den Hurrikan 'Sandy' angefordert, der über einen Teil des Nordostens der USA hinwegfegte.

"Die Einsetzung einer neuen Kommission kommt jetzt gerade recht", erklärte Nathaniel Keohane vom 'Environmental Defence Fund'. Denn die USA und andere Staaten hätten endlich damit begonnen, sich auf die Zunahme extremer Wetterphänomene einzustellen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:
http://newclimateeconomy.net/
http://webarchive.nationalarchives.gov.uk/+/
http://www.hm-treasury.gov.uk/Independent_Reviews/stern_review_economics_climate_change/sternreview_index.cfm
http://www.cgdev.org/
http://gcfund.net/home.html
http://gao.gov/assets/660/652133.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/09/tallying-the-benefits-of-climate-action/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2013