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KLIMA/338: UN-Klimaverhandlungen in Bonn enden mit wenig Fortschritt (DGVN)


DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen

Vereinte Nationen & int. Organisationen - 27.10.2014

UN-Klimaverhandlungen in Bonn enden mit wenig Fortschritt



"Wir verlassen Bonn nicht mit sehr viel zusätzlicher Klarheit in der Frage, wie wir in Lima zu den wegweisenden Entscheidungen gelangen können, die erforderlich sind, um uns der Gefahr des Klimawandels entgegenzustellen."

Diese ernüchternde Bilanz zog Alden Meyer von der US-amerikanischen Wissenschaftsorganisation "Union of Concerned Scientists"[1] nach einwöchigen Klimaverhandlungen in Bonn. Regierungsvertreter aus etwa 190 Ländern waren zusammengekommen, um die nächste UN-Klimakonferenz Anfang Dezember 2014 in Lima/Peru vorzubereiten. Alden Meyer hofft dort trotzdem auf einen Durchbruch: "Durch Fluten, Dürren, Hurrikans, Taifunen und Hitzewellen leiden wir schon heute unter den Konsequenzen unserer bisherigen Untätigkeit. Es muss in Lima zu sehr viel größeren Fortschritten kommen."

Das Bonner Treffen vom 20.-25.Oktober 2014 war Teil des Verhandlungsprozesses für einen neuen internationalen Klimavertrag der Vertragsstaaten des "Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen" (UNFCCC) [2].

Es ist geplant, den neuen Vertrag bei der UN-Klimakonferenz Ende 2015 in Paris zu unterzeichnen, damit er anschließend von allem Mitgliedsstaaten ratifiziert und 2020 in Kraft treten kann. In Bonn konnten aber die tief gehenden Auffassungsunterschiede nicht überwunden werden, die einen Vertragsabschluss erschweren oder gar verhindern könnten.

Die klimaschädlichen Emissionen müssen vermindert werden - aber von wem?

In ihren Ansprachen wiederholten die Regierungsvertreter aus aller Welt ihre seit Langem bekannten Positionen. So verwiesen Delegierte aus Entwicklungsländern erneut auf die besondere Verantwortung der Industrieländer für die globale Erwärmung und den Klimaschutz, während deren Vertreter noch einmal die Erwartung äußerten, dass auch die Entwicklungsländer und besonders die Schwellenländer wie China ihre klimaschädlichen Emissionen reduzieren. Während der Verhandlungswoche in Bonn beschloss die Europäische Union, dass die Gemeinschaft bis 2030 ihre Emissionen um mindestens 40 Prozent vermindern will. Das wurde von vielen Delegationen in Bonn begrüßt, war aber zu wenig ambitioniert, um den internationalen Verhandlungen eine neue Dynamik zu geben.

So wurde weiter zäh verhandelt, ob und wie 2015 die addierten Zusagen der einzelnen Länder für Emissionsverminderungen bewertet und in Beziehung gesetzt werden sollen zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Reduzierungen, die erforderlich wären, um die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2 Grad Celsius zu erreichen. Jene Regierungen, die selbst keine substanziellen Emissionsreduzierungen zusagen wollen, fürchten nicht ohne Grund, dass eine solche Gegenüberstellung den Druck erhöhen würde, mehr für den Klimaschutz zu erhöhen. Sie verweigern deshalb die Zustimmung. Zunächst einmal bleibt es spannend, welche Zusagen die einzelnen UNFCCC-Vertragsstaaten vereinbarungsgemäß bis zum Frühjahr 2015 machen werden. Mehr Beachtung verdient, was die einzelnen Länder bis 2020 tun, um den globalen Temperaturanstieg zu bremsen.

Die 100-Milliarden-Dollar-Frage

Ebenso gab es in Bonn - wieder einmal - Debatten darüber, ob die Industrieländer ihre Zusage von der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen einhalten werden, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für den Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitzustellen. In den Jahren 2010-2012 standen jährlich 10 Milliarden Dollar für diese Aufgaben zur Verfügung, neuere Zahlen fehlen. Die Industrieländer sahen sich in Bonn dem Verdacht ausgesetzt, dass die Mittel seither gesunken seien. Dabei müssten sie deutlich steigen, um schrittweise dem Zielwert ab 2020 näherzukommen. Gestritten wurde bei den Verhandlungen auch darüber, ob verbindliche Finanzzusagen der Industrieländer in den internationalen Klimavertrag aufgenommen werden sollen. Das lehnt zum Beispiel die EU ab. Einige andere Industrieländer gehen sogar so weit, den Finanzzusagen keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zuzubilligen.

Ronald Jumeau von den Seychellen betonte in Bonn im Namen der kleinen Inselentwicklungsländer, dass es keinen neuen internationalen Klimavertrag geben wird, wenn die Industrieländer ihre finanziellen Zusagen nicht einhalten sollten. Als Bewährungsprobe gilt der "Grüne Klimafonds" (Green Climate Fund)[3], dessen Einrichtung bei der UN- Klimakonferenz 2011 in Durban auf den Weg gebracht wurde und der vom kommenden Jahr an operational tätig werden kann. Es sollen sowohl Programme zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern als auch zur Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen dieser Länder finanziert werden. Bisher liegen erst wenige Zusagen für Einzahlungen in den Fonds vor, darunter aus Deutschland. Demgegenüber fehlen bisher u. a. Zusagen von den USA und Japan. Es wird erhofft, dass weitere substanzielle Beiträge in den nächsten Wochen zugesagt werden.

Unübersichtlich wird die Situation dadurch, dass es neben dem "Grünen Klimafonds" zahlreiche weitere Finanzierungsinstrumente für den Klimaschutz in Entwicklungsländern gibt, so den "Anpassungsfonds" (Adaption Fund)[4] beim UN-Klimasekretariat UNFCCC und die "Globale Umweltfazilität" (GEF)[5] sowie Förderprogramme internationaler Organisationen wie der Weltbank und staatlicher und nichtstaatlicher Entwicklungseinrichtungen.

Um dem 100-Milliarden-Dollar-Ziel näherzukommen, hoffen die Regierungen der Industrieländer darauf, dass das Engagement von Unternehmen für den internationalen Klimaschutz stark zunehmen wird. Aber wie private Investitionen mit Klimaschutzkomponenten in Entwicklungsländern finanziell als Beiträge zu den zugesagten 100 Milliarden Dollar bewertet werden sollen, ist im Detail bisher nicht geklärt. Und zusätzlich zu allen anderen offenen Fragen besteht das nicht unbegründete Misstrauen der Entwicklungsländer, dass die Industrieländer einen Teil der bisher für Entwicklungsprogramme eingeplante Mittel nun zu Klimaschutzgeldern umdeklarieren, statt zusätzliche Gelder bereitzustellen.

Kleine Fortschritte, aber kein Durchbruch

Wie bei den zurückliegenden Klimaverhandlungen wurde auch in Bonn der Versuch unternommen, wenigstens in technischen Detailfragen zu einem Einvernehmen zu gelangen. Von technischen Experten wurde unter anderem darüber beraten, wie CO2 im Boden gespeichert und wie die globalen Methanemissionen vermindert werden können. Ein solcher Austausch ist wichtig, kann aber nicht verdecken, dass man bei der Formulierung eines Entwurfes für einen neuen internationalen Klimavertrag in Bonn nicht nennenswert vorangekommen ist.

Beobachter der Verhandlungen sprachen von einem Déjà-vu, also davon, dass das meiste, was gesagt wurde, auch schon mehrfach bei früheren Treffen zu hören gewesen sei. Diese kritische Beobachtung teilten auch Delegierte, die in ihren Ansprachen am Ende des Treffens von einer verpassten Gelegenheit sprachen. Zufrieden konnten eigentlich nur die Länder sein, die wegen ihrer eigenen Öl- und Kohleinteressen jede ambitionierte Klimapolitik verhindern wollen. Deshalb sind die Erwartungen an die UN-Klimakonferenz vom 1.-12. Dezember in Lima nicht hoch, und in Bonn wurden schon einmal weitere Verhandlungsrunden für das nächste Jahr eingeplant, um doch noch einen Klimavertrag in Paris verabschieden zu können.

Es bedurfte schon einer großen Entschlossenheit zum Optimismus, damit das UN-Klimasekretariat am Ende des Bonner Treffens eine positive Bilanz ziehen und in einer Presseerklärung zum Beispiel äußern konnte, es habe "einen Austausch einer reichen Vielfalt von Auffassungen darüber gegeben, wie Nationen ihr Handeln zur Anpassung an die gegenwärtigen und zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels verstärken können". Die internationale NGO "Third World Network" mit Sitz in Malaysia zog hingegen das ernüchternde Fazit nach einem langen Verlesen vorbereiteter Statements in Bonn: "Die Gespräche können fairerweise nicht als Verhandlungen bezeichnet werden."

Gleich nach Ende des Treffens twitterte die UNFCCC-Exekutivsekretärin Christiana Figueres [6], es sei eine "ermutigende Sitzung" gewesen. Diese Auffassung wurde von vielen der abreisenden Delegierten und Beobachter nicht geteilt. Die Gruppe der "Like-Minded Developing Countries", der gleichgesinnten Entwicklungsländer, äußerte jedenfalls, man sei "zutiefst unzufrieden" mit dem Ergebnis der Verhandlungen in Bonn.

(Frank Kürschner-Pelkmann)


[1] http://www.ucsusa.org/
[2] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/klimaschutz/unfccc-united-nations-framework-convention-on-climate-change/
[3] http://news.gcfund.org/
[4] https://www.adaptation-fund.org/
[5] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/index.php?id=1234
[6] http://unfccc.int/secretariat/executive_secretary/items/1200.php


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

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Quelle:
DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen
Vereinte Nationen & int. Organisationen - 27.10.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2014