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KLIMA/407: Karibik - Künstler für Klimagerechtigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. August 2015

Karibik: Künstler für Klimagerechtigkeit

von Kenton X. Chance



Bild: © Kenton X. Chance/IPS

Der Lyriker Kendel Hippolyte aus St. Lucia ist überzeugt, dass es der Erde besser ginge, würde sie von den Menschen als 'Mutter' geschätzt
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CASTRIES, ST. LUCIA (IPS) - "Die karibische Bevölkerung muss die Erde als ihre Mutter begreifen", meint Kendel Hippolyte, ein auf St. Lucia bekannter Lyriker und Theaterautor. "Für mich stellt sich die Sache sehr einfach dar: Es gibt gewisse Vorstellungen davon, was wir unserer Mutter, der wir uns verbunden fühlen, zumuten dürfen."

In der Karibik haben Mütter einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Die Argumentationsweise von Hippolyte ist deshalb allen Einwohnern der Region verständlich und könnte die Menschen vor Ort im Kampf gegen den Klimawandel einen.

Auch die Mutter Erde verdiene eine respektvolle Behandlung, erklärte der 64-jährige Preisträger der St. Lucia-Goldmedaille, mit der das Land die besonderen Leistungen ihrer Bürger auszeichnet, unlängst auf einem Treffen Ende Juli in der St. Lucia-Hauptstadt Castries. Die Veranstaltung stand unter dem Motto 'Stimmen und Fantasie vereint für Klimagerechtigkeit'.

Hippolyte, andere Kunst- und Kulturschaffende und Journalisten der Region haben sich bereit erklärt, ihre Landsleute über den Klimawandel und seine Folgen zu informieren und sie zu Klimaschutzmaßnahmen anzuregen. Geplant ist die Bildung einer informellen Gruppe, der unter anderem der Calypso-Musiker David Michael Rudder aus Trinidad und Tobago, die in Barbados lebende Sängerin Alison Hinds und Gamal 'Skinny Fabulous' Doyle aus St. Vincent und den Grenadinen angehören werden.

Im Vorfeld der Weltklimakonferenz im Dezember in Paris suchen die karibischen Unterhändler die Unterstützung der karibischen Kunstszene für ihre Forderung nach Klimagerechtigkeit. Die Länder der Region haben nur unwesentlich zum Klimawandel beigetragen, bekommen aber als Kleine Inselentwicklungsländer (SIDS) die negativen Auswirkungen am stärksten zu spüren. Ihrer Meinung nach müssen vor allem die Industriestaaten als Hauptverursacher der Erderwärmung die Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen finanzieren.


'1,5 Grad zum Überleben'

Wie der Minister für nachhaltige Entwicklung, Energie, Wissenschaft und Technologie von St. Lucia, James Fletcher, gegenüber IPS erklärte, werden die SIDS auf der Klimakonferenz in Paris ein starkes und verbindliches Klimaabkommen einfordern. Die Temperatur dürfe nicht über mehr als 1,5 bis 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter ansteigen. Die karibischen Unterhändler werden ihrer Forderung mit dem Slogan '1,5 zum Überleben', Nachdruck verleihen.

Schon das Zwei-Grad-Ziel - von dem unklar ist, ob es noch eingehalten werden kann - hätte zur Folge, dass die 15 Mitgliedstaaten der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) einen Rückgang der jährlichen Niederschlagsmenge von zwischen zehn und 20 Prozent erleben würden, betonte Fletcher. Hochrechnungen zufolge würde der Meeresspiegel in der Region dann um bis zu einem Meter steigen, fügte er hinzu. Konkret hätte dies den Verlust von 1.300 Quadratkilometern Land - der Fläche von Barbados, Antigua und Barbuda, Anguilla sowie St. Vincent und die Grenadinen zusammengenommen - zur Folge. Mehr als 110.000 Menschen - dies entspricht der Gesamtbevölkerung von St. Vincent und den Grenadinen - würden vertrieben.

In einer Region, die in hohem Maße vom Tourismus abhängt, würden 149 Ferienorte in Mitleidenschaft gezogen sowie fünf Kraftwerke, 21 Flughäfen und die Umgebung von 21 CARICOM-Flughäfen beschädigt oder zerstört. Ein Prozent der Agrarfläche und 567 Kilometer Straße gingen verloren.

Die für Sonne, Meer und Sand geschätzten Karibikstaaten haben auf nationaler Ebene bereits damit begonnen, Klimaschutz und -anpassungsmaßnahmen umzusetzen. Doch Hippolyte ist der Meinung, dass auf individueller Ebene noch mehr getan werden könne. Es gelte, die Haltung der Menschen zu verändern, sagte er. "Informationen über das, was getan werden muss, gibt es reichlich. Doch müssen sie hier oben, im Kopf, ankommen. Wir als Künstler können dafür sorgen, dass das Wissen die Köpfe und Herzen der Menschen erreicht, damit Hände und Körper in Gang gesetzt werden."

Wie Didacus Jules, Generaldirektor der Organisation der ostkaribischen Staaten (OECS), am Rande der Veranstaltung in Castries gegenüber IPS erklärte, bedeutet Gerechtigkeit der Schutz der verletzlichsten Menschen und gesellschaftlichen Gruppen.


Bild: © Kenton X. Chance/IPS

Die meisten Infrastrukturen der karibischen Inselstaaten finden sich in Küstennähe
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Die meisten Infrastrukturen der Kleinen Inselentwicklungsländer befinden sich in Küstennähe. Sie seien somit vom Meeresanstieg besonders bedroht, erklärte Jules. "Der Klimawandel wird zu einer Konkurrenz um die knapper werdenden Ressourcen führen. Das hat auch Folgen für unser Miteinander. Deshalb ist es wichtig, dass die Botschaft der Klimagerechtigkeit in jeden Winkel der Karibik vordringt."

Kunst- und Kulturschaffende könnten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Forderung nach Klimagerechtigkeit spielen. "Die karibische Musik ist eine globale Kraft, die jeden Hurrikan überdauert", fügte er hinzu. Für die SIDS sei die rote Linie erreicht. Der Klimawandel bedrohe sie in ihrer Existenz. Die Allianz der Kleinen Inselentwicklungsländer werde den Gipfelteilnehmern Ende des Jahres klar machen, dass eine Erderwärmung von höchstens 1,5 Grad Celsius erforderlich sei. (Ende/IPS/kb/12.08.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/08/caribbean-artists-raise-their-voices-for-climate-justice/

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IPS-Tagesdienst vom 12. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2015

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