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KLIMA/414: Australien - Klimaziele unzureichend, Indigene und Pazifikinselbewohner zahlen die Zeche (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. September 2015

Australien: Klimaziele unzureichend - Indigene und Pazifikinselbewohner zahlen die Zeche

von Neena Bhandari



Bild: © Neena Bhandari/IPS

Australien will die CO2-Emissionen bis 2030 um 26 bis 28 Prozent senken. Die Kohleindustrie könnte das verhindern
Bild: © Neena Bhandari/IPS

SYDNEY (IPS) - Rowan Foley hat viele Jahre lang als Förster und Manager im Nationalpark Uluru-Kata Tjuta in den Aboriginesgebieten in Australiens Nördlichen Territorien gearbeitet. In einer der heißesten Regionen des Kontinents konnte er die Auswirkungen der steigenden Temperaturen und extremen Wetterlagen auf die Bewohner aus der Nähe beobachten.

"Es kommt häufiger zu Bränden, und eindringendes Salzwasser verringert die Süßwasserbestände. Das hat Folgen für die traditionellen indigenen Landbesitzer, die am wenigsten zur globalen Erderwärmung beigetragen haben", berichtet Foley, Angehöriger des Wondunna-Clans der ethnischen Badtjala. Die Volksgruppe ist seit jeher die Eigentümerin von Fraser Island und Hervey Bay im Bundesland Queensland.

Australien, der trockenste bewohnte Kontinent, wird im Durchschnitt wahrscheinlich mehr von der globalen Erderwärmung zu spüren bekommen als der Rest der Welt. Zunehmende Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen und Buschbrände wirken sich jetzt schon negativ auf Umwelt und Wirtschaft aus. Die Aborigenes, die Bewohner der Torres-Strait-Inseln und andere verletzliche Gruppen in entfernten Gebieten erleiden durch diese Entwicklung weitere Nachteile.


Rasant steigende Zahl der Hitzetoten

"Die Kokosnuss-Inseln in der Torres-Straße werden durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Die Indigenen, deren Kultur hier verwurzelt ist, können nirgendwo sonst hingehen. Auch die Zahl der hitzebedingten Todesfälle hat schlagartig zugenommen", berichtet Kellie Caught vom 'World Wildlife Fund Australia'.

Für die kommenden 40 Jahre wird vorhergesagt, dass sich die Zahl der Hitzetoten in australischen Städten verdoppeln wird. Die Meeresspiegel werden zudem im 21. Jahrhundert rascher steigen als in den vergangenen vier Jahrzehnten, wie aus einem Bericht des unabhängigen Weltklimarats hervorgeht.

Um die nachhaltige Entwicklung von indigenen Territorien durch eine Verknüpfung traditioneller Praktiken und wirtschaftlicher Interessen voranzutreiben, hat Foley vor fünf Jahren den 'Aboriginal Carbon Fund' gegründet. Die unabhängige Organisation arbeitet mit der Australien-Sektion der Hilfsorganisation 'Caritas' zusammen.

Über Tausende Jahre haben Aborigines in den Savannengebieten im tropischen Norden Australiens im Winter kleine Feuer gelegt, um zu verhindern, dass in der Spätsaison unkontrollierte Brände Land zerstörten. Auf diese Weise wurde weniger CO2 freigesetzt, als dies bei Großbränden der Fall ist.

Ein vom Fonds eingerichtetes Programm sieht vor, dass Bauern CO2-Emissionsgutschriften erwerben können, indem sie den Ausstoß von Treibhausgasen durch klimafreundliche Anbaupraktiken reduzieren und/oder Kohlendioxid in Pflanzen und Böden speichern. Die auf diese Weise erworbenen Gutschriften können sie dann an Organisationen und Firmen verkaufen, die ihre eigene Ökobilanz bereinigen wollen. Mit den daraus resultierenden Einkünften können sich Gemeinschaften in abgelegenen Regionen nachhaltig eine Existenz aufbauen. "Carbon Farming (das 'Ernten' von CO2 aus der Luft durch Pflanzen) ist ein landwirtschaftlicher Geschäftszweig, für den wir dringend ein Entwicklungskonzept benötigen", betonte der Fonds-Generalmanager Foley.

Vertreter der Zivilgesellschaft weisen zudem darauf hin, dass Australien ein großes Potenzial für die Erzeugung von Solar- und Windenergie habe. Die regierende Koalition aus Liberalen und Konservativen hat jedoch die Zielmarken im Bereich erneuerbare Energien gesenkt sowie Steuern auf CO2-Produktion und Kohlebergbau abgeschafft.

"Unsere Regierung hat extreme Anstrengungen unternommen, um die Klimapolitik und die Förderung sauberer Energien zu unterminieren", kritisiert Tom Swann, Wissenschaftler am 'Australia Institute' mit Sitz in Canberra. "Wenn Australien seinen Plan umsetzt, die Exporte in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln, wird die Welt nichts gegen den Klimawandel ausrichten können."


Kohleförderung bremst globale Klimapolitik

Mehr Kohleminen würden einen Niedergang der Kohlepreise, weniger erneuerbare Energien und stärkere Klimaauswirkungen bedeuten, warnt er. Wenn Australien das Ziel, den Temperaturanstieg auf höchstens zwei Grad zu begrenzen, erreichen wolle, dürften 95 Prozent der auf dem Kontinent vorhandenen Kohle nicht abgebaut werden. Premierminister Tony Abbott hat jedoch erklärt, dass ihm etliche Dinge einfallen, die der Zukunft mehr schaden könnten.

Kohle ist Australiens zweitwichtigstes Exportgut. Die Ausfuhren werden laut dem Ministerium für Industrie und Wissenschaft in diesem Jahr voraussichtlich Einnahmen von umgerechnet 253 Milliarden US-Dollar einbringen. Das Land exportiert 80 Prozent der geförderten Kohle. Zurzeit werden drei Viertel des Strombedarfs im Land durch Kohlekraftwerke gedeckt.


Bild: © Neena Bhandari/IPS

Kohle ist Australiens zweitgrößter Ausfuhrartikel, der dem Land etwa 200 Milliarden Dollar an Exporteinnahmen einbringt
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"Wir brauchen neue Maßnahmen, um den Übergang von schmutziger Kohle zu erneuerbaren Energien zu vollziehen, beispielsweise eine Verpflichtung aller Parteien, dass bis 2030 mindestens 50 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen stammen", erklärt Cassandra Gould vom 'Australian Council of Social Service' (ACOSS).

Laut einer am 10. August veröffentlichten Untersuchung des 'Climate Institute' in Sydney geben 84 Prozent der Australier Solarstrom den Vorzug vor der Windenergie (69 Prozent). Australien hat sich vorgenommen, die CO2-Emissionen bis 2030 um 26 bis 28 Prozent im Verhältnis zum Stand von 2005 zu senken.

Caught von WWF Australia hält diese Zielmarke jedoch für unzureichend, um den Temperaturanstieg auf höchstens zwei Grad Celsius zu begrenzen. Würden die übrigen Länder der Welt eine ähnliche Strategie verfolgen, wäre ein Anstieg um drei bis vier Grad zu erwarten, so die Expertin.

Wie das Weltressourceninstitut WRI mitteilte, streben die USA und die Staaten der Europäischen Union Emissionssenkungen von jährlich etwa 2,8 Prozent an. Australien käme mit seiner Politik dagegen nur auf eine Reduzierung um 1,8 Prozent pro Jahr. Trotz einer relativ geringen Zahl von 23,8 Millionen Einwohnern liegen die Pro-Kopf-Emissionen Australiens bei 26,2 Tonnen CO2-Äquivalent. Somit trägt das Land mit 1,3 Prozent zu dem weltweiten Kohlendioxidausstoß bei, wie aus WRI-Daten von 2011 hervorgeht.


Geringfügiger Wachstumsverlust durch ein Mehr an Klimaschutz

Umweltgruppen zufolge könnte es Australien durchaus schaffen, eine kohlestoffarme Volkswirtschaft zu werden. "Den Klimaschutzplänen der Regierung für 2030 zufolge wird sich das Wirtschaftswachstum im Laufe der kommenden 15 Jahre voraussichtlich um 0,2 bis 0,3 Prozent verringern", sagt Caught. "Würde dagegen eine deutlich höhere Absenkung der Emissionen um 45 Prozent anvisiert, wäre im gleichen Zeitraum lediglich ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 bis 0,7 Prozent zu erwarten. Diese kleine Differenz könnte in wenigen Monaten ausgeglichen werden."

Zivilgesellschaftliche Organisationen warnen vor den verheerenden Folgen der australischen Klimapolitik insbesondere für die armen und sozial ausgegrenzten Bürger. Sie wären am stärksten von dem Anstieg des Meeresspiegels, der Überschwemmung der Küstengebiete und dem daraus resultierenden Rückgang der Ernteflächen betroffen. Millionen Australier würden sich zur Migration gezwungen sehen.

Negaya Chorley von Caritas Australia kritisiert, dass die Klimaziele der Regierung die bereits offensichtlichen Auswirkungen auf Indigene ignorieren.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass ein Drittel aller globalen Krankheiten durch Umweltfaktoren ausgelöst wird. Kinder unter fünf Jahren tragen demnach mehr als 40 Prozent dieser Krankheitslast, obwohl sie nur zehn Prozent der gesamten Weltbevölkerung ausmachen.

Tim Norton vom Kinderhilfswerk 'Save the Children' fordert daher, dass ein reiches Land wie Australien seinen Beitrag zur Finanzierung internationaler Klimaschutzmaßnahmen, etwa für den Grünen Klimafonds, auf 285 Millionen US-Dollar erhöhen müsse. (Ende/IPS/ck/04.09.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/09/who-will-pay-the-price-for-australias-climate-change-policies/

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IPS-Tagesdienst vom 4. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2015

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