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LANDWIRTSCHAFT/044: Sojaimporte sind ein virtueller Landtransfer in die EU (KRITISCHE Ökologie)


KRITISCHE Ökologie - Zeitschrift für Umwelt und Entwicklung
Nr. 80 Ausgabe 28 [1] - Sommer 2013

Sojaimporte sind ein virtueller Landtransfer in die EU

von Ursula Gröhn-Wittern,* Agrar Koordination



Die bei uns übliche intensive Tiermast verlangt nach viel Kraftfutter in Form von Getreide und eiweißreiche Futtermittel. Dabei handelt es sich mittlerweile hauptsächlich um Soja, das aus Brasilien, Argentinien und Paraguay eingeführt wird. Da in diesen Ländern zunehmend gen-manipuliertes Soja angebaut wird, hat dies zur Folge, dass etwa 75 % "unserer" Tiere mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert werden. Eine entsprechende Kennzeichung der daraus hergestellten Nahrungsmittel gibt es nicht.

Der Anbau von Soja außerhalb Europas gleicht einem Flächenimport in die EU von 15 bis 20 Mio. Hektar - je nachdem, welche Erträge und Jahre man annimmt. Das entspricht etwa einem Zehntel der Agrarfläche der EU. Der Sojaanbau ist einer der Hauptgründe für die Zerstörung des Regenwaldes in Brasilien oder der sehr artenreichen Savannen in Paraguay. Er führt zur Vertreibung ländlicher Bevölkerungen und Kleinbauern, vergiftet das Wasser und die Böden durch den zunehmenden Einsatz von Agrarchemie und besetzt Flächen, die für die Erzeugung von Nahrung für Menschen nicht mehr genutzt werden können.

Die Menge der Herbizide (z. B. Round-Up), die jedes Jahr ausgebracht werden, steigt ständig, obwohl der Einsatz doch laut Gentechnik-Werbung geringer werden sollte. In den großen Plantagen werden die Gifte mit dem Flugzeug ausgebracht und treffen dabei auch auf Ansiedlungen und Gemüsefelder. Haustiere und Menschen werden vergiftet. Z. B. ist die Konzentration von RoundUp Ready in Argentinien in den letzten 15 Jahren um das fünffache gestiegen. Waren es 1996 noch ein bis zwei Liter pro Hektar, so waren es 2010 bereits zwischen fünf und zehn Litern.

Verdienen tun einige wenige Agrarmulties und Großgrundbesitzer und die großen ABCD-Handelshäuser (ADM, Bunge, Cargill, Louis Dryfuss). Sie kaufen die Ernte, bauen die Straßen, besitzen die Mühlen, die Schiffe und Kaianlagen für den Transport und vermarkten die Fracht und die Futtermittel: Die komplette Kette vom Feld in den Trog.

Dabei könnte Eiweißfutter durchaus auch aus heimischen Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen, und sogar Soja kommen. Doch wurde die züchterische und ackerbauliche Weiterentwicklung dieser Kulturen über Jahrzehnte vernachlässigt, weil ihr Anbau immer mehr zurück ging.

Diese Kulturen bieten viele Vorteile. Vor allem die bei uns (außer im Biolandbau) völlig unterbewertete Fähigkeit der Leguminosen, Stickstoff aus der Luft zu binden und nachfolgenden Kulturen nutzbar zu machen. Das würde die Überdüngung mit chemischen Düngern mindern, das Grundwasser schonen und würde die jährliche Algenblüte in der Ostsee und in Binnengewässern verringern. Außerdem würde ein vermehrter Leguminosenanbau die Fruchtfolge erweitern, Bienenweide liefern und die Biodiversität über und unter der Erde und den Humusaufbau im Boden fördern.

Ein Hektar Leguminosen spart etwa 200 Liter Öl ein, denn die Herstellung von chemischem Stickstoffdünger nach dem Haber Bosch-Verfahren ist extrem energieaufwändig.

Ja, es gibt auch Nachteile, insbesondere in der Verdaulichkeit und der Aminosäurezusammensetzung des Futters. Aber da wäre sicher eine gezielte Züchtung in der Lage Verbesserungen zu bringen, so wie es auch beim Raps gelang.

Die deutliche Nachfrage der VerbraucherInnen nach gentechnikfreien Produkten hat schon einige Hersteller dazu veranlasst, nur genfreies Soja zu verwenden. Dieser Markt könnte mit einem Anbau in Deutschland selbst am sichersten gedeckt werden. Der Klimawandel speziell in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wird den Sojaanbau dort fördern. Die Uni Oldenburg und die Landwirtschaftskammer Niedersachsen führen dazu bereits Versuche durch. Limitierend sind dabei die zur Zeit geringen erzeugten Mengen, die der Handel nicht aufnehmen will. Auch die Tatsache, dass viele Zulassungen für passende Spritzmittel auslaufen und keine neuen entwickelt werden, weil der Markt zu klein ist, behindert den Anbau. Hier beißt sich sozusagen die Katze in den Schwanz, so dass der Kreislauf nur durch Förderung von Außen durchbrochen werden kann.

Soja in der Fütterung hat unbestreitbar Vorteile, die vor allem in der für die Ernährung günstigen Eiweißzusammensetzung liegen. Billig wurde der Import, weil es seit 1992 auf Grund des Blair House Abkommens keine Zölle auf die Einfuhr aus den USA gab. Nun befindet man sich in der Abhängigkeitsfalle.

Tab.: Importmenge auf die entsprechenden Flächen umgerechnet
EU Flächenimporte (in 1000 ha)

Sojabohnen/Sojaschrot
Rapssaat
Sonnenblumen/ -schrot
12.890
1.650
1.200
Palmöl
Rapsöl
Sojaöl
Sonnenblumenöl
Andere Öle
2.000
310
250
160
590
Bioethanol
Biodiesel
150
620

Quelle: DLG Mitteilungen 5/2011; Seite 83


Über 60 kg Fleisch im Jahr isst jeder von uns - im Durchschnitt. Das liegt weit über der empfohlenen Menge von 15 kg. Auf den Fleischhunger der Chinesen und Inder können wir wenig Einfluss nehmen, aber unser eigenes Verhalten können wir ändern.

Ein genaues Überdenken des. eigenen Fleisch-(Wurst- und Milch-)konsums könnte also viele Problem gleichzeitig lösen; gesundheitliche, ökologische und wirtschaftliche.

Bevor wir den zunehmenden Fleischhunger der Schwellenländer anprangern, muss Europa neue Wege gehen. Denn noch immer gilt (leider): Wir sind Vorbild, was den Lebensstil angeht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht nicht darum KEIN Fleisch zu essen. Aber darum, Maß zu halten. Und das ist wahrscheinlich beim Sonntagsbraten schon voll. Aber den könnten wir dann in besserer Qualität und ohne schlechtes Gewissen wirklich genießen.

Die EU produziert tierische Produkte weit über den eigenen Bedarf hinaus. Bei Schweinefleisch liegt der Selbstversorgungsgrad bei 110 %. Die deutsche Landwirtschaftspolitik sieht die Zukunft im Ausbau der Exporte von Fleisch und Milcherzeugnissen. Das kann nicht nachhaltig sein. Mit den riesigen Monokulturen in Südamerika und in wachsendem Maße in Osteuropa werden europäische Landwirte nie konkurrieren können. Für sie kann nur die Erzeugung qualitativ hochwertiger Produkte ein Weg sein. Wir können dazu beitragen, in dem wir z. B. zum Sonntagsbraten zurückkehren und statt sieben Mal die Woche billiges Fleisch aus Massentierhaltung, einmal in der Woche ein wirklich gutes Stück Fleisch essen, das aus artgerechter Haltung und mit heimischem Futter erzeugt wurde. Dies wird keinen Geldbeutel überstrapazieren und unserer Gesundheit, dem Klima, der Biodiversität und dem Bodenschutz gut tun. Entsprechende Produkte bieten z. B. die Bioanbauverbände und Neuland-Fleisch.

Es muss eine zentrale Forderung für die Neugestaltung der EU Agrarpolitik ab 2013 sein, dass durch eine höhere Anbauprämie für Leguminosen die Landwirte gefördert werden, die sich die Mühe machen, diese heimischen Eiweißpflanzen anzubauen; denn das ist mit einem höheren finanziellen Risiko verbunden ist, als auf Sojaimporte zurückzugreifen. Öffentliche Fördergelder dürfen nicht mehr in eine Produktionsweise gehen, die öffentliche Güter wie Boden, Wasser und Klima ruiniert, sondern müssen Landwirte für den Schutz dieser Güter belohnen.

Zurzeit wird gestritten, wie viel Hektar Leguminosen wie vielen Hektar Ökologischer Ausgleichsfläche entsprechen. Dies wird in der nationalen Ausgestaltung der EU Agrarpolitik entschieden. Aber wie soll man das bewerten? Man muss wegkommen von einer "Klein-klein" Betrachtung, denn es geht um das große Ganze: Die Überschreitung der ökologischen Grenzen der Erde! Und da ist der Stickstoffkreislauf einer der drei Hauptproblemfelder, neben Biodiversitätsverlust und Klimawandel.

Hinter den Flächenimporten stecken auch Wasser und Energieimporte. Die EU exportiert natürlich auch Fläche vor allem in Form von Weizen und Milchprodukten. Netto importiert die EU 290 m² je Einwohner. Ist das nun viel oder wenig? Angesichts von 1 Mrd. Hungernder kann von einer ethischen Perspektive aus nur gefordert werden, dass der Anbau von Nahrung für die menschliche Ernährung bei begrenzten Flächen lokal immer Vorrang vor Futtermittel- und Energiepflanzen haben muss.

Ein besonders effektiver Beitrag zu Klima- und Biodiversitätsschutz ist der Verzicht von Fleisch, das von Tieren aus Massenhaltungen stammt.

Mehr Infos gibt es in der kleinen Broschüre Futtermittel Blues 2.0. der Agrar Koordination. Sie kann von der Seite: www.agrarkoordination.de unter Publikationen heruntergeladen werden.

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Was bekommen Nutztiere in Deutschland zum Fressen?

Deutschland hat eine Ackerfläche von 357.125 km². Davon werden 52 % landwirtschaftlich genutzt, davon 60 % für die Fütterung! In der EU liegt der Anteil des Futters an der Getreideernte bei 57 %!

Tierfutter wird in Kraftfutter, Grün- und Rauhfutter (Heu, Silage) unterteilt.

Kraftfutter stammt in der Regel zum überwiegenden Teil vom eigenen Hof und wird in Futtermischbetrieben aufgearbeitet.

Mischfutter in Deutschland enthält:

47 % Getreide (Weizen, Roggen, Hafer, Triticale, Mais)
28 % Ölkuchen (Soja, Raps, Sonnenblumen)
6,3 % Mühlennachprodukte
3,0 % zuckerhaltige Produkte
2,0 % Futterfette (Raps, Soja, Palmkern, Oliven)
9,1 % sonstige (Getreideschlempe, Grünmehl, Treber, Malzkeime, Magermilchpulver, Biertreber)

Schweine, Kühe, Hühner fressen nicht das Gleiche. Speziell Wiederkäuer brauchen einen hohen Anteil an Rauhfutter (Gras, Heu, Silage), um mit den Rohfaseranteil den Säurehaushalt ihrer Mägen im Gleichgewicht halten zu können. Junge und alte Tiere bekommen verschiedene Mischungen.


(*) Ursula Gröhn-Wittern ist Agraringenieurin und arbeitet für die Agrar Koordination



Quellen:

Agrar Info 174 We've got the Futtermittel Blues 2.0; U. Gröhn-Wittern, 2011
BUND. Für Fleisch nicht die Bohne, Christiana Schuler; Nov. 2008.
Ohne Soja Importe geht es nicht, Top Agrar 19.11.2010 Deutscher Verband Tiernahrung www.dvtiernahrung.de
Reiches Land, arme Sau, Christoph Albrecht-Heider, FR 22./23. Januar 2011

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Quelle:
Kritische Ökologie, Nr. 80 Ausgabe 28 [1] - Sommer 2013, S. 6 - 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2013