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LATEINAMERIKA/015: Chile - Eines von vielen, Aus für Kohlekraftwerk Barrancones (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. September 2010

Chile: Eines von vielen - Aus für Kohlekraftwerk Barrancones

Von Daniela Estrada


Santiago de Chile, 2. September (IPS) - Im Norden Chiles haben Bürgerproteste den Bau eines Kohlekraftwerks in der Nähe eines Naturschutzgebiets verhindert. Die Kohlekraftgegner verbuchen die politische Entscheidung als einen Etappensieg auf dem langen Weg, die klimaschädigenden Anlagen aus dem südamerikanischen Land zu verbannen.

"Inzwischen spricht man von Barrancones, als gebe es keine anderen Kohlekraftwerke", so Lorenzo Núñez, der Vorsitzende des Komitees zum Schutz von Mutter Erde in der Region Tarapacá, rund 1.700 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago. Seit Jahren kämpft die Organisation gegen ähnliche Projekte, die in der Nähe der Chanavayita-Bucht entstehen sollen.

In Valparaíso in Zentralchile will das zweitgrößte chilenischen Energieunternehmens 'AES Gener', das mit US-amerikanischem Kapital arbeitet, ebenfalls eine Anlage errichten. Bürger setzten vor Gericht zunächst einen Stopp des Projekts durch. Zwar einigten sich das Unternehmen und die Stadt Puchuncaví kürzlich über eine Wiederaufnahme der Arbeiten. Die Anwohner wollen sich aber weiter dagegen wehren.


Dutzende Kohlekraftwerke geplant

In anderen Landesteilen befinden sich etwa ein Dutzend weiterer Kohlekraftwerke entweder im Bau oder kurz davor. Zu den umstrittenen Vorhaben gehört unter anderem ein Projekt in Punta Alcalde in der Wüstenregion Atacama, das von dem spanischen Energiekonzern Endesa finanziert wird.

Auch an dem gescheiterten Barrancones-Projekt, das 540 Megatt Strom liefern sollte, waren mit dem französisch-belgischen Konzern 'GDF Suez' ausländische Investoren beteiligt. Die Bürgerproteste und mangelnder politischer Rückhalt bewegten Staatschef Sebastián Piñera dazu, das Kraftwerk nun an anderer Stelle bauen zu lassen.


Ausländischer Investor ausgestiegen

Der ursprüngliche Standort sollte unweit des Küstenstädtchens Caleta de Punta de Chorros und dem Nationalpark für Humboldt-Pinguine liegen. Inzwischen wurde aber bekannt, dass sich GDF Suez vollständig aus dem Projekt zurückgezogen hat.

Chile Kraftwerke kommen zusammengenommen auf eine installierte Kapazität von 13.000 Megawatt. Mehr als 30 Prozent davon werden durch Wasserkraft generiert. Sollten alle geplanten Kohlekraftwerke genehmigt werden, würde sich nach offiziellen Schätzungen der Anteil dieses Energiezweiges in den kommenden Jahrzehnten von derzeit 17 auf 30 Prozent erhöhen.

Piñera kündigte an, Umwelt belastende Projekte in der Nähe von Naturparks zu verbieten und den Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz bis 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen. Dennoch treiben Unternehmen weitere Vorhaben nahe Schutzgebieten voran. So prüfen die Behörden zurzeit Pläne für das Kohlekraftwerk 'Cruz Grande' nahe Caleta de Punta de Chorros, obwohl das Barrancones-Projekt von dort verbannt worden ist.


Kohlekraftgegner wollen sich landesweit koordinieren

Die Bürgerverbände wollen sich angesichts dieser Perspektiven besser miteinander vernetzen. Wie Núñez erklärte, reichen einzelne Aktionen in Städten und Gemeinden nicht aus. Deshalb sei eine nationale Koordinationsstelle erforderlich, die nach sozialen, ökologischen, politischen und juristischen Kriterien arbeite.

Die Kohlekraftwerke seien für die Industrie interessant, da sie auf den ersten Blick kostengünstig seien, sagte Luis Cifuentes vom Umweltzentrum der Katholischen Universität in Santiago. Doch die erheblichen Schadstoffe zu Lasten von Flora und Fauna und ihr Beitrag zum Klimawandel müssten ebenso berücksichtigt werden.

Allerdings sieht Cifuentes auch das Problem, den wachsenden Energiebedarf decken zu müssen. Wenn die Kohlekraftwerke nicht in Gebieten gebaut würden, in denen sie wenig Schaden anrichten würden, müssten stattdessen riesige Wasserkraftwerke und Atomkraftwerke entstehen, sagte er. Diese Alternativen stießen zwar bei Bürgern und Umweltschützern auf Vorbehalte, aber erneuerbare Energien könnten allein nicht den gesamten benötigten Strom liefern.

Nach Ansicht des Direktors des Forschungszentrums für Nachhaltigkeit an der privaten Universität Andrés Bello, Marcelo Mena, wurden die Möglichkeiten erneuerbarer Energien bisher unterschätzt. Mena zweifelte daran, dass sich der Bau neuer Kohlekraftwerke in Chile tatsächlich verhindern lasse. Er fordert deshalb Richtlinien, die den Schadstoffausstoß begrenzen. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://codemat.blogspot.com/
http://www.ing.puc.cl/esp/infgeneral/deptos_centros/centro_medioambiente.html
http://ambiental.unab.cl/etiqueta/centro-de-investigacion-para-la- sustentabilidad-de-la-u-andres-bello/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96270

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IPS-Tagesdienst vom 2. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2010