Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


LATEINAMERIKA/120: Private Naturreservate wollen Staaten beim Artenschutz unterstützen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. November 2015

Lateinamerika: Private Naturreservate wollen Staaten beim Artenschutz unterstützen

von Fabíola Ortiz



Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Das private Naturschutzgebiet Punta Leona an der Pazifikküste Costa Ricas
Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

PUNTA LEONA, COSTA RICA (IPS) - Umweltexperten in Lateinamerika wollen die Staaten in der Region davon überzeugen, private Naturreservate als Verbündete im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels und das Artensterben in tropischen Regenwäldern zu betrachten.

"Bisher werden diese Gebiete von der Umweltpolitik nicht berücksichtigt. Sie sollten jedoch Teil der staatlichen Strategien werden", sagte Carlos Manuel Rodríguez von der Organisation 'Conservation International' (CI) auf dem elften Lateinamerikanischen Kongress der Netzwerke privater Naturreservate in dem costaricanischen Touristenort Punta Leona, der vom 9. bis 13. November stattfand.

Nach Ansicht von Rodríguez, der von 2002 bis 2006 Umweltminister von Costa Rica war, sollte der private Sektor beim Naturschutz eine zentralere Rolle spielen. Regierungen sollten mit Eigentümern privater Reservate zusammenarbeiten, um die 2010 auf der UN-Biodiversitätskonferenz im japanischen Nagoya verabschiedeten Ziele zu erreichen. Vertreter von 193 UN-Mitgliedsstaaten hatten 20 Ziele festgelegt, um bis zum Jahr 2020 den Verlust der Artenvielfalt zu begrenzen.

"Wir verlieren unser natürliches Kapital aufgrund des Klimawandels und der breiten Kluft zwischen privaten und staatlichen Artenschutzbemühungen", sagte Rodríguez.


Globale Finanzmittel für Artenschutz reichen nicht aus

In dem in Nagoya erzielten Übereinkommen werden die benötigten Finanzmittel mit jährlich 150 bis 440 Milliarden US-Dollar beziffert. Laut CI kommen derzeit global aber nur insgesamt 45 Milliarden Dollar jährlich zusammen. Nach Ansicht von Rodríguez könnten private Umweltprojekte dazu beitragen, die Finanzierungslücke zu verkleinern. Mit diesem Ziel wurde am 6. November die Lateinamerikanische Allianz der privaten Naturreservate gegründet. In der weltweit bislang beispiellosen Initiative sind 4.345 private Naturschutzgebiete in 15 Ländern mit einer Gesamtfläche von rund 5,6 Millionen Hektar zusammengeschlossen.

"Private Gebiete können sich mit Nationalparks zusammentun und die staatlichen Regelungen für den Umweltschutz erweitern", sagte der Guatemalteke Martin Keller, der Vorsitzende der neuen Allianz. Drastische Klimaveränderungen könnten auf diese Weise abgemildert werden. Keller sprach sich gegen eine Eingrenzung der privaten Reservate in der Region aus. Durch einen Zusammenschluss mit internationalen Vereinigungen solle zudem eine Beteiligung an deren Umweltprojekten erreicht werden.


Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Kongress über private Naturreservate im November 2015 in Punta Leona
Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Während des Treffens in Costa Rica wurde ein Pilotprogramm zur Förderung des Handels mit CO2-Zertifikaten angekündigt. Diese Zertifikate sollen aus einer Spende in Form von 200 Hektar Land generiert werden, das ein Mitglied der Allianz zur Verfügung gestellt hat. Durch das Programm sollen Zertifikate für schätzungsweise 3.600 Tonnen CO2 in den Handel kommen. Keller hofft, dass der blockweise Verkauf 2017 beginnen kann.

Rafael Gallo, Präsident des Costaricanischen Netzwerks für Naturreservate erklärte: "Wir wollen erreichen, dass der Handel mit Klimazertifikaten auf globaler Ebene ein Mechanismus für privaten Umweltschutz wird." Gallo stellte der Allianz im Rahmen einer Schenkung ein Grundstück von 200 Hektar Größe bereit. Er besitzt ein 800 Hektar großes Anwesen am Ufer des Pacuare-Flusses an der Karibikküste Costa Ricas. 700 Hektar davon sind ein Waldschutzgebiet, das sich in Siquirres, mehr als 80 Kilometer östlich der Hauptstadt San José in der Nähe des Barbilla-Nationalparks befindet. Dieser Naturpark ist Teil des Biosphären-Reservats 'La Amistad'.

"Die Geschäfte beginnen sich erst jetzt zu entwickeln. Eine Tonne CO2 ist drei Dollar wert", sagte Gallo, der den Mechanismus erst dann für praktikabel hält, wenn der Preis auf zehn Dollar gestiegen sein wird.


Bündnis soll ganz Amerika einschließen

In der Allianz haben sich Initiativen aus Argentinien, Belize, Brasilien, Chile, Costa Rica, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay und Peru zusammengeschlossen. Auch in Uruguay und Venezuela gibt es private Reservate, die sich aber noch nicht in lokalen Netzwerken organisiert haben. Dies ist eine notwendige Voraussetzung für den Beitritt zu der Allianz. Keller wünscht sich, dass sich die Initiative auf ganz Amerika ausdehnen wird - einschließlich der karibischen Inselstaaten, Kanada und den USA.

Die privaten Naturreservate wollen Vorteile aus den Programmen multilateraler Institutionen ziehen und sind deshalb bereits mit UN-Partnern im Umweltbereich wie der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Kontakt getreten. "Wir wollen einen regionalen Block bilden und uns auf internationaler Ebene Gehör verschaffen. Zudem wünschen wir uns finanzielle Anreize für Grundbesitzer, die den Umweltschutz unterstützen wollen", sagte Claudia García de Bonilla, Exekutivdirektorin der Vereinigung privater Naturreservate in Guatemala.


Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

In einem dieser Naturreservate in der Provinz Heredia wird ein Kohlenstoffkreditprogramm durchgeführt
Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Diese Naturschutzgebiete werden von Ökotourismusanbietern, Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen sowie von Bio-Landwirtschaftsbetrieben gegründet. Ihre Befürworter sehen sie als grüne Schutzschilde gegen extreme Klimaphänomene und den Verlust der Artenvielfalt.

"Wälder sind wie Schwämme, sie absorbieren Stürme und Hurrikane", erklärte Bonilla. "Wir müssen unsere ökologischen Korridore erweitern." Ariane Claussen, Expertin für erneuerbare Energien an der Universität von Chile, sieht die staatlichen Naturschutzgebiete in Lateinamerika allerdings als unterfinanziert an. Die einzelnen Staaten könnten daher kaum allein für den Artenschutz eintreten. Umso wichtiger sei es deshalb, dass sich private Reservate gemeinsam an übergreifenden Projekten beteiligten. "Private Reservate schließen Lücken, die der Staat offen gelassen hat", meinte Claussens Kollege Tomás González. "Sie sollten als Pufferzonen dienen und die öffentlich finanzierten Naturparks untereinander verbinden." (Ende/IPS/ck/25.11.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/11/private-nature-reserves-in-latin-america-seek-a-bigger-role/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. November 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang