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LATEINAMERIKA/127: Dominikanische Republik - Haina, einer der am schlimmsten verschmutzten Orte der Welt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Dezember 2015

Dominikanische Republik: Haina - Eine Stadt, berühmt für ihren Verschmutzungsgrad

von Ivet González


Bild: © Dionny Matos/IPS

Die Stadt Bajos de Haina vom Strand aus gesehen
Bild: © Dionny Matos/IPS

BAJOS DE HAINA, Dominikanische Republik (IPS) - Müll bedeckt die Strände und schwimmt in den Flüssen. Der Abfall, der doch seinen Weg zur Müllhalde findet, wird ohne Rücksicht auf Umwelt und Gesundheit verbrannt. Dazu kommen rund 100 Fabriken, die giftige Gase in die Luft entlassen. Die Stadt Bajos de Haina ist nicht nur in der Dominikanischen Republik bekannt, sondern weit darüber hinaus - für ihren Dreck und Gestank.

"Die einzige Nachricht, mit der Haina in den Medien auftaucht, ist als einer der am schlimmsten verschmutzten Orte der Welt", klagt Adriana Vallejo, Lehrerin am Pädagogischen Zentrum 'Manuel Felix Peña', das seinen Schwerpunkt auf die Vermittlung von Kunst gelegt hat. Tatsächlich taucht Haina, 80 Kilometer südlich der Hauptstadt Santo Domingo gelegen, immer wieder in der Liste der zehn am meisten verschmutzten Orte der Welt auf, die das Blacksmith-Institut aus New York regelmäßig herausgibt.

Das Institut, das sich mittlerweile umbenannt hat in 'Pure Earth', setzte Haina in seinem bisher letzten Bericht von 2013 auf Platz drei. Vor der kleinen Stadt mit 159.000 Einwohnern stehen lediglich Dzerzhinsk in Russland und das ukranische Tschernobyl, in dem dem vor fast 30 Jahren ein Atomkraftwerk havarierte und eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der Geschichte auslöste, auf der Liste.

"Die Politiker kümmern sich kein bisschen um das Umweltproblem in Haina", schimpft Vallejo. Die Bewohner der Stadt selbst könnten kaum etwas tun. Das liegt auch daran, dass laut der 'Armutskarte der Dominikanischen Republik 2014' rund 33 Prozent der Haushalte der Stadt unterhalb der Armutsgrenze leben.

Stattdessen engagierten sich private Unternehmen. "Aber lediglich mit kleinen Gesten", berichtet die Lehrerin - und: in der Regel sind es genau die Unternehmen, die die Probleme überhaupt erst verursachen. Die Ölraffinerie beispielsweise habe die Renovierung der Schule teilfinanziert. Dadurch verändere sich in dem Ort strukturell aber gar nichts.


Straßenproteste als letzter Ausweg

"Sobald es hier ganz schlimm wird, gehen wir immer auf die Straße und protestieren. Das haben wir zum Beispiel auch gemacht, als der Abfall auf der Müllhalde nicht aufhörte zu brennen und die Rauchschwaden die ganze Stadt einschlossen."

Dazu kommen die Chemikalien, mit denen die Fabriken die Luft verpesten. Fertigungsbetriebe, die Pharma-Industrie, Fabriken, in denen Metall verarbeitet wird, Kraftwerke und die Ölraffinerie blasen Formaldehyd, Blei, Ammonium und Schwefel in die Luft. 84 Gefahrenstoffe wurden in Haina identifiziert, davon 65, die als äußerst giftig gelten.

Dabei produzieren die Industrien nicht für Haina alleine. Hier wird die Hälfte des kompletten Stroms hergestellt, den die Wirtschaft und die 9,3 Millionen Bewohner der Dominikanischen Republik verbrauchen. Genau genommen ist die Stadt die Müllkippe der Nation. Doch treffen könnten die Probleme auch die Bewohner anderer Städte. Die Fabriken laden ihren Giftmüll ungeschützt in die Flüsse und das Meer ab.

Mehrere Studien haben bereits davor gewarnt, dass die lokale Bevölkerung an vielfältigen Beschwerden wie Asthma, Bronchitis, Influenza und Diarrhoe leidet, die im Zusammenhang mit der Umweltverschmutzung stehen könnten.


Naturerholungsräume mussten Müllkippe weichen

Auf der offenen Müllkippe standen vor 30 Jahren noch Bäume. "Als Kind habe ich hier oft gespielt", erzählt der Mathematiklehrer Juan Ventura am Rande der stinkenden Fläche. "Wir nannten das Gebiet 'El Naranjal'. Es ist traurig, dass wir den Ort nun verloren haben." Seit Jahrzehnten wird hier der Müll von Haina gelagert, ohne jemals Maßnahmen getroffen zu haben, Umwelt und Gesundheit zu schützen. Selbst aus Santo Domingo wurde hier jahrelang Müll hergebracht, erzählt Ventura. "Das einzige, was die Behörden gemacht haben, war, das Zeug von Zeit zu Zeit zu verbrennen. Wir in Haina mussten die Dämpfe dann einatmen."

Rund ein Dutzend Menschen klettern auf der ungeschützten Müllkippe herum und suchen nach Plastik- und Metallteilen, die sie an Recyclinghändler verkaufen können. Eine der Frauen erzählt, dass sie das Geld lockt, immer wieder hierherzukommen. Umgerechnet 22 bis 44 US-Dollar verdiene sie pro Tag mit dem Schrott, den sie hier sammelt. In einem Land, in dem der Mindestlohn im Monat bei 231 Dollar liegt, ist das eine beachtliche Summe.

"Vor der Umwelt hat hier kaum jemand Respekt", sagt Mackenzie Andújar, ein 41 Jahre alter Klempner, der im Viertel 'Playa Gringo' lebt. "Die Situation in Haina ist in den vergangenen Jahren nicht besser, sondern schlechter geworden."

In 'Playa Gringo' mündet der Ñagá-Fluss ins Meer. Er ist ein schmaler Strom, voller Schmutz und Dreck. Am Strand liegen Plastikflaschen, Pappe und alte Kleidung. Dazwischen spielen Kinder und bespritzen sich im Meer mit Wasser. Wirft man den Blick zurück Richtung Stadt, sieht man den Rauch der Fabriken aufsteigen.


Bild: © Dionny Matos/IPS

Der Ñagá-Fluss mündet in Haina ins Meer
Bild: © Dionny Matos/IPS

"Das Problem ist die fehlende Bildung. Wenn ein Hund oder ein anderes Tier stirbt, dann werfen die Besitzer den leblosen Körper einfach in den Fluss oder an den Strand, statt ihn zu beerdigen", sagt Andújar.

Die Umweltverschmutzung ist nur eines der Probleme der Kleinstadt, in der zu viele Menschen auf engem Raum leben, Infrastruktur fehlt und die Lebensqualität insgesamt eher niedrig ist. "Die Umweltprobleme sind das eine. Aber wir haben auch eine soziale Kontamination durch Kriminalität und junge Leute, die kein Interesse daran haben zu studieren", sagt der Musikstudent Juan Elías Andújar gegenüber IPS.

"In der Schule beschäftigen wir uns mit der Umweltverschmutzung, und wir haben eine Gruppe gegründet, die die 'Beschützer der Natur' genannt werden. Wir gehen an den Strand und sammeln Müll ein. Außerdem versuchen wir, bei unseren Mitmenschen ein größeres Bewusstsein für die Umweltprobleme zu erzeugen. Wenn jeder Mensch hier sich ein bisschen kümmern würde, könnte Haina ein anderer Ort sein." (Ende/IPS/jk/23.12.2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/12/haina-a-dominican-city-famous-only-for-its-pollution/
http://www.ipsnoticias.net/2015/12/haina-un-municipio-dominicano-hastiado-de-la-contaminacion/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2015

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