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MEER/348: Kaltwasserkorallen auf namibischem Schelf durch niedrigen Sauerstoffgehalt ausgestorben (idw)


MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen - 24.10.2019

Kaltwasserkorallen auf namibischem Schelf durch niedrigen Sauerstoffgehalt ausgestorben - Neue Studie in Geology


Erst seit 2016 weiß man von der Existenz fossiler Kaltwasserkorallen vor der Küste Namibias. Unklar war allerdings, wann und warum die Kaltwasserkorallen in dieser Region ausgestorben sind. Leonardo Tamborrino vom MARUM und seine Co-Autorinnen und -Autoren haben das lokale Aussterbeereignis mittels der Datierung fossiler Korallenfragmente auf circa 4.500 Jahren vor heute bestimmen können. Zudem konnten sie das Ereignis mit dem Verschieben des Benguela-Auftriebssystems und einer damit einhergehenden Intensivierung der Sauerstoffminimumzone in dieser Region in Verbindung bringen. Die Ergebnisse ihrer Studie hat das Team jetzt in der Zeitschrift Geology veröffentlicht.


Foto: © MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

Fossile Kaltwasserkorallen auf einem Korallenhügel vor der Küste Namibias, die erstmals bei der Expedition M122 mit dem Forschungsschiff Meteor entdeckt wurden.
Foto: © MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

Erst seit 2016 weiß man von der Existenz fossiler Kaltwasserkorallen vor der Küste Namibias. Unklar war allerdings, wann und warum die Kaltwasserkorallen in dieser Region ausgestorben sind. Leonardo Tamborrino vom MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und seine Co-Autorinnen und -Autoren haben das lokale Aussterbeereignis mittels der Datierung fossiler Korallenfragmente auf circa 4.500 Jahren vor heute bestimmen können. Zudem konnten sie das Ereignis mit dem Verschieben des Benguela-Auftriebssystems und einer damit einhergehenden Intensivierung der Sauerstoffminimumzone in dieser Region in Verbindung bringen. Die Ergebnisse ihrer Studie hat das Team jetzt in der Zeitschrift Geology veröffentlicht.

Kaltwasserkorallen spielen als so genannte Ökosystem-Ingenieure eine wichtige Rolle für die Artenvielfalt in der Tiefsee. Maßgeblich an der Riffbildung ist die Korallenart Lophelia pertusa beteiligt. Ihr verzweigtes, hartes Kalkskelett bietet Schutz-, Brut- und Lebensräume für zahlreiche andere Tierarten. Über Tausende von Jahren bilden diese Korallen hügelartige Riffstrukturen am Meeresboden, die über Hundert Meter hoch und mehrere Tausend Meter lang werden können.

2016 wurden bei einer Expedition mit dem Forschungsschiff METEOR vor Namibia über 2.000 Kaltwasserkorallenhügel in Wassertiefen zwischen 160 und 270 Metern entdeckt. Die Hügel erstrecken sich über achtzig Kilometer entlang des Schelfs und stellen somit die größte bislang entdeckte Korallenhügel-Provinz im Südost-Atlantik dar. Allerdings zeigten Unterwasseraufnahmen: Die Kaltwasserkorallen sind bereits seit langer Zeit tot. Um genauer zu untersuchen, wann die Korallen hier ausgestorben sind und welche Umweltfaktoren ihr Aussterben verursachten, hat ein Forscherteam während der METEOR-Expedition M122 Sedimentproben von diversen Korallenhügeln gewonnen, aus denen wiederum fossile Skelett-Bruchstücke der Korallenart Lophelia pertusa entnommen wurden. Die Datierung der Proben hat gezeigt, dass die Kaltwasserkorallen zwischen 9.500 und 4.500 Jahren vor heute, also vom frühen bis mittleren Holozän, vor Namibia lebten und in diesem Zeitraum bis zu zwanzig Meter hohe Hügel aufbauten.

Da Kaltwasserkorallen mit ihrem Skelett am Meeresboden festwachsen, sind sie auf Strömungen angewiesen, die Nahrungspartikel zu ihnen herantransportieren. Zudem reagieren sie sehr sensibel auf sich verändernde Umweltfaktoren. Dazu gehören neben der Futterzufuhr etwa Temperatur und pH-Wert des Wassers, aber auch der Sauerstoffgehalt. Verändern sich einer oder mehrere Faktoren, geraten die Korallen unter Stress, was schließlich zu ihrem lokalen Aussterben führen kann. Die Tatsache, dass sich vor Namibia in den vergangenen 4.500 Jahren keine neuen Korallen auf dem Schutt der alten angesiedelt haben, weist auf ein ökologisches Umfeld hin, dass das Korallenwachstum seitdem verhindert hat. Das Autorenteam ist überzeugt davon, dass der niedrige Sauerstoffgehalt von unter einem halben Milliliter Sauerstoff pro Liter Wasser das Korallenwachstum vor der namibischen Küste bis heute verhindert. "Diese Werte sind sehr viel niedriger als alle bislang bekannten Sauerstoffgehalte, die im Bereich von lebenden Lophelia-Riffen im Atlantik gemessen worden sind", sagt Leonardo Tamborrino.

Der Schelf vor der Küste Namibias wird heute durch das Benguela-Auftriebssystem kontrolliert, das kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe nach oben strömen lässt. Dies macht die Küste Namibias zu einem der produktivsten Gebiete der Weltmeere, was sich auf den ersten Blick positiv auf das Korallen-Wachstum auswirken sollte. Allerdings wird bei der anschließenden Zersetzung des organischen Materials gleichzeitig auch viel Sauerstoff verbraucht. Das führt dazu, dass die küstennahen Gewässer wenig Sauerstoff enthalten. Im mittleren Holozän hat sich das Benguela-Auftriebssystem verstärkt, gleichzeitig verlagerte sich ein damit assoziiertes Frontensystem, die Angola-Benguela-Front, in Richtung Äquator. Beide Prozesse, so folgern Leonardo Tamborrino und seine Kolleginnen und Kollegen, haben zu einer Intensivierung der Sauerstoffminimumzone vor Namibia geführt und das Aussterben der dortigen Korallen ausgelöst.

Originalpublikation:
Leonardo Tamborrino, Claudia Wienberg, Jürgen Titschack, Paul Wintersteller, Furu Mienis, Andrea Schröder-Ritzrau, André Freiwald, Covadonga Orejas, Wolf-Christian Dullo, Julia Haberkern und Dierk Hebbeln: Mid-Holocene extinction of cold-water corals on the Namibian shelf steered by the Benguela oxygen minimum zone. Geology 2019.
DOI:10.1130/G46672.1

https://www.marum.de/Entdecken/Logbuch-METEOR-122.html
Logbuch zur METEOR Expedition M122
http://www.marum.de/Entdecken/Korallenriff.html
Hintergrund zu Korallenhügeln

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news725879
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution314

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen - 24.10.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2019

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