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PROJEKT/012: Plantagen versus Wald - Universität Hohenheim forscht für nachhaltigen Kautschukanbau (idw)


Universität Hohenheim - 10.01.2012

Plantagen versus Wald: Universität Hohenheim forscht für nachhaltigen Kautschukanbau

Universität Hohenheim koordiniert das deutsch-chinesische Verbundprojekt SURUMER / Fördersumme 4,6 Millionen Euro


Naturkautschuk für die Welt: Rund 90 Prozent der weltweiten Naturkautschuk-Produktion kommt aus den tropischen Ländern Asiens. Die großflächigen Plantagen haben jedoch vielfältige unerwünschte Auswirkungen auf die Ökosysteme. Deshalb startet die Universität Hohenheim jetzt das Verbundprojekt SURUMER (Sustainable Rubber Cultivation in the Mekong Region) für die Entwicklung eines nachhaltigen Anbausystems. Ein innovativer Ansatz soll Maßnahmen entwickeln, die ökonomische Ziele und den Erhalt ökologischer Funktionen verbinden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Vorhaben mit insgesamt rund 4,6 Mio. Euro. An die Universität Hohenheim gehen davon 2,8 Mio. Euro.

Ob Autoreifen, Gummistiefel oder die Dichtungsringe im Wasserhahn - Naturkautschuk ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Allein Deutschland importierte 2010 über 67.000 Tonnen. Die Weltproduktion liegt bei rund 10 Millionen Tonnen, mit einem erwarteten Anstieg auf 12,5 Millionen Tonnen im Jahr 2013. Rund die Hälfte davon stammt aus der Mekong-Region mit den Ländern China (Provinz Yunnan), Laos, Vietnam, Thailand und Myanmar. Großflächige Kautschuk-Monokulturen bedrohen nicht nur die Artenvielfalt, sondern beeinflussen direkt auch die Lebensqualität der Menschen. "Ökosysteme erfüllen Leistungen, die wir als selbstverständlich ansehen und uns frei zur Verfügung stehen. Dazu zählt zum Beispiel sauberes Wasser, aber auch Pflanzen, die Kohlenstoff binden und Erosion und Überflutungen verhindern, sowie Insekten, die unsere Kulturpflanzen bestäuben. Es handelt sich dabei um die so genannten Ökosystemdienstleistungen", erklärt Projektkoordinator Prof. Dr. Joachim Sauerborn. Besonderer Druck lastet auf den chinesischen Anbaugebieten. Der Grund: die boomende Industrie im Reich der Mitte. Rund 40 Prozent des in China produzierten Naturkautschuks stammt aus dem Süden der Provinz Yunnan. Sie ist mit ihrem tropischen Klima eine der wenigen Gegenden Chinas, die für den Anbau des Kautschukbaums geeignet ist. Als Folge dieser Entwicklung ist die Waldfläche in dieser Region auf weniger als die Hälfte geschrumpft. Ein ähnlicher Trend zeichnet sich für die gesamte Mekong-Region ab.


Teurer Raubbau an der Natur

Da es weltweit weder Märkte noch Preise für Ökosystemdienstleistungen gibt, spielen sie bei der Landnutzungsplanung kaum eine Rolle. Dabei überwiegen ganz klar ökonomische Gesichtspunkte. Doch der drohende Wegfall dieser ökologischen Infrastruktur wäre nicht nur teuer, er würde auch das Wohlergehen der Menschheit beeinträchtigen. Betroffen wären nicht nur die Gebiete mit Kautschukanbau, sondern auch angrenzende Regionen einschließlich Städte und Ballungszentren. Dies gilt nicht nur für die Provinz Yunnan, sondern für die gesamte Mekong-Region mit ihren rund 326 Millionen Einwohnern. Der Agrarökologe Prof. Dr. Sauerborn fasst deshalb zusammen: "Das Ziel unserer Forschungsarbeit ist ein Konzept zum nachhaltigen Kautschukanbau. Dieses wird im südlichen Yunnan entwickelt, muss insgesamt aber auf die anderen Kautschuk-Anbaugebiete der Mekong-Region übertragbar sein."


Nachhaltige Alternativen sind möglich

Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass ökologisch und ökonomisch tragfähige Alternativen zu den Kautschuk-Monokulturen geschaffen werden können. Möglich ist ein Mischanbau durch Kombination verschiedener Nutzpflanzen. Derzeit wird das Unterholz junger Kautschukplantagen mit Herbiziden beseitigt. Dadurch ist die Bodenoberfläche weitgehend ungeschützt: Regen kann die Erde wegschwemmen und andernorts zu Überflutungen führen. "Tatsächlich lassen die Bäume einer jungen Kautschukplantage genug Licht, um darunter Gemüsekulturen und andere Kulturpflanzen anzubauen. Diese stabilisieren gleichzeitig den Boden- und den Wasserhaushalt", sagt Prof. Dr. Sauerborn. Nach etwa sieben Jahren beschatten die Baumkronen den Boden so stark, dass es für lichtbedürftiger Kulturpflanzen zu dunkel wird. In diesem Stadium bleiben die Bäume allerdings noch bis zum Alter von 40 Jahren produktiv. "Ältere Plantagen bieten jedoch auch weiterhin Raum für schattentolerante Pflanzenarten, wie sie in den natürlichen Wäldern vorkommen. Die Herausforderung besteht darin, Arten zu finden, die sich sowohl für eine Kultivierung eignen, als auch den Bauern ein Einkommen liefern", sagt Prof. Dr. Sauerborn. Infrage kommen hierfür vor allem Gewürz- und Heilpflanzen sowie Früchte, die von der Bevölkerung schon seit langem in den Wäldern wild gesammelt werden. Durch den Rückgang der Wälder werden sie deshalb immer seltener.


Innovative Systemlösungen in einem integrativen Ansatz

In ihrem neuen Verbundprojekt verfolgen die Wissenschaftler einen breit angelegten Forschungsansatz mit neun fächerübergreifenden deutsch-chinesischen Teilprojekten. Zunächst untersuchen sie die Funktionen des Ökosystems in den Kautschuk-Anbaugebieten und die Ökosystemdienstleistungen. Parallel dazu vergleichen sie diese Merkmale und Prozesse mit denen der noch bestehenden Waldgebiete im natürlichen Ausgangszustand. In enger Zusammenarbeit mit ihren chinesischen Kollegen untersuchen sie ganz unterschiedliche Faktoren: die Kohlenstoffdynamik, Wasserbilanzen, Artenvielfalt bestäubender Insekten, Nutzpflanzenvielfalt, Konflikte zwischen Landnutzung und Schutzgebieten sowie verschiedene ökonomische und sozio-ökonomische Bedingungen.

In einem zweiten Schritt entwickeln die Forscher praxistaugliche Alternativen. Getestet werden sie auf Versuchsflächen an mehreren Standorten. "Insgesamt muss unser Konzept drei Bedingungen erfüllen", betont Prof. Dr. Sauerborn. "Es muss von den Farmern akzeptiert werden, ökonomisch tragfähig sein, und wesentliche Ökosystemleistungen auch weiterhin erbringen."

An dem auf fünf Jahre angelegten Projekt SURUMER sind insgesamt 19 deutsche WissenschaftlerInnen mit ihren chinesischen PartnerInnen beteiligt. Neben der Universität Hohenheim zählen die Universität Stuttgart, die Humboldt-Universität Berlin, die Leibniz Universität Hannover und die EFTAS Fernerkundung Technologietransfer GmbH sowie die jeweiligen chinesischen Partnerinstitutionen zu dem Verbundvorhaben.


Hintergrund: SURUMER im Rahmen der Fördermaßnahme "Nachhaltiges Landmanagement"

Das Verbundprojekt SURUMER ist eingebunden in den Programmschwerpunkt "Wechselwirkungen zwischen Landmanagement, Klimawandel und Ökosystemdienstleistungen" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). SURUMER ist dabei eines von rund einem Dutzend weiterer Verbundprojekte in den verschiedensten Regionen der Erde. In enger Zusammenarbeit mit den Partnerländern werden in Wissenschaft und Praxis gemeinsam Handlungsstrategien, Technologien und Systemlösungen für ein nachhaltiges Landmanagement erarbeitet. Diese Verbundprojekte werden durch das wissenschaftliche Begleitprojekt GLUES (Global Assessment of Land Use Dynamics, Greenhouse Gas Emissions and Ecosystem Services) am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig übergreifend koordiniert.


Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Fast 31 Mio. Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr. In loser Folge präsentiert die Reihe "Schwergewichte der Forschung" herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Text: Weik / Klebs


Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter: http://idw-online.de/de/news458369

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/de/institution234


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Hohenheim, Florian Klebs, 10.01.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2012