Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

PROJEKT/015: Japan - "Reis der Wiedergeburt", Freiwillige erwecken Landwirtschaft zu neuem Leben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Mai 2012

Japan: 'Reis der Wiedergeburt' - Freiwillige erwecken Landwirtschaft zu neuem Leben

von Suvendrini Kakuchi

Japans 'Reis der Wiedergeburt' wächst auf den von Erdbeben und Tsunami verwüsteten Böden - Bild: © Irwin Loy/IPS

Japans 'Reis der Wiedergeburt' wächst auf den von Erdbeben und Tsunami verwüsteten Böden
Bild: © Irwin Loy/IPS

Tokio, 29. Mai (IPS) - In der nordostjapanischen Stadt Minami Sanriku, die durch das heftige Erdbeben und den Tsunami im letzten Jahr zerstört worden ist, bringt der Reisanbau seit diesem Frühjahr erstaunliche Ergebnisse. Die Felder liefern so üppige Ernten, dass von einem 'Reis der Wiedergeburt' gesprochen wird.

Das Agrarprojekt geht auf den kollektiven Einsatz von Bauern und Anrainern zurück, die eine Gesellschaft für nachhaltige Landwirtschaft gegründet haben. Nach Einschätzung von Umweltschützern sind die wieder urbar gemachten Reisfelder in einigen der am schlimmsten von der Naturkatastrophe getroffenen Gebieten ein Beispiel für erfolgreiche nachhaltige Maßnahmen gegen die verheerende Zerstörung der Küstenareale im Nordosten des Landes.

"Die große Leistung, ein vom Tsunami weggespültes Reisfeld zu sanieren, wurde durch die Instandsetzung des Ökosystems in der Umgebung möglich. Neue Technologien, die von anspruchsvollen Maschinen abhängen, und große Fonds sind nicht immer die besten Lösungen", erklärt der Sprecher des unabhängigen 'Rice Paddies Network', Shigeki Iwabuchi.

Eines der für die neue Entwicklung charakteristischen Felder gehört der Ouya-Mittelschule in Minami Sanriku. Zehn Jahre lang hatten Schüler dort Reis auf einem Areal von etwa 10.000 Quadratmetern geerntet, um den traditionellen Anbau in der kalten Region von Tohoku zu erproben. Sie bewässern das Feld im Winter, um es auf die Aussaat im Frühjahr vorzubereiten. Diese Methode wird heute in Japan nur noch selten angewendet.


"Das scheinbar Unmögliche schaffen"

Die 15 Meter hohe Flutwelle im März 2011 hatte den Boden mit Salz durchsetzt und Berge von Schutt hinterlassen. Alles schien verloren. "Im vergangenen Winter wollten die Schüler aber wieder mit dem Reisanbau beginnen. Wir beschlossen, ein Konsortium aus Freiwilligen und Experten zu bilden, um scheinbar Unmögliches zu schaffen", sagt der Schuldirektor Yoshinori Uesugi.

Das Ergebnis ist verblüffend. In diesem Jahr wurde mit einer Tonne Reis die bisher höchste Ernte auf dem kleinen Feld eingebracht. Iwabuchi, der auf den Erhalt von Feuchtgebieten spezialisiert ist, führte ein Team aus Agrarexperten, einheimischen Bauern und Freiwilligen an, die sogar aus der entfernten Hauptstadt Tokio anreisten.

"Die Versalzung weiter Teile Ackerlands und der Küstenwälder war eines der größten Probleme, die der Tsunami verursacht hat. Wir haben durch einfache Entsalzungsmaßnahmen kleine Reisfelder wieder urbar gemacht. Dabei griffen wir auf traditionelles Wissen zurück, das in Vergessenheit geraten ist", erklärt Iwabuchi.

Im Rahmen des so genannten 'Tohoku Green Renaissance Project' hatten Iwabuchi und seine Helfer, zu denen auch Geschäftsleute und Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen gehören, zunächst in den betroffenen Ökosystemen aufgeräumt. Dann leitete die Regierung größere Mengen an Süßwasser in das Gebiet, um die Salzkonzentration auf den Feldern zu verringern. Indem die Projektteilnehmer nahegelegene Quellen, Flüsse und Feuchtgebiete reinigten, stellten sie den natürlichen Süßwassernachschub sicher. Dadurch machten sie sich von dem Wasser, das bislang aus den maroden Leitungssystemen bezogen wurde, unabhängig.


Räumungsarbeiten mit bloßen Händen

Während die Regierung bei der Instandsetzung der Katastrophengebiete Bulldozer und anderes schwere Gerät einsetzte, räumte Iwabuchis Team den Schutt mit bloßen Händen weg. Sogar Autowracks konnten sie aus dem Weg schaffen. "Wir haben auf schweres Gerät verzichtet, um die Böden zu schonen", erläutert der Experte.

Bereits im Januar hatten die Helfer im Erdreich Insekten und Süßwasserorganismen entdeckt - Zeichen für eine Regeneration der Böden. Noch wichtiger war die Entdeckung, dass der Tsunami auf einem Feld in Kesennuma reichhaltigen Schlamm hinterlassen hat.

Der Einsatz der Freiwilligen hat der Region auch wirtschaftliche Vorteile gebracht. Ein Teil der Einkünfte aus den Reisverkäufen geht an Bauern, die der Tsunami um ihr Land gebracht hat. Das Team um Iwabuchi wirbt angesichts des erfolgreichen Projekts dafür, dass nachhaltige Landwirtschaft und umweltverträgliches Vorgehen nun auch beim Wiederaufbau in ganz Tohoku praktiziert wird. (Ende/IPS/ck/2012)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107900

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. Mai 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2012