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PROJEKT/032: Chile - Indigene Frauen bringen Solarenergie in Atacama-Wüstendörfer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. März 2013

Chile: Indigene Frauen bringen Solarenergie in Atacama-Wüstendörfer

von Marianela Jarroud


Bild: © National Women's Service

Fünf chilenische Frauen vor ihrem Aufbruch nach Indien
Bild: © National Women's Service

Santiago de Chile, 14. März (IPS) - Endlich sollen auch sie Strom bekommen: In drei indigenen Gemeinden im chilenischen Hochland sind Baukästen für kleine Solaranlagen angekommen, die fünf Frauen aus ihren Reihen aufbauen sollen. Die Indígenas sind für das Wissen weit gereist: Während eines sechsmonatigen Lehrgangs lernten sie in Indien, Photovoltaikanlagen zu installieren und zu warten.

Luisa und Liliana Terán sind Cousinen aus Caspana, einer indigenen Gemeinschaft in der Atacama-Wüste. Elena Achú und Elvira Urrelo kommen aus dem Quechua-Dorf Ollagüe, und Nicolasa Yufla ist eine Aymara aus Toconce.

Die drei Dörfer, die nun mit Solarenergie versorgt werden, liegen in der Atacama-Wüste im Norden Chiles an der Grenze zu Bolivien rund 3.000 Meter über dem Meeresspiegel. Bisher gab es hier kaum Elektrizität, und auch Wasser ist rar. "Wir haben einen Generator, mit dem wir spät abends für zweieinhalb Stunden Strom generieren", berichtet die Kunsthandwerkerin Terán.

Doch dann las Terán eine Anzeige und fühlte sich direkt angesprochen. "Das Barefoot College in Indien suchte Frauen zwischen 35 und 40 Jahren, um zu lernen, wie man kleine Solaranlagen installiert. Mir hat die Vorstellung sofort gefallen, doch dann fand ich heraus, dass das Training sechs Monate dauern sollte. Sechs Monate ohne meine Familie in Indien? Das ist eine ganz schön lange Zeit."

Ihre Schwester unterstützte sie aber in ihrem Vorhaben und erklärte sich bereit, sich um die beiden Töchter und die gemeinsame Mutter zu kümmern. Und schließlich fuhr Terán im vergangenen Jahr zusammen mit vier weiteren Frauen in das kleine indische Dorf Tilonia im Nordwesten des Bundesstaates Rajasthan. Außer ihrer Schwester erzählte sie allerdings niemandem etwas von ihrem Vorhaben.


Besserer Zugang zu Wasser, Strom, Gesundheit und Bildung

Das Barefoot College wurde 1972 eingerichtet, um die Lebensbedingungen in armen ländlichen Gemeinschaften zu verbessern. Den Menschen sollte der Zugang zu Wasser, Elektrizität, Gesundheitsversorgung und Bildung sowie zu besseren Einkommenschancen erleichtert werden. Mittlerweile bildet das Barefoot College vor allem Frauen aus ländlichen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zu Solar-Ingenieurinnen aus.

Die fünf Chileninnen lernten, wie man Solarpanelen herstellt, installiert und wartet. Doch sie brauchten erst einmal eine Weile, bis sie sich an die Lebensbedingungen vor Ort gewöhnt hatten. "Es war gar nicht so einfach für mich, mich an das Essen und vor allem die unglaubliche Hitze zu gewöhnen."

Die drei Solar-Baukästen kamen Anfang März in Teráns Heimat an. Zu jedem gehören eine Zwölf-Volt-Panele, ein Zwölf-Volt-Aufladegerät, eine 4-Ampere-LED-Lampe und ein Laderegler. Ist die Solaranlage installiert, soll sie 320 Watt Strom pro Stunde erzeugen. Als sie die Baukästen sah, bekam Terán Angst, alles vergessen zu haben, was sie gelernt hat. Sechs Monate sind seit dem Training vergangen.

Bisher haben 700 Frauen aus 49 Ländern Asien, Afrikas und Südamerikas an den Trainingskursen des Barefoot College teilgenommen. Wenn sie die Solarpanelen in ihrer Heimat installiert haben, sollen sie für mindestens fünf weitere Jahre für deren Erhalt verantwortlich sein. Sie sollen außerdem eine Werkstatt einrichten, um die notwendigen Ersatzteile aufbewahren zu können.

Dank dieser und weiterer Projekte des Colleges haben mittlerweile 450.000 Menschen in ländlichen Gebieten in allen Teilen der Welt elektrisches Licht. Da dadurch außerdem weniger fossile Brennstoffe sowie Feuerholz verbrannt werden, können pro Tag 13 Tonnen Kohlendioxidemissionen eingespart werden. In Lateinamerika sollen auf diese Weise mit der Zeit insgesamt 1.000 Haushalte Zugang zu elektrischem Licht erhalten.


Norden Chiles hat großes Potenzial für Solarenergie

Es sei sehr wichtig, dass die ländlichen Gemeinschaften in Chile erfahren, welch großes Potenzial in den erneuerbaren Energien stecke, meint Carlos Arenas, ein Mitarbeiter des Energieministeriums, gegenüber IPS. Der Norden Chiles wird von Sonne verwöhnt: Die Atacama-Wüste hat der Universität von Chile zufolge eine der weltweit höchsten Sonneneinstrahlungsraten. Der Wert liegt bei sieben bis 7,5 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Experten zufolge könnte eine mit Sonnenkollektoren bedeckte Fläche in der Atacama-Wüste von 400 Quadratkilometern ganz Chile mit Energie versorgen.

Die größte Nachfrage nach Energie kommt im Norden Chiles nicht von den Haushalten, sondern von der Bergbauindustrie: Sie verschlingt 90 Prozent der produzierten Energie.

Nachdem die fünf chilenischen Frauen die erste Hürde überwunden hatten und in Indien gelandet waren, fanden sie heraus, dass das Training auf Englisch stattfinden sollte. Da sie alle kein Englisch sprachen, konnten sie den Kursinhalten zunächst kaum folgen. Doch dann lernten sie, mit Zeichen, Gesten und Zeichnungen zu kommunizieren.

In ihrer Gruppe waren auch fünf indigene peruanische Frauen. "Sie weinten viel", sagt Terán, weil sie mit den ungewohnten Bedingungen nicht zurechtkamen: "Es gab Ungeziefer, Eidechsen und andere Tiere. Wir mussten auf Matten auf dem harten Boden schlafen. Und die Armut war unerträglich. Doch auch diese Frauen führten Solarenergie in ihrem Dorf Japopunco 4.800 Meter über dem Meeresspiegel ein." (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.barefootcollege.org/
http://www.ipsnews.net/2013/03/native-women-bring-solar-energy-to-chiles-atacama-desert/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102503

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2013