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PROJEKT/042: Indien - Kochen mit Brennholz, Gratis-Schulspeisung hat hohen ökologischen Preis (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2013

Indien: Kochen mit Brennholz - Gratis-Schulspeisung hat hohen ökologischen Preis

von Keya Acharya


Bild: © Keya Acharya/IPS

Köche in Bangalore bereiten Mittagessen für Schüler vor
Bild: © Keya Acharya/IPS

Bangalore, Indien, 1. Oktober (IPS) - Trotz der von Indiens Regierung intensiv beworbenen nationalen Strategie für erneuerbare Energien, mit deren Hilfe der CO2-Ausstoß reduziert werden soll, arbeitet das weltgrößte Schulspeisungsprogramm 'Mid Day Meal' (MDM) bisher ohne einen eigenen Energiesparplan.

Schätzungsweise 120 Millionen Kinder in rund 1,2 Millionen Schulen auf dem Subkontinent erhalten täglich ein kostenloses warmes Mittagessen. Für das Leuchtturm-Projekt, mit dem sich die von der Kongresspartei angeführte Regierungskoalition bei den Wahlen im nächsten Mai Wählerstimmen zu sichern hofft, sind im Regierungsbudget mehr als zwei Milliarden US-Dollar vorgesehen. Jede Bundesstaat trägt darüber hinaus eigene Mittel zur Finanzierung bei.

Von der Zentralregierung erhält jeder Unionsstaat Reis und Getreide. Für jedes Grundschulkind werden pro Mahlzeit 100 Gramm und für ältere Kinder und Jugendliche 150 Gramm ungekochter Reis veranschlagt. Im Süden stehen für gewöhnlich auch Linsen ('dhal'), Gemüse und Joghurt auf dem Speiseplan, während in Schulen im Norden meist Weizenbrotfladen ('chapati') verzehrt werden.

Die Nahrungsmittel, insgesamt mehr als 24.000 Tonnen, werden vorwiegend auf mit Holz befeuerten Kochstellen gegart. In gewissem Umfang wird auch Flüssiggas verwendet, das seit 2012 nicht mehr bezuschusst wird. Diese Energieträger schlagen mit weiteren 117 Millionen Dollar zu Buche.

In 577.000 Schulküchen sind rund 2,4 Millionen Köche beschäftigt, die meisten von ihnen Frauen in ländlichen Regionen. Die Regierung hat bereits eingeräumt, dass sie in "verräucherten Räumen" arbeiten müssen.


Klimafolgen bisher kaum untersucht

Trotz des enormen Umfangs des Schulspeisungsprogramms sind bisher so gut wie keine Untersuchungen über die Menge des täglich verwendeten Brennholzes und den damit verbundenen Waldschwund durchgeführt worden. Auch die Auswirkungen auf den Zustand der Böden, die Gesundheit von Frauen und Kindern sowie auf die Klimaveränderungen sind noch kaum erforscht.

Das Ministerium für die Entwicklung menschlicher Ressourcen, das für MDM verantwortlich ist, hat das Thema bisher nicht öffentlich angeschnitten. Dafür kündigte das Ministerium für erneuerbare Energien (MNRE) Maßnahmen zur Förderung rauchfreier Kochherde auf der Grundlage von Biomasse an.

2009 hatte eine offizielle Initiative für neue Technologien für Kochherde zwar einige Verbesserungen gebracht. Diese Herden wurden aber nicht in das MDM-Programm aufgenommen. "Wenn niemand den Schulen sagt, dass sie mit Biomasse kochen sollen, wird kein Bewusstsein dafür entstehen", sagte Rajendra Prasad vom Zentrum für ländliche Entwicklungstechnologien am Indischen Technologie-Institut in Neu-Delhi.

Tejaswini Ananthkumar vom Adamya-Chethana-Trust Bangalore kritisierte, dass es anders als im fossilen Energiesektor keine Lobby für die neuen Technologien gebe. Alle Aufmerksamkeit richte sich nur auf Subventionen für konventionelle Energieträger. Adamya Chetana bereitet mit Unterstützung der Regierung etwa 200.000 Mittagessen für 300 Schulen im Bundesstaat Karnataka. Davon werden mehr als 75.000 Kinder allein in der Stadt Bangalore verköstigt.


Energiekosten durch Biomasse gedrosselt

Im vergangenen Jahr wechselte der Trust vom Energieträger Diesel zu Biomassebriketts. Die Energiekosten sind seitdem von 60 Paise (umgerechnet etwa ein US-Cent) auf acht bis neun Paise pro Mahlzeit drastisch gesunken.

Eine andere bekannte Organisation, die 'Akshaya-Patra'-Stiftung der 'International Society for Krishna Consciousness', nutzt die Biomassevergasung in zwölf ihrer 19 Küchen, die in neun Bundesstaaten in Betrieb sind. Beide Organisationen arbeiten nun an Methoden zur Einsparung und Wiederaufbereitung von Wasser sowie zur Klärung von Abwässern und Weiterverwendung von Küchenabfällen. Innerhalb des MDM-Programms bilden sie aber Ausnahmen.

Die Schulspeisungsprogramme in Städten stellen weniger als ein Viertel aller Mittagessen in Indien bereit. Energiesparmethoden in anderen Küchen könnten dazu beitragen, die hohen Diesel- und Gasimporte Indiens erheblich zu senken. Die Kosten für diese Einfuhren kletterten aufgrund der weltweit gestiegenen Erdölpreise zwischen 2011 und 2012 auf die Rekordsumme von 140 Milliarden Dollar.

B.S. Negi, der im Ministerium für erneuerbare Energien für das staatliche Herdprogramm zuständig ist, mahnt zur Geduld. "Wir brauchen zunächst eine Genehmigung von kompetenter Stelle", sagte er. Die Regierung sei dabei, Standards für Vergasungsherde festzulegen. Andere Experten bemängeln jedoch, dass die Änderungen nicht schnell genug vorankommen.


Politische Unterstützung fehlt

"Die Vergasungstechnologie ist bereits seit mehr als einem Jahrzehnt verfügbar", sagte H.S. Mukunda vom Indischen Wissenschaftsinstitut, der gemeinsam mit MNRE an Vergasungstechniken arbeitet. Es fehle jedoch an Unterstützung durch Politik und Verwaltung.

Der Nachschub an Bioenergie, die vor allem in Form von Briketts aus Agrarrückständen geliefert wird, ist jedoch ins Stocken geraten. Produzenten klagen darüber, dass sie von der Regierung zu wenig Hilfe bei Sammlung, Lagerung, Transport und Vermarktung erhalten. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://mdm.nic.in/
http://crdt.iitd.ac.in/
http://www.adamyachetana.org/
http://iskcon.org/
http://www.ipsnews.net/2013/09/free-lunches-come-at-an-environmental-cost/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2013