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PROJEKT/065: Nepal - Rauchfreie Herde verbessern Gesundheits-, Umwelt- und Klimabilanz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. April 2015

Nepal: Kleine Investition mit großer Wirkung - Rauchfreie Herde verbessern Gesundheits-, Umwelt- und Klimabilanz

von Mallika Aryal


Bild: © Mallika Aryal/IPS

In Nepal sind fast 22 Millionen Menschen der Luftverschmutzung in Innenräumen ausgesetzt
Bild: © Mallika Aryal/IPS

Pharping, Nepal, 17. April (IPS) - Das Leben nach ihrer Heirat hatte sich die 26-jährige Laxmi Archaya anders vorgestellt. Im Haus ihrer Schwiegereltern in der Ortschaft Chhaimale südlich der nepalesischen Hauptstadt Katmandu war sie die Hälfte des Tages dem beißenden Qualm der mit Holz betriebenen Kochstelle ausgesetzt. "Ich bekam vor lauter Husten kaum Luft. Kochen war wirklich eine Tortur."

Drei Jahre lang gehörte Archaya zu den Frauen, die aufgrund der Rauchentwicklung in Innenräumen ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Neben der Verbrennungsgefahr sind sie giftigen Substanzen wie Kohlenmonoxiden, Rußpartikeln und Stickoxiden ausgesetzt, die für Atemwegserkrankungen, chronische Gefäß- und Herzkrankheiten, Augenleiden bis zur Erblindung, Krebs und Unfruchtbarkeit verantwortlich gemacht werden. Schätzungen zufolge sterben weltweit 4,3 Millionen Menschen pro Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung in Innenräumen. In Nepal sind fast 22 Millionen Menschen betroffen.

Vor sechs Monaten fiel Damodar Acharya auf, dass die Frauen in einem Nachbarort viel schneller mit der Hausarbeit fertig waren als seine Schwiegertochter Laxmi. Er ging der Sache nach und fand heraus, dass sie auf rauchfreien Herden aus Lehmziegeln kochten.

Daraufhin entschlossen sich die Acharyas zur Anschaffung einer ebensolchen Kochvorrichtung. "Das hatten wir schon früher vor, wussten aber nicht, wo oder über welche Stellen wir die rauchfreien Herde beziehen konnten", so der Senior. Doch diesmal profitierte die Familie von der Anwesenheit von Mitarbeitern der 'Global Peace Foundation' (GPF). Die Nichtregierungsorganisation mit Sitz in den USA bezog die Familie im Sinne der Kostenersparnis in die Arbeiten ein.


Schornsteine für Rauchabzug

Anders als die traditionellen Feuerstellen sind die rauchfreien Herde so gebaut, dass der Qualm über einen Schornstein ins Freie geleitet wird. "Das Ganze hat uns 500 Rupien (rund fünf US-Dollar) gekostet", berichtet Acharya. Wie Khila Ghale von GPF-Nepal erklärt, beinhalten die fünf Dollar die Arbeitskosten für den Ofenbauer, der den Herd aufsetzt und eine Einweisung gibt, die Lehmziegel und Eisenstangen zur Stabilisierung sowie die Materialien für den Schornstein.

Die Gesamtkosten für einen rauchfreien Zweilochherd belaufen sich auf zwölf bis 15 Dollar - zu viel für die meisten Familien in Nepal, wo drei Viertel der Bevölkerung mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen müssen. Da die Regierung den Kauf solcher Öfen nicht subventioniert, sind Organisationen wie die GPF bemüht, die Menschen bei der Finanzierung zu unterstützen.

"Damit die Herde möglichst lange verwendet werden können, müssen sie gereinigt und bisweilen repariert werden", sagt Ghale. "Es ist unrealistisch zu erwarten, dass sie ewig halten. Doch der richtige Umgang kann die Lebenserwartung der Herde deutlich erhöhen."

Nach Angaben der Globalen Allianz für saubere Kochherde verwenden 80 Prozent der Nepalesen feste Brennstoffe wie Holz und Kuhdung zum Kochen. In dem 28 Millionen Einwohner zählenden Land bereiten 75 Prozent der Haushalte ihre Mahlzeiten in Innenräumen zu, davon 90 Prozent über offenen Feuerstellen.

Im Januar 2013 hatte die Regierung in Katmandu im Sinne der Globalen Allianz für saubere Kochherde der UN-Stiftung saubere Kochlösungen für alle bis 2017 angekündigt. Die Allianz hat die offenen Feuerstellen und traditionellen Herde und Brennstoffe zu den drängendsten Gesundheits- und Umweltproblemen erklärt und sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 100 Millionen Haushalten zu gesunden Kochstellen zu verhelfen.

Nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden weltweit drei Milliarden Menschen, die zum Kochen auf feste Brennstoffe und offene Feuerstellen in Innenräumen angewiesen sind, aufgrund der dabei freigesetzten Schadstoffe unter schweren Gesundheitsproblemen. An den Folgen sterben mehr Männer, Frauen und Kinder als an Malaria und Tuberkulose.

Wenige Wochen, nachdem die Acharyas ihre neue Kochstelle in Betrieb nehmen konnten, entschieden auch Durga Sharma und ihr Mann, Nachbarn der Acharyas, sich einen solchen Herd zu bauen. Durga Sharma zufolge haben sich die Lebensqualität und die Gesundheit der gesamten Familie seither deutlich verbessert.

Nepalesinnen bringen in der Regel mehr als fünf Stunden pro Tag in der Küche zu. Durch die rauchfreien Herde wird nicht nur die Arbeitslast, sondern auch die Holzmenge, die zum Kochen gebraucht wird, halbiert. Das schont die Wälder und vermindert die CO2-Emissionen der Haushalte.


Klimakiller Ruß

Dem Weltklimarat zufolge ist Ruß, der in traditionellen Feuerstellen anfällt, der zweitgrößte Klimakiller nach Kohlendioxid. Dem Internationalen Zentrum für Integrierte Entwicklung in Bergregionen (ICIMOD) zufolge ist Asien für 40 Prozent des globalen Rußaufkommens verantwortlich, was Veränderungen bei den Monsunmustern, negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft und eine Verschmutzung der Gewässer nach sich zieht. Investitionen in saubere Kochstellen für Millionen Haushalte weltweit kommen automatisch den CO2-Reduktionszielen zugute.

In Chhaimale ist es Mittag, und Laxmi Acharya und Durga Sharma sind mit der Hausarbeit fertig. Beide Frauen wollen die freigewordene Zeit nutzbringend gestalten. Sharma will künftig einen Teil ihres Gemüses auf dem lokalen Markt verkaufen, Acharya ihren Master-Abschluss in der Abendschule nachmachen - Optionen, die sie vorher einfach nicht hatten. Dadurch ergeben sich auch neue Entwicklungschancen für die Familien. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/04/clean-cookstoves-could-change-the-lives-of-millions-in-nepal/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2015

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