Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


PROJEKT/078: Wiederansiedelungsprogramme für den Europäischen Nerz (idw)


Veterinärmedizinische Universität Wien - 22.09.2015

Nerz vom Aussterben bedroht

Optimales Zuchtmanagement soll Wiederansiedelung ermöglichen


Der Europäische Nerz ist weltweit vom Aussterben bedroht. Die Art zu erhalten, ist Ziel mehrerer Wiederansiedelungsprogramme. Eines davon wird in Estland betrieben, wo Forschende der Vetmeduni Vienna nun den Zyklus der weiblichen Tiere genau analysiert haben. Hormonuntersuchungen bestätigten erstmals, dass Weibchen drei bis vier Mal pro Jahr empfängnisbereit sind. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt Theriogenology veröffentlicht und sollen helfen, die Tiere wieder im Freiland anzusiedeln.


Nerz bei einem Baum an einem Gewässer - Foto: © Til Maran

Europäischer Nerz
Foto: © Til Maran

Der Europäische Nerz (Mustela lutreola) zählt zu den am meisten bedrohten Säugetierarten Europas. Die Ursachen für sein Verschwinden sind die Zerstörung seines Lebensraumes in wassernahen Regionen, die Konkurrenz durch den Amerikanischen Nerz, sowie intensive Bejagung in der Vergangenheit.

Der Europäische Nerz wird häufig mit dem Amerikanischen Nerz oder Mink (Neovison vison, früher Mustela vison) verwechselt. Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Mink ist ein sogenannter Gefangenschaftsflüchtling, der aus Pelztierfarmen entkommen ist und sich hierzulande erfolgreich angesiedelt hat. Der größere und robustere Mink hat den Europäischen Nerz nahezu vollkommen verdrängt.

Artenschutzprojekte in ganz Europa standen bisher vor dem Problem, dass sich Europäische Nerze ungern im Zoo fortpflanzen. Die Gefangenschaft scheint sich negativ auf den Zuchterfolg auszuwirken. Ohne Anzucht im Zoo ist aber keine Freilassung und Wiederansiedelung in den Schutzgebieten möglich. "Je mehr wir über die Physiologie der Nerze wissen, desto besser können wir auf ihre Bedürfnisse reagieren", so der Leiter der Studie, Franz Schwarzenberger vom Institut für Physiologie, Pathophysiologie und experimentelle Endokrinologie an der Vetmeduni Vienna.

Kotproben liefern Daten über Reproduktion

Im Rahmen einer Kooperation von WissenschafterInnen der Vetmeduni Vienna mit dem Forschungslabor für Gefährdete Arten des Zoo Tallinn in Estland und dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) für Europäischen Nerze, wurden Kotproben gesammelt und in Wien analysiert. Ziel der Untersuchungen war es, die herkömmlichen Methoden zur Bestimmung von Brunst, Eisprung und Trächtigkeit auf ihre Gültigkeit zu überprüfen und ihre Aussagen zu optimieren. Bisher lieferte ein Vaginalabstrich Hinweise auf die Befruchtungsfähigkeit der Weibchen. Mit der Studie sollten die so erhobenen Daten erstmals validiert werden.

"Mit unserer nicht invasiven Methode haben wir die Östrogenlevel bei den Weibchen bestimmt und jahreszeitliche Hormonprofile erstellt. Es zeigte sich, dass Östrogene zur Zeit des Eisprungs ansteigen. Solche Östrogen-Peaks kommen im Schnitt drei bis vier Mal im Jahr vor. Die Tiere sind also polyöstrisch. Das heißt, sie sind während der Paarungssaison in regelmäßigen Abständen fruchtbar. Zuvor setzte man ein Weibchen, das einmal erfolglos verpaart wurde, im selben Jahr kein zweites Mal für eine Verpaarung ein. Mit unseren Ergebnissen können Verpaarungen wesentlich effektiver geplant werden", erklärt Schwarzenberger.

Auf der Suche nach dem perfekten Paar

Europäische Nerze sind Einzelgänger und leben in freier Wildbahn streng territorial. Nur zur Paarungszeit kommen sie sich näher. In Gefangenschaft stehen den Tieren deshalb wohnungsgroße Einzelgehege zur Verfügung. Den Zeitpunkt für eine Paarung im Zoo zu treffen ist schwierig, weil die Tiere einander angreifen, wenn sie nicht paarungsbereit sind. "Um die Chancen einer Befruchtung zu erhöhen, werden die Weibchen in der Zuchtsaison regelmäßig untersucht. Auch während einer Paarung achtet man vor allem bei den Männchen genau auf das Verhalten", erklärt die Erstautorin Astrid Nagl.

Im Zoo in Tallinn werden bei den weiblichen Tieren dazu Vaginalabstriche gemacht, um den Zeitpunkt des Eisprungs genau vorhersagen zu können. Diese Methode lieferte allerdings nicht immer zufriedenstellende Ergebnisse. "Die Daten aus den Kotanalysen wirken hier ergänzend, sodass auch einige Weibchen, die bisher nicht erfolgreich verpaart werden konnten, nun Nachwuchs bekommen haben", berichtet Schwarzenberger.

Wiederansiedelung in Europa nicht überall möglich

In Österreich ist die Wiederansiedelung des Europäischen Nerzes nicht so einfach möglich. Grund dafür ist laut Schwarzenberger der Mink. "Er besiedelt beispielsweise österreichische Fluss- und Auregionen und hat dort den Europäischen Nerz vertrieben. Den Europäischen Nerz in diesen Regionen auszusetzen, würde sein Todesurteil bedeuten, da der Mink sein Revier verteidigen würde. Eine Wiederansiedelung ist also nur in Mink-freien Regionen möglich", so Schwarzenberger. Der Zoo Tallinn beherbergt mittlerweile etwa 100-120 Europäische Nerze. Die im Zoo gezüchteten Tiere werden im Freiland auf den estnischen Inseln Hiiumaa und Saaremaa wieder angesiedelt, wo keine Minks leben. Auch in Nordwestdeutschland gibt es am Steinhuder Meer ein vielversprechendes Wiederansiedelungsprojekt.

Service
Der Artikel "Non-invasive monitoring of female reproductive hormone metabolites in the endangered European mink (Mustela lutreola)" von Astrid Nagl, Nadja Kneidinger, Kairi Kiik, Heli Lindeberg, Tiit Maran und Franz Schwarzenberger wurde im Journal Theriogenology veröffentlicht.[1]


[1] http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0093691X15003817

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinfo2015/nerze/

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news637930
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1560

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Veterinärmedizinische Universität Wien, Heike Hochhauser, 22.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang