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PROJEKT/080: Aus Kriegern werden "Löwen-Hüter" (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/15
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Aus Kriegern werden "Löwen-Hüter"
Ein Projekt zur Rettung der Löwen im Vulkankrater.

Von Britta Hennigs


Löwen gelten als Symbol Afrikas. Dabei ist weniger bekannt, dass der "König der Tiere" immer mehr an den Rand des Aussterbens gedrängt wird: Unerbittliche Verfolgung durch Trophäenjäger und Hirten sowie Lebensraum- und Beuteverlust entziehen den majestätischen Großkatzen ihre Lebensgrundlage. Auch in der Serengeti, einer weltberühmten Hochburg für Löwen in Afrika, lauern Gefahren. Hier setzt sich die NABU International Naturschutzstiftung für den Schutz der bedrohten Löwen ein.

Ein König verliert sein Reich

Einst waren Löwen zahlreich und weit verbreitet. Ihr Vorkommen erstreckte sich von Afrika über Südwestasien bis nach Europa im Westen und Indien und Pakistan im Osten. Heute haben Löwen 85 Prozent ihres ursprünglichen Lebensraumes verloren. Aus mehr als 26 Ländern, in denen sie einst vorkamen, sind sie verschwunden. In Afrika ist ihr Bestand seit 1993 um 42 Prozent auf unter 20.000 Individuen gesunken. Gründe dafür sind vor allem der Verlust und die Zerschneidung ihrer Lebensräume und der damit einhergehende Rückgang ihrer Beutetiere sowie die Verfolgung als Vorbeugung oder Vergeltung für Viehrisse. Auch die Trophäenjagd, besonders auf Löwenmännchen, spielt eine Rolle.

Kein Durchkommen am Vulkankrater

Der Ngorongoro-Krater-Nationalpark liegt in Tansania, in der fruchtbaren Ebene des Ngorongoro-Schutzgebietes am Rande der Serengeti, und ist für viele Wildtiere ein idealer Lebensraum. In der Sprache der Massai bedeutet Ngorongoro "Das große Loch". Und dieser Name ist bezeichnend. Vor zwei Millionen Jahren brach der Kegel eines massiven Vulkans zusammen und schuf den von steil abfallenden Wänden umgebenen 20 Kilometer breiten Kessel. Sein Kraterrand erhebt sich bis zu 2.440 Meter über den Meeresspiegel und umringt vulkanische, wasserreiche Böden.

Die menschliche Bevölkerung im Ngorongoro-Schutzgebiet im Süden der Serengeti hat sich seit dem Jahr 1959 auf etwa 80.000 verzehnfacht. Die heute dicht von Massai und ihren Kuh- und Ziegenherden besiedelten Gebiete bilden eine Barriere für Löwen, die den Vulkankrater vom Serengeti-Nationalpark aus auf einem der nur wenigen vorhandenen Verbindungswege erreichen wollen. Massai-Krieger verfolgen und töten ansässige Löwen als Tapferkeitsritual mit Speeren und um sich für gerissene Herdentiere zu rächen. Für Löwen ist diese Koexistenz ein oft tödlicher Spießrutenlauf. Für viele gibt es hier kein Durchkommen mehr.

Die Folge dieser genetischen Isolation ist eine durch Inzucht verursachte erhöhte Anfälligkeit für tödliche Infektionskrankheiten, Zeugungsunfähigkeit und eine hohe Sterblichkeitsrate der Jungtiere. Heute leben nur noch 55 Löwen in dem ehemaligen Vulkankrater - ungefähr die Hälfte der ursprünglichen Population.

Hoffnung für die "Krater-Löwen"

Professor Craig Packer erforscht seit mehr als 30 Jahren die Löwen der Serengeti. Gemeinsam mit ihm, Projektleiterin Ingela Jansson und mit der Unterstützung von National Geographic arbeitet NABU International daran, einen sicheren Korridor zwischen der Serengeti und dem Ngorongoro-Krater für die Löwen zu schaffen. Dafür ist es wichtig, die Routen und Verhaltensweisen der ansässigen Löwen zu kennen. Über die Dauer von 15 Monaten stattet NABU International daher Löwen mit Satellitenhalsbändern aus. Die Halsbänder stören die Tiere nicht und verraten durch regelmäßige Signale, wo sie sich genau aufhalten und welche Routen sie aus dem 8.300 Quadratkilometer großen Krater heraus begehen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Projektes besteht darin, die Massai-Gemeinden in den Löwenschutz einzubeziehen. Ihre Aufgabe ist es, die mit Satellitenhalsbändern versehenen Tiere zu überwachen, um Hirten und Dorfbewohner vor sich annähernden Löwen zu warnen. Außerdem machen sie verlorengegangenes Vieh ausfindig und verstärken Zäune, um Rinder, Ziegen und Schafe vor Löwen zu sichern.

Die vielen Leben des "Young Tom"

Young Tom war der erste Löwe, der im Oktober 2012 mit einem Satellitenhalsband versehen wurde. Damals musste eine große Speerwunde von Tierärzten versorgt werden. Ohne diese Hilfe hätte Young Tom nicht überlebt. Etwas über ein Jahr später erreichte uns eine Schreckensnachricht: Laut der Senderdaten hatte sich der Löwe mehrere Tage nicht von der Stelle bewegt. War Young Tom tot? Der ausgesandte Tierarzt fand den Löwen glücklicherweise noch lebendig, aber schwer verwundet, auf. Young Tom konnte zum zweiten Mal gerettet werden. Etwas später wurde Young Tom von anderen Löwenmännchen in das dicht besiedelte Kraterrand-Gebiet des Ngorongoro gedrängt. Um Konflikte zu verhindern, informierten unsere Massai-Mitarbeiter benachbarte Viehhirten rechtzeitig über die potenzielle Gefahr für Weidetiere. Kein Tier der Massai kam zu Schaden und der Löwe konnte unversehrt weiterziehen - ein Erfolg der Zusammenarbeit und des Projektes.



Hintergrund zu Löwen:

Löwen sind die sozialsten aller Katzen und die größten Landraubtiere Afrikas. Ihre imposante Statur und sprichwörtliche Stärke gaben ihnen den Titel "König der Tiere". Bei ihren gemeinschaftlichen Jagden erlegen Löwen hauptsächlich Huftiere wie Antilopen, Gazellen und Zebras, aber auch junge Elefanten, Nashörner sowie kleinere Beutetiere. Auch Aas wird nicht verschmäht. Als Lebensraum bevorzugen Löwen offene Wälder und Busch- und Graslandgebiete, die eine ausreichende Deckung für die Jagd und die Aufzucht der Jungen bieten. Heute kommen Löwen in Afrika nur noch sehr fragmentiert und in weniger als der Hälfte der Länder vor (s. Verbreitungskarte in der Druckausgabe). Der nördlichste Verbreitungsrand ist der südliche Rand der Sahara, der südlichste ist Südafrika.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Young Tom war der erste Löwe, der mit einem Satellittenhalsband versehen wurde.

- Der Ngorongoro-Krater-Nationalpark liegt in Tansania, in der fruchtbaren Ebene des Ngorongoro-Schutzgebietes am Rande der Serengeti. Heute leben noch 55 Löwen in dem ehemaligen Vulkankrater.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/15, Seite 44 - 45
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
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ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2015

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