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PROTEST/010: Guatemala - Indigene Gemeinden protestieren gegen Wasserkraft- und Minenprojekte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Mai 2012

Guatemala: Indigene Gemeinden protestieren gegen Wasserkraft- und Minenprojekte

von Danilo Valladares

Staatschef Otto Pérez Molina und Vizepräsidentin Roxana Baldetti - Bild: © Danilo Valladares/IPS

Staatschef Otto Pérez Molina und Vizepräsidentin Roxana Baldetti
Bild: © Danilo Valladares/IPS

Guatemala-Stadt, 23. Mai (IPS) - Juan Gaspar, ein Ladenbesitzer in der Stadt Santa Cruz Barillas im Nordwesten Guatemalas, hat weniger Kunden als sonst. "Seit etwa einem Monat kommen die Leute nicht mehr, weil sie Angst haben", sagt er. Der Bürgerkrieg in dem zentralamerikanischen Land ist zwar lange vorbei. Dafür liefern sich nun Gegner eines Staudamm-Projektes Gefechte mit den Sicherheitskräften.

Der Konflikt brach in der Stadt am 1. Mai aus, als private Sicherheitstrupps, Polizisten und Soldaten eine Protestkundgebung von Anwohnern gegen den Bau des Wasserkraftwerks 'Canbalam I' durch die spanische Firma 'Hidralia' niederschlugen. Bei den Zusammenstößen kam ein Bauer ums Leben, zwei weitere Menschen wurden verletzt.

Der konservative Staatspräsident Otto Pérez Molina erklärte daraufhin in Santa Cruz Barillas den Belagerungszustand und entsandte die Armee und die Polizei mit dem Befehl, die "Rädelsführer" festzunehmen. Seither wurden 17 Gemeindeführer verhaftet. Hunderte aufgebrachte Menschen zogen am 15. Mai durch die Straßen, um deren Freilassung und die Aufhebung des Belagerungszustandes zu fordern. Drei Tage später wurde die Maßnahme aufgehoben.

Das große Militär- und Polizeiaufgebot erinnerte viele an die Zeit des Bürgerkriegs von 1960 bis 1996. Während des Konflikts zwischen den Streitkräften und der linksgerichteten Guerilla wurden etwa 250.000 Menschen getötet oder verschwanden spurlos. Die meisten Opfer gab es unter der armen indigenen Landbevölkerung. Nach Erkenntnissen der von den Vereinten Nationen unterstützten Historischen Aufklärungskommission war die Armee für 93 Prozent der Morde verantwortlich.


Zahlreiche Konflikte im ganzen Land

Der Konflikt in Santa Cruz Barillas steht stellvertretend für zahlreiche weitere Auseinandersetzungen zwischen Bevölkerung und Sicherheitskräften wegen des Abbaus von Mineralien, der Erdölförderung und Wasserkraftprojekten.

"Es fehlt der Wille, auf die Forderungen und Bedürfnisse der Bewohner der Regionen einzugehen, in denen Wirtschaftsaktivitäten vorangetrieben werden", kritisiert Eduardo Sacayón, der Leiter des Instituts für Interethnische Studien an der Universität von San Carlos. Die Regierung bediene sich dagegen der Gewalt, um Unternehmen und Investoren ihre Unterstützung zu zeigen. Die Meinung der Bevölkerungsmehrheit, die von diesen Aktivitäten betroffen sei, zähle nicht.

Im April hatte die Regierung angekündigt, eine 500 Mann starke Militärbrigade in die Stadt San Juan Sacatepéquez nahe Mexiko-Stadt zu entsenden, damit sie "den Drogenhandel bekämpft und für öffentliche Sicherheit sorgt". In dem Gebiet kommt es wegen des Baus einer Zementfabrik zu Protesten. Die Anwohner fürchten, dass die Industrieanlage Felder und Gewässer verschmutzt.

Das Problem liegt darin, dass es keinerlei Interesse daran gibt, sich mit den Bedürfnissen der indigenen Gemeinden zu beschäftigen", sagt Sacayón. Dies sei vor allem beim Abbau von Rohstoffen erkennbar. Während Unternehmen einer profitorientierten Logik folgten, treibe die Ureinwohner die Sorge um die Natur um.

Amtlichen Statistiken zufolge sind 40 Prozent der 14 Millionen Guatemalteken Ureinwohner. Indigene Organisationen gehen sogar von mehr als 60 Prozent aus. Wie andere Länder Lateinamerikas erlebt auch Guatemala seit dem Anstieg der internationalen Mineralpreise einen Bergbauboom. Laut dem Energieministerium stiegen die Einnahmen der Metallproduktion von neun Millionen US-Dollar 2004 auf 522 Millionen 2010.

Arme Gemeinden klagen darüber, dass ihnen die Ausbeutung der Ressourcen keine Vorteile bringt. Stattdessen müssten sie die Zerstörung ihrer Umwelt hinnehmen.


Multis wird Ausplünderung natürlicher Ressourcen vorgeworfen

Domingo Hernández von der 'Convergencia Nacional Maya Waqib'Kej', einem Zusammenschluss von Ureinwohnerorganisationen, wirft multinationalen Konzernen vor, den Ländern nicht bei der Entwicklung zu helfen. "Sie beschränken sich darauf, die Rohstoffe eines Staates zu plündern. Die indigene Bevölkerung bleibt dabei arm."

Guatemala ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. 54 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze und 13 in extremer Armut, wie eine 2011 durchgeführte Untersuchung der Lebensbedingungen ergab. Vor allem Indigene sind stark von Armut betroffen.

Wie Hernández kritisiert, gibt es mehr Unterdrückung statt Dialog. Und wenn Gespräche stattfänden, versuche eine Seite, die andere zu dominieren. "Wir müssen neue Beziehungen zwischen den Menschen und dem Staat knüpfen. Bis jetzt ist der Staat von der Gesellschaft getrennt."

Auch Umweltschützer beteiligen sich an der Debatte. Yuri Melini vom Zentrum für rechtliche, soziale und ökologische Aktion (CALAS) erklärt, dass seine Organisation den Bau von Wasserkraftwerken als Weg zur Abkehr von den in Guatemala vorrangig genutzten fossilen Brennstoffen befürwortet. Die Bevölkerung müsse aber einen erkennbaren Nutzen aus den Projekten ziehen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.calas.org.gt/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100772
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107863

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2012