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PROTEST/028: Brasilien - Übung in Selbstjustiz, Indigene verteidigen Wald gegen illegale Rodung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. März 2013

Brasilien: Übung in Selbstjustiz - Indigene verteidigen Wald gegen illegale Rodung

von Fabíola Ortiz



Río de Janeiro, 15. März (IPS) - Weil sie sich vom Staat im Stich gelassen fühlen, haben Indigene in Brasilien das Gesetz selbst in die Hand genommen, um ihre Wälder zu schützen. Sie beschlagnahmen Maschinen und Fahrzeuge der Holzmafia, die es auf die Hölzer auf ihrem Territorium abgesehen haben.

Die Pukobjê-Gavião-Indigenen leben in Governador, einem Gebiet nahe der Stadt Amarante im Südwesten des Bundesstaates Maranhão im östlichen Amazonasgebiet. Im Januar konfiszierten sie auf eigene Faust vier Lastwagen und einen Traktor, die rund 20 Kubikmeter Holz des goldenen Trompetenbaums (Tabebuia chrysotricha) und der Paradiesnuss (Lecythis) geladen hatten.

"Immer wieder haben wir die illegalen Rodungen auf unserem Gebiet angezeigt, aber das hat zu nichts geführt. Wir haben die Lastwagen in dem Reservat gesehen und uns gefragt: Wenn wir nichts machen, wer hält sie dann auf?", sagt Evandro Gavião, Kazike von Governador.

Bereits 2009 habe sich sein Volk an die Behörden gewandt, um den unrechtmäßigen Holzeinschlag anzuzeigen, berichtet Gavião. Die Bäume auf dem indigenen Territorium sind beliebt. Neben den oben genannten seltenen Arten wachsen hier auch der Brasilianische Pfefferbaum (Schinus terebinthifolius), der Copaiba- und der Cereieira-Baum. Um an die wertvollen Hölzer zu kommen, werden Schneisen und Straßen in den Wald geschlagen. Dadurch wird der Zugang zu dem indigenen Land immer weiter vereinfacht.


Auch Interpol geht gegen illegalen Holzeinschlag vor

Der illegale Holzeinschlag beschäftigt mittlerweile auch die internationale Strafverfolgung. Von September bis November 2012 wurden 200 Menschen in zwölf lateinamerikanischen Ländern von Interpol verhaftet, die in den Handel mit unrechtmäßig geschlagenem Holz verwickelt sein sollen.

Verdächtige wurden in Brasilien, Bolivien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, der Dominikanischen Republik, Ecuador, Guatemala, Honduras, Paraguay, Peru und Venezuela gestellt. Insgesamt wurden 50.000 Kubikmeter Holz im Wert von insgesamt acht Millionen US-Dollar sichergestellt.

"Was wir gemacht haben, war gefährlich. Aber es war die einzige Möglichkeit, um unserem Hilferuf Gehör zu verschaffen", sagte der 24-jährige Gavião. Die rund 1.000 Indigenen, die in Governador leben, haben die Nationale Indigenen-Stiftung und das Brasilianische Umweltinstitut aufgefordert, Vertreter zu ihnen zu schicken, damit sich diese ein Bild von der Situation vor Ort machen. Außerdem wollen sie Polizeipräsenz in ihrem Gebiet, da sie sich bedroht fühlen.

"Wir wissen, dass auf den Kopf des Kaziken in Nova 30.000 Reales (rund 15.000 US-Dollar) ausgesetzt wurden", berichtet Gavião. "Aber davon lassen wir uns nicht einschüchtern."

Die Bedrohungen haben in letzter Zeit zugenommen. Den Indigenen zufolge liegt das daran, dass sie eine Neubestimmung der Grenzen ihres Territoriums fordern. 1980 wurde ihr Gebiet von der damaligen Militärregierung auf 42.000 Hektar festgelegt. Das entspricht allerdings bei weitem nicht der Größe des ursprünglichen Territoriums, auf dem sich die Pukobjê-Gaviatilde;o aufgehalten hatten. Bis heute nutzen sie die rund 80.000 Hektar, die sie zu ihrem traditionellen Gebiet zählten, um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen und ihre Rituale abzuhalten.


Indigene ohne Mitbestimmungsrecht

"Wir sind niemals gefragt worden, wo wir uns aufhalten, wo wir fischen oder jagen oder Früchte sammeln", erklärt Gavião. Deshalb fordern die Indigenen seit 1999, dass ihnen dieses Land wieder zugesprochen wird. Doch außerhalb der offiziellen Grenzen haben sich bereits Großgrundbesitzer niedergelassen, mit denen die Indigenen eine mehr oder weniger freundschaftliche Beziehung pflegten. Die Forderung der Indigenen nach mehr Land hat zu Konflikten geführt, die teilweise in Gewalt ausuferten.

Illegal gerodet wird in den brasilianischen indigenen Gebieten mindestens seit 1980. "Jetzt ist es aber viel offensichtlicher geworden. Die Lastwagen fahren teilweise mitten durch die indigenen Dörfer", berichtet Rosimeire Diniz vom katholischen Indigenen Missionarsrat des Bundesstaates Maranhão.

"Nachdem in anderen Gebieten harsch gegen den illegalen Holzeinschlag vorgegangen wurde, sind viele Holzfäller nach Governador gekommen", meint Fábio Teixeira von der Bundespolizei. Sieben große Sägewerke gibt es hier mittlerweile. Für Teixeira war die Beschlagnahmung der Lastwagen durch die Indigenen eine "Verzweiflungstat". "Wir sind dabei, die Menschen davon zu überzeugen, künftig Fotos von den Invasoren zu machen, die uns dann als Anhaltspunkte in unserer Untersuchung dienen können." (Ende/IPS/jt/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2013