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PROTEST/032: Kein Land für Ölpalmen! (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 117/2.2013

Kein Land für Ölpalmen!
Stimmen aus West Kalimantan, Indonesien

Interview von Stefanie Hess



In Indonesien gibt es zur Zeit etwa zwölf Millionen Hektar Ölpalmplantagen, bis zum Jahr 2026 sollen allein in den Provinzen von Kalimantan, des indonesischen Teils Borneos, insgesamt zehn Millionen Hektar neuer Plantagen entstehen. Was das für die Menschen vor Ort bedeutet, hat Stefanie Hess im Interview mit der indonesischen NGO Gemawan erfahren. Auf Wunsch von Gemawan werden die Namen der InterviewpartnerInnen nicht genannt.


? Wie seid ihr zu eurem Arbeitsschwerpunkt Palmöl gekommen?

! In den Jahren 2004/05 haben viele multinationale Kooperationen und Konzerne nach Land gesucht. Da der Absatz von Palmöl geboomt hat, wollten sie expandieren. Unterstützt wurden sie von den Gemeinden, Distrikten und der Provinzregierung in Kalimantan. Unsere Geschichte begann ein Jahr später, als sich der Konzern Wilmar Konzessionen und Land in der Region Sambas aneignete.

Sambas ist unsere Heimat und Wilmar war der erste Palmölkonzern, den wir kennenlernten. Es war gleichzeitig das erste Mal, dass wir von Palmöl hörten. Vorher wussten wir kaum etwas von den Problemen, die mit den Ölpalmen verbunden sind.

Viele betroffene Dorfbewohner kamen zu uns und beschwerten sich über die Praktiken des Konzerns. Ihr Land und ihr Wald wurden mit Bulldozern platt gemacht, ihre Häuser zerstört. Es gab keinen Wald mehr - dafür überall Überschwemmungen. Dann kamen die großen Feuer. Die Brände sind auf den Plantagen von Wilmar entstanden. Der Rauch war überall, jeder hatte Angst. Einige Dorfbewohner mussten fluchtartig ihre Häuser verlassen, weil sich die Feuer so schnell bis in die Siedlungen fraßen. Vorher ist so etwas noch nie in Sambas passiert!

? Haben die Dorfbewohner versucht mit dem Konzern und der Regierung zu sprechen?

! Ja, sie haben versucht mit den Managern von Wilmar und mit der regionalen Regierung zu reden. Aber es gab keine öffentlichen Konsultationen und auch keine Entschädigungszahlungen, dann kamen sie mit ihren Problemen zu uns. Wir haben uns mit anderen NGOs vernetzt und unseren Bericht "Policy, Practice, Pride and Prejudice" geschrieben, der viel Aufsehen erregt hat. Zur gleichen Zeit haben wir den Fall vor Gericht gebracht, denn die Brände hatten keinen natürlichen Ursprung. Auf Distriktebene haben wir viel diskutiert, auch einen Experten gestellt, aber das Gericht entschied, dass Wilmar nicht schuldig ist.

Der Fall ist immer noch nicht abgeschlossen, aber wenigstens gab es 2010 Gespräche auf lokaler Ebene und einige Vereinbarungen zwischen den Parteien.

Wir sind glücklich, dass es Kompensationszahlungen gab und Land zurückgegeben wurde. Wilmar beobachten wir seitdem genau, weil sich der Konzern so aggressiv neues Land aneignet.

? Was fordern die betroffenen Menschen von den Konzernen und wie lange dauert es bis ein Fall abgeschlossen werden kann?

! Zuerst wollen die Betroffenen eine Entschuldigung, dann Konsultationen, Kompensationen, Wiederaufforstung und die Rückgabe des Landes. Einige wollen auch eine Smallholder-Plantage, aber nicht jeder will das. Die Zeit, die für die Fälle benötigt wird, bei denen wir bei den Verhandlungen helfen, ist unterschiedlich. Manchmal sind die Konzerne bereit zu verhandeln und die Gemeinde vertritt eine Position, dann kooperiert jeder. Aber wenn die Gemeinden sich nicht einig sind oder der Konzern nicht verhandeln will, dann kollabiert alles. Manchmal dauert es Monate, manchmal Jahre bis ein Fall abgeschlossen werden kann. Einer unserer Fälle ist schon 28 Jahre alt und die Menschen kämpfen immer noch. Das ist eine große Herausforderung.

? Wie viele Konflikte um Land gibt es?

! Die Zahlen steigen dramatisch an, besonders in Kalimantan. 146 neue Konflikte gibt es seit 2005 allein in West Kalimantan. Auf Sumatra dagegen ist ja schon fast alles Plantage. Dort gibt es nur noch wenig Raum zur Expansion für die Konzerne und dadurch auch weniger neue Konflikte. In Kalimantan gab es in den 70ern die erste Welle der Forstkonzessionen, in den 80ern die zweite, in den 90ern gab es überall Bergbau, nicht nur Gold, sondern auch Sand, Kohle und Bauxit. Ab dem Jahr 2000 kamen die Ölpalmen. Aber wir haben nicht nur Probleme mit Ölpalmen, sondern auch mit der Zellstoff- und Papierproduktion, einem neuen Feind. Vielleicht gibt es bis 2020 viele Monokulturen aus Akazien. Wie du siehst, ist es eine endlose Geschichte.

? Wie kämpft ihr gegen die Konzerne?

! Wir wollen gegen die Probleme systematisch vorgehen. Wir wollen nicht jemanden aus unserer Organisation losschicken, um die Leute aus dem Gefängnis zu holen - aber damit sind wir sehr beschäftigt. Die Menschen sind stinksauer, wenn sie z.B. keine Kompensationszahlungen für ihr Land erhalten. Dann kam es vor, dass sie die Geschäftsführer der Konzerne verprügelten oder sogar das Büro des Bupati niederbrannten.

Wir investieren viel Zeit und Geld, wir diskutieren und stellen Juristen an. Aber wir gewinnen nur selten. Nur in zwei Fällen haben wir das Land bisher zurückbekommen. Von dem Wilmar-Fall in Sambas haben wir 1.400 Hektar Land bekommen. Wir wollen aber 1,8 Millionen Hektar die von den Gemeinden verwaltet werden.

Wir glauben, dass Landraub ein Verbrechen ist, für das jemand nicht bloß ins Gefängnis sollte. Die Fälle müssten in jedem Fall vor das Zivilgericht kommen. Eine Strafe ist nichts. Einige Gemeinden hatten Erfolg damit und bekamen Kompensationen von den Konzernen und erhielten ihr Land zurück.

Mit einigen Firmen kann man reden. Sie sind um ihren Ruf besorgt und haben Beschwerdemechanismen eingeführt. Gerade ist es ziemlich normal, dass die Konzerne jemanden haben, der sich um die Konflikte kümmert. Anderen Firmen ist das egal, zum Beispiel den vielen lokalen Firmen, die an die großen Konzerne liefern. Für uns geht es nicht mehr nur um den einzelnen Fall, sondern um die Stärkung der Gemeinden. Oft wissen die Gemeinden nicht, dass auf ihrem Land Konzessionen geplant sind. Wir recherchieren, wo neues Terrain abgesteckt wird. So können wir den betroffenen Gemeinden davon berichten und früh Einfluss auf die Raumplanung und die wirtschaftliche Entwicklung nehmen. Wir wollen eine Anerkennung der Landrechte der Gemeinden. Lokale gesetzliche Regulierungen sind für jeden bindend, nicht nur für die Konzerne, sondern auch für die lokale Regierung. Über Verhandlungen üben wir Druck aus, bisher werden die Landrechte aber nicht anerkannt.

Wir planen große öffentliche Konsultationen mit über Hundert Vertretern der Gemeinden. Dort können sie diskutieren und ihre Forderungen an die lokalen Regierungen stellen. Wir unterstützen sie mit Landkarten und Daten, denn sie haben es verdient vom Staat anerkannt zu werden. Wir nutzen viele gesetzliche Regularien: nicht nur den Schutz der Indigenen, auch den Schutz von nachhaltig bewirtschaftetem Ackerland (Nr. 41/2009), den Plantation Act (Nr. 18/2004) bezüglich des Schutzes der Wirtschaftsgüter und den Settlement Act, um die Siedlungen vor der Expansion - nicht nur von Palmöl, sondern auch von Papierholz-Plantagen, wie denen von APP - zu schützen. Darum üben wir auch Druck auf die Regierungen der Distrikte aus, damit sie die Genehmigungen für die bestehenden Plantagen kontrollieren. Für eine legale Plantage braucht man allein sechs Hauptgenehmigungen. Häufig legen Konzerne die Plantagen an, bevor alle Genehmigungen erteilt sind. Allein in West Kalimantan gibt es 4,2 Millionen Hektar Ölpaimplantagen. Wenn du dir die Landkarten anschaust, siehst du, dass die Gemeinden keinen Platz mehr haben.

? Kann man die Konzerne und ihren Landraub für Palmöl stoppen?

! Solange die Nachfrage aus Europa, den USA, aus Indien und Indonesien nach Margarine, Kochöl, Kosmetika oder Biokraftstoffen weiterhin besteht, nein. Wir müssen realistisch bleiben. Wir wollen, dass die Konzerne den Gemeinden endlich wirklich zuhören. Wenn die Gemeinden keine Ölpalmen wollen, dann sollten die Konzerne gehen. Wenn eine Gemeinde beschließt ihr Land zu verkaufen, dann sollten sie den geforderten Preis zahlen.

Aber in West Kalimantan wollen die Menschen keine Ölpalmen! Diese Monokulturen bedeuten für uns einen hohen Verlust an Biologischer Vielfalt. Wir haben unsere eigenen bewährten Pflanzen. Wir pflanzen z.B. Durian und bauen Reis an, haben kleine Kautschukplantagen und nutzen viele Produkte des Waldes, die nicht aus Holz sind - viele von uns sind darauf angewiesen. Wenn sie verschwinden, haben wir kein Geld mehr und wovon sollen wir dann leben?

? Warum wollen die Menschen nicht auf den Ölpalmplantagen arbeiten?

! Wir wollen nicht für die Konzerne arbeiten! Wenn die Menschen aber ihr Land verloren haben, was bleibt ihnen noch übrig? Einige von uns haben dann keine Alternative mehr. Die Löhne, die die Konzerne den Plantagenarbeitern zahlen, sind sehr niedrig und die Arbeitsbedingungen schlecht. Man bekommt vielleicht 1,50 oder 2 Euro am Tag. Wenn du aber eine Kautschukplantage mit ca. zwei bis zehn Hektar hast, kannst du bis zu 50 Euro am Tag verdienen. Kautschuk ist die beste Wahl, die wir in Ost und West Kalimantan haben, aber auch in Jambi auf Sumatra - eigentlich überall. Wir haben unsere eigenen Produkte, wie Rattan, Kautschuk, Zimt und unsere Reisfelder. Wenn wir andere Pflanzen anbauen, haben wir keine Nahrung und müssen die Ernte erst verkaufen, um Geld für Essen zu bekommen. Wir wollen Pflanzen für Nahrung anbauen, nicht für Geld!

Die Menschen hier wollen nicht, dass die Konzerne ihr Land und ihren Wald bekommen. Sie wollen keine Ölpalmen, sondern ihr Land nach den traditionellen Überlieferungen nutzen. Der Wald und das Land sind wichtig für uns, denn wir wollen ein unabhängiges Leben führen - ein Leben ohne Konzerne.

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ROBIN WOOD hat vor kurzem Mitglieder der indonesischen NGO Gemawan getroffen. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Umwelt, Stärkung der Gemeinden, Gleichberechtigung der Geschlechter, Demokratisierung und dem Vorantreiben einer verantwortungsbewussten Regierungsführung.

Sie stammen überwiegend aus dem Distrikt Sambas in West Kalimantan. Diese Region liegt im Herzen Borneos. Hier gibt es die letzten unberührten Regenwälder, nach dem die anderen Gegenden West-Kalimantans längst abgeholzt sind. Die Konzerne sind auf stetem Expansionskurs und erschließen dabei neue Anbauflächen. Das Land ist aber nicht nur eine ökonomische Ressource sondern für seine BewohnerInnen auch ein Raum der Identität.


Stefanie Hess ist Tropenwaldreferentin bei ROBIN WOOD,
Kontakt: tropenwald@robinwood.de

Weitere Informationen unter: www.gemawan.org

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 117/2.2013, S. 18-20
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2013