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PROTEST/047: Rumänien - Zehntausende protestieren gegen geplante Riesen-Goldmine (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2013

Rumänien: Welterbe in Karpaten in Gefahr - Zehntausende protestieren gegen geplante Riesen-Goldmine

von Claudia Ciobanu


Bild: © Claudia Ciobanu/IPS

Protestkundgebung in Bukarest
Bild: © Claudia Ciobanu/IPS

Bukarest, 18. September (IPS) - Die Proteste gegen ein gigantisches Goldbergbauprojekt unter kanadischer Leitung in der rumänischen Region Siebenbürgen haben in den vergangenen Tagen lawinenartig zugenommen. Mehr als 20.000 Menschen versammelten sich am 15. September in der Hauptstadt Bukarest, um das Vorhaben zu verhindern. Auch in anderen Städten des Landes gingen Tausende auf die Straße.

Seit Anfang des Monats ist es damit bereits zum dritten Mal zu landesweiten Demonstrationen gegen den geplanten Goldbergbau im Apuseni-Gebirge gekommen. Die Kundgebung in Bukarest am 15. September war die bisher größte ihrer Art. In Bukarest, in Cluj im Westen des Landes sowie in anderen Städten finden zudem täglich kleinere Demonstrationen statt.

Die Bevölkerung wehrt sich damit gegen einen von der Regierung Ende August vorgestellten Gesetzentwurf, der der 'Rosia Montana Gold Corporation', deren Mehrheitseigner die kanadische Gruppe 'Gabriel Resources' ist, Sondervollmachten geben soll. Demnach kann das Unternehmen die Umsiedlung von Anwohnern veranlassen, die bisher im Gebiet der Mine leben. Außerdem sollen die Behörden der Firma alle notwendigen Genehmigungen ausstellen, auch wenn sie gegen geltende Gesetze, Gerichtsurteile oder die Mitspracherechte der Öffentlichkeit verstoßen.

Die Gold Corporation will im Gebiet von Rosia Montana Europas größte Goldmine eröffnen, um über einen Zeitraum von 17 Jahren 300 Tonnen Gold und 1.600 Tonnen Silber zu fördern. Dafür müssten drei Dörfer weichen und vier Berge zerstört werden. Bei den Arbeiten würden jährlich 12.000 Tonnen Zyanid verwendet und 13 Millionen Tonnen Abfälle produziert werden, wie aus einer dem Umweltministerium vorgelegten Projektvorstellung hervorgeht.


Gesetz soll grünes Licht für lang umstrittenes Projekt geben

Nachdem die Gold Corporation innerhalb von 14 Jahren nicht alle erforderlichen Genehmigungen erhalten hat, soll das Gesetz nun dafür sorgen, dass endgültig grünes Licht für den Minenbetrieb gegeben wird. 2004 hatte die einflussreiche Rumänische Akademie der Wissenschaften gefordert, das Vorhaben aufgrund der hohen sozialen und ökologischen Kosten abzusagen. Die Mine bedroht demnach auch das kulturelle Erbe der Ortschaft Rosia Montana, wo bereits seit der Römer-Zeit Bergbau betrieben wird.

In dem Karpaten-Dorf mit etwa 3.000 Einwohnern machen bereits seit Jahren Hunderte Menschen gegen das vorgesehene Projekt Front. Sie gründeten die Nichtregierungsorganisation 'Alburnus Maior' und gingen gerichtlich gegen das Gold-Unternehmen und die Behörden vor. Aus der Öffentlichkeit kommt nicht zuletzt deshalb soviel Rückhalt für die Protestbewegung, weil die Gold Corporation offenbar enge Verbindungen zu Politikern aller Couleur und den großen Medien unterhält.

Selbst Erzfeinde wie Staatspräsident Traian Basescu aus dem Mitte-Rechts-Lager und der sozialistische Regierungschef Victor Ponta sind sich in ihrer Unterstützung für das Minenprojekt einig. Die meisten großen Medien haben Werbeanzeigen der Gold Corporation veröffentlicht und eine kritische Berichterstattung über die Schürfpläne unterlassen. In einem Staat, in dem Korruption Teil des Alltags ist, gilt der Konsens um das Goldbergbauprojekt als weiterer Beweis für Kungeleien.

Als Hauptargument zugunsten der Riesenmine werden neue Arbeitsplätze und hohe Staatseinnahmen genannt. Laut der jüngsten Einigung zwischen der rumänischen Regierung und dem Unternehmen, die dem Gesetzentwurf angefügt wurde, ist die Einstellung von 2.300 Beschäftigten in der zweijährigen Bauphase vorgesehen. Während des 17-jährigen Förderbetriebs sollen 900 Menschen in der Mine Arbeit finden.

Von dem Projekt verspricht sich die Regierung Einnahmen in Höhe von rund 2,3 Milliarden US-Dollar. Die Wirtschaft des Landes rechnet mit 2,9 Milliarden Dollar.


Parlamentsvotum wird entscheidend sein

Die Protestierenden nehmen nun das Parlament ins Visier. Das Votum der Abgeordneten wird letztlich über die Zukunft von Rosia Montana entscheiden. Sollte das Gesetz gebilligt werden, könnten die Arbeiten an der Mine sofort beginnen, selbst wenn der Fall vor das Verfassungsgericht gebracht würde.

"Wir können nicht sagen, was aus dem Projekt wird, aber wir werden auf jeden Fall weiterkämpfen", versichert Eugen David, der 'Alburnus Maior' leitet. "Am Ende wird es uns gelingen, uns von der Belagerung Rosia Montanas zu befreien."

Seit Beginn der in dem Land überraschend großen Proteste sind in der Öffentlichkeit viele Fehlinformationen gestreut worden. Die wichtigsten Fernsehsender berichteten zunächst nicht über die Massenproteste. Am 10. September verkündeten einige Medien fälschlicherweise, dass der Senat den Gesetzentwurf abgelehnt habe. Ministerpräsident Ponta erklärte zunächst, dass das Vorhaben nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden könne. Wenig später sicherte er dem Projekt jedoch wieder Unterstützung zu.


Informationen über soziale Netzwerke verbreitet

Die Gegner der Mine, die nicht hierarchisch organisiert sind und keinen offiziellen Führer haben, halten die Öffentlichkeit dagegen regelmäßig über soziale Internet-Netzwerke wie 'Facebook' auf dem Laufenden. Sie marschieren durch Wohnviertel, um die Bevölkerung über die Beweggründe für die Proteste zu informieren.

Ihre Strategie scheint aufzugehen, da am 15. September mehr Menschen als je zuvor zu der Kundgebung in Bukarest erschienen sind. Nachdem sich zunächst vor allem Jüngere den Aktionen anschlossen, sind nun immer mehr Menschen unterschiedlichen Alters dabei. Die Polizei hält sich bei den Demonstrationen im Hintergrund.

"Es ist sehr interessant, dass der Wunsch, die Umwelt zu schützen, die Revolte in Gang gesetzt hat", meint Claudiu Craciun, der an den Protesten teilgenommen hat. "Inzwischen geht es aber um viel mehr, nämlich auch um das Recht der Bürger, ihr Eigentum zu behalten und um unsere Pflicht, ein Erbe zu schützen, dass auch der ganzen Welt und den kommenden Generationen gehört." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=dUi8YYMhSgY
http://www.mmediu.ro/protectia_mediului/rosia_montana/pdf/memoriu_prezentare.pdf
https://www.facebook.com/unitisalvam?ref=ts&fref=ts
http://www.ipsnews.net/2013/09/street-power-takes-on-gold/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2013