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PROTEST/095: Brasilien - Widerstand gegen geplanten Mega-Hafenkomplex in Bahia (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. April 2015

Brasilien: Widerstand gegen geplanten Mega-Hafenkomplex in Bahia

von Fabiola Ortiz


Bild: © 'Instituto Nossa Ilhéus'

Die Stadt Ilhéus im nordostbrasilianischen Bundesstaat Bahia
Bild: © 'Instituto Nossa Ilhéus'

Rio de Janeiro, 27. April (IPS) - Mit Protesten und Gerichtsverfahren ziehen Umweltschützer und Anrainer derzeit gegen den geplanten Bau eines fast 50 Quadratkilometer großen Hafenterminals im nordostbrasilianischen Bundesstaat Bahia zu Felde.

'Porto Sul' soll zu Kosten von 2,2 Milliarden US-Dollar in Aratiguá am Stadtrand von Ilhéus gebaut werden. In der Nähe verläuft die so genannte Kakaoküste mit ihren langen Traumstränden. Die Bewohner der Region leben seit jeher vom Tourismus und von der Kakaoproduktion.

Die Gerichte haben bereits vier Vorsorgemaßnahmen angeordnet. Doch Gegner aus den Reihen der Zivilgesellschaft sind fest entschlossen, mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln den Mega-Hafen aufzuhalten.

Der Porto-Sul-Komplex wird mit öffentlichen Mitteln aus einem staatlichen Programn zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums finanziert. Der Bau des Tiefseehafens und des Terminals soll in Spitzenzeiten etwa 2.500 Jobs in der wirtschaftlich schwachen Region schaffen.


Umweltfolgen von ungekanntem Ausmaß erwartet

Anwohner und Sozialverbände leisten jedoch entschiedenen Widerstand, weil sie ökologische Auswirkungen von einem bislang beispiellosen Ausmaß befürchten. Kritiker nennen das Projekt in Anspielung auf einen riesigen Staudamm, der am Xingú-Fluss im nordbrasilianischen Amazonasstaat Pará entsteht, 'Belo Monte von Bahia'. Das Kraftwerk soll nach seiner Fertigstellung die weltweit dritthöchste Stromproduktionskapazität haben.

Laut den Umweltaktivisten in Bahia gefährdet der Hafenterminal einen ökologischen Korridor, der zwei Naturschutzgebiete miteinander verbindet. In dem 93 Quadratkilometer großen Nationalpark 'Sierra de Conduru' ist eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten heimisch. Auch der 4,4 Quadratkilometer große Stadtpark 'Boa Esperança' in Ilhéus ist ein Refugium für zahlreiche, auch seltene Spezies.

"Die Terminalbaupläne sind Ausdruck einer gravierenden Respektlosigkeit gegenüber dem regionalen Tourismus und Umweltschutz", protestiert die Aktivistin Maria Mendonça, Vorsitzende des 'Instituto Nossa Ilhéus' ('Institut Unser Ilhéus').

Nahe der Stadt mit rund 180.000 Einwohnern verläuft die längste Küste von Bahia, die unter anderem Schauplatz vieler Romane des brasilianischen Schriftstellers Jorge Amado ist. Eine im Jahr 2013 durchgeführte Umweltverträglichkeitsstudie hat 36 mögliche Negativfolgen, die in 42 Prozent der Fälle nicht verhindert werden können, aufgezeigt. Unter anderem werden die Bauarbeiten Wale und Delphine vertreiben und Lebewesen vernichten, die auf dem Meeresgrund leben.

Aratiguá, das Zentrum des künftigen Hafens, sei reich an Fischbeständen, berichtet Mendonça. Im Umkreis lebten mehr als 10.000 kleine Fischer davon, an einer etwa zehn Kilometer langen Küste ihre Netze auszuwerfen. Im Zuge des Bauprojekts sollen geschätzte 100 Millionen Tonnen Erde in die ökologisch fragile Region gebracht werden.

Der Umweltaktivist Ismail Abéde ist einer von etwa 800 Einwohnern der Küstengemeinde Vila Juerana, die durch das Projekt zum Umzug gezwungen werden. "Die Bodenerosion wird sich auch hier, rund zehn Kilometer von dem Terminal entfernt, bemerkbar machen. Das Meer wird bis zu 100 Meter landeinwärts vordringen", sagt er.

Abéde zufolge war der Hafenkomplex als Teil von 'Pedra de Ferro' geplant, einem gemeinsamen Bergbauprojekt von 'Bahia Mineraçao' (Bamin), einer Niederlassung des brasilianischen Unternehmens 'Eurasian Natural Resources Corporation' (ENRC), und von der afrikanischen Firma 'Zamin Ferrous'.


Bild: © Regierung des Bundesstaates Bahia

Ein Teil des künftigen Hafens von Porto Sul in Aratiguá in der Stadt Ilhéus
Bild: © Regierung des Bundesstaates Bahia

In der Mine soll bis zur Fertigstellung des Megahafens in der Kleinstadt Caetité im Landesinnern jährlich eine Million Tonnen Eisen produziert werden. Danach sollen etwa 20 Millionen Tonnen Eisen jährlich gefördert werden, die auf einer neuen 400 Kilometer langen Eisenbahnstrecke zwischen Caetité und Ilhéus zum neuen Hafen transportiert werden.

'Pedra de Ferro' wird nach Aussagen von 'Bahia Mineraçao' 6.600 Arbeitsplätze schaffen. Die gesamten Investitionen des Unternehmens in das Bergwerk und den Hafenkomplex werden mit etwa drei Milliarden Dollar veranschlagt.

Die Behörden hatten das Bergbauprojekt 2012 für ökologisch unbedenklich erklärt. Eine Betriebslizenz wurde im Juni 2014 vergeben. Die Baugenehmigung für das Hafenprojekt 'Porto Sul' liegt seit 19. September vergangenen Jahres vor. Spätestens im kommenden September sollen die Bauarbeiten beginnen. Ende 2019 soll dann der drittgrößte Hafen Brasiliens seinen Betrieb aufnehmen. Das Umschlagvolumen in den ersten zehn Jahren wird mit 60 Millionen Tonnen angegeben.

Waren sollen den Hafen hauptsächlich auf dem Schienenweg erreichen. Geplant sind außerdem ein nahegelegener internationaler Flughafen, neue Straßen und eine Gaspipeline. Das mit dem Hafen verbundene Projekt 'Pedra de Ferro' erfordert Investitionen im Umfang von 1,5 Milliarden Dollar. Die Eisenerzvorkommen in der Mine werden mit 398 Millionen Tonnen veranschlagt. Diese Menge reicht aus, um das Bergwerk 20 Jahre lang zu betreiben.

"Die Mine ist nicht nachhaltig, und die Eisenbahnlinie verläuft durch Schutz- und Wohngebiete", kritisiert Mendonça. Andere Aktivisten warnen vor einem gewaltigen Staubaufkommen durch die Transporte auf der gesamten Strecke vom Bergwerk bis zum Hafen - mit negativen Folgen für Natur, Kakaopflanzungen und Flüsse.


Enteignungen zugunsten von Privatunternehmen

Abéde kritisiert zudem die Art und Weise, wie die von den Projekten betroffenen Familien informiert wurden. Weder das Unternehmen noch die Behörden hätten einen Dialog mit den Anwohnern gesucht. "Der Staat darf Enteignungen vornehmen, wenn diese dem Wohl der Allgemeinheit dienen, nicht aber zugunsten eines internationalen Privatkonzernes."

ENRC, ein kasachischer Konzern mit Sitz in Astana und London, wurde im November 2013 nach Betrugs- und Korruptionsvorwürfen vom Handel an der Londoner Börse ausgeschlossen. "Wir arbeiten an Berichten für Banken, um diese davon abzuhalten, die Projekte zu finanzieren", erläutert Abéde.

Behördenvertreter in Bahia teilten mit, dass das Umweltamt bereits zehn öffentliche Anhörungen zum Thema abgehalten habe. Eine Fläche von etwa 17 Quadratkilometern soll zu einem Naturschutzgebiet erklärt werden. Alle betroffenen Familien werden angeblich von einem Umsiedlungsprogramm profitieren. Mit Entschädigungszahlungen wurde demnach im ersten Quartal dieses Jahres begonnen. (Ende/IPS/ck/2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/04/megaproyecto-portuario-en-brasil-amenaza-rica-region-ecologica/
http://www.ipsnews.net/2015/04/planned-mega-port-in-brazil-threatens-rich-ecological-region/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2015

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