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RESSOURCEN/007: Eisschmelze in der Arktis ermöglicht Zugang zu begehrten Ressourcen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Januar 2012

Klima: Eisschmelze in der Arktis ermöglicht Zugang zu begehrten Ressourcen

von Stephen Leahy


Uxbridge, Kanada, 17. Januar (IPS) - China, Brasilien und Indien bemühen sich derzeit um einen Sitz im Arktisrat. Durch die globale Erwärmung tun sich für den Schiffsverkehr und den Ressourcenabbau in den riesigen Weiten der Region neue Möglichkeiten auf. Experten appellieren an Kanada, seine Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr zu nutzen, um Wildwestverhältnisse in der ökologisch sensiblen Region zu verhindern.

Befürchtet wird, dass zu Anfang des 21. Jahrhunderts ein internationales Gerangel um die Arktis stattfinden könnte. Auch wenn nicht-arktische Länder keine Territorialansprüche erheben, versuchen sie dennoch wirtschaftlich und politisch Einfluss auf die Region zu nehmen. China verfügt in der norwegischen Arktis bereits über eine Forschungsstation und baut an einem 8.000 Tonnen schweren Eisbrecher.

Kanada habe die Gelegenheit, zu einer einflussreichen Arktismacht aufzusteigen, die den Warnungen der indigenen Bewohner mehr Gewicht verleihen könnte, meinte Tony Penikett, der ehemalige Ministerpräsident von Yukon, einer der drei kanadischen Arktisregionen.

Der einflussreiche zwischenstaatliche Arktisrat war ursprünglich eingerichtet worden, um die internationale Zusammenarbeit im äußersten Norden zu fördern. Er wird sich künftig einigen großen Herausforderungen wie dem Zuwachs des transarktischen Schiffsverkehrs, dem Ressourcenabbau und dem ohnehin schon durch den Klimawandel angeschlagenen Schutz der fragilen Region stellen müssen.


Indigene als Ratsmitglieder

Der Rat ist ein in seiner Zusammensetzung bislang einzigartiges Gremium, das die sechs indigenen Arktisvölker ebenso als ständige Mitglieder anerkennt wie die acht arktischen Länder Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden und die USA. Allerdings sind ausschließlich die Staaten stimmberechtigt. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, die Niederlande und Spanien verfügen über einen Beobachterstatus.

Dispute zwischen den arktischen Staaten sind selten, und der Rat fungiert als wichtige Diskussionsplattform. Russland und Norwegen konnten sich 2010 auf ein Grenzabkommen für die Barentssee einigen. Andere Territorialstreitigkeiten etwa zwischen Russland, Dänemark und Kanada über Rechte auf Teile des Lomonosow-Rückens werden durch das Seerechtsabkommen geklärt.

Penikett zufolge tut sich der Rat derzeit schwer mit der Entscheidung, ob er mehr nicht-arktische Länder zulassen soll. Die Europäische Union, andere europäische Staaten, Japan und Südkorea haben bereits ihr Interesse an einem Beobachterstatus angedeutet.

Russland und Kanada widersetzen sich jeder weiteren Expansion. Indigene Gruppen sind ebenfalls gegen die Ausweitung, sie fürchten einen Einflussverlust innerhalb des Gremiums.

"Eine Expansion würde dem Rat ein stärkeres Gewicht verleihen", meinte hingegen Michael Byers, Professor für globale Politik und internationales Recht an der Universität von British Columbia. "Andere Staaten mit legitimen Interessen auszuschließen, wird nur Spannungen verursachen."

Im letzten Sommer hatte der russische Massengutfrachter Wladimir Tichonow die 5.500-Kilometer lange Nordostpassage durchquert, die auch als Russlands Nördliche Seeroute bekannt ist. Sie verringert die Entfernung zwischen Europa und Asien um Tausende von Kilometern. Bisher müssen die Schiffe den Umweg über den Panama-Kanal nehmen.

Die Durchfahrt durch die arktischen Gewässer wird jedoch noch lange ein viel zu gefährliches Unterfangen bleiben. Im letzten Monat versenkte ein Sturm eine schwimmende russische Bohrinsel. Der Unfall kostete 53 Arbeitern das Leben. Glücklicherweise konnte die Anlage rechtzeitig in den Hafen verbracht und das Auslaufen von Öl verhindert werden.

Der Arktisrat hat ein neues Such- und Rettungskooperationsabkommen auf den Weg gebracht. Doch Sara French, Arktis-Expertin bei der Walter-und-Duncan-Gordon-Stiftung, kritisiert, dass darin der Umgang mit Ölunfällen nicht geregelt ist. Auch enthalte der Vertrag keine Umweltsicherheitsstandards für die Öl- und Gasförderung.

Wie die Expertin betonte, hat die Indigenenorganisation 'Inuit Circumpolar Council' das Thema aufgebracht und Regeln zum Schutz der Umwelt eingefordert. In der Funktion des Ratsvorsitzenden könnte Kanada im nächsten Jahr in arktischen Angelegenheiten eine Führungsrolle spielen und die Stimmen der indigenen Völker stärken.


Klimasünder Kanada

Byers jedoch hält diese Hoffnung unter der derzeitigen Regierung für überzogen. Unter Premierminister Stephen Harper sei Kanada in Sachen Klimapolitik zu einem "Schurkenstaat" verkommen, meinte er. Anstatt dass Kanada seiner im Kiotoprotokoll eingegangenen Verpflichtung nachkomme und seine CO2-Emissionen um sechs Prozent senke, hätten sich diese um 24 Prozent erhöht. Im letzten Monat zog sich die Harper-Regierung zudem aus dem Kiotoprotokoll zurück.

"Kanadas Position im Hinblick auf den Klimawandel gilt als rückwärtsgewandt. Diese Tatsache könnte verhindern, dass Kanada als Ratsvorsitzender gute Arbeit leisten wird", meinte Byers. "Ich fürchte, dass die derzeitige Regierung die einmalige Gelegenheit, sich als effektiver Ratsvorsitzender zu erweisen, ungenutzt verstreichen lässt." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.arctic-council.org/index.php/en/
http://gordonfoundation.ca/sites/default/files/publications/Flyer%20Jan%202012%20Conference%20draft%202.pdf
http://www.inuitcircumpolar.com
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106455

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Januar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2012