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RESSOURCEN/024: Ressourcenhunger hat einen Preis - Unternehmen berechnen Schulden gegenüber der Natur (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. September 2012

Umwelt: Ressourcenhunger hat einen Preis - Unternehmen berechnen Schulden gegenüber der Natur

von Amantha Perera


Umweltschützer protestieren gegen internationale Unternehmen - Bild: © Amantha Perera/IPS

Umweltschützer protestieren gegen internationale Unternehmen
Bild: © Amantha Perera/IPS

Jeju, Südkorea, 20. September (IPS) - Bei internationalen Unternehmen setzt sich offenbar die Erkenntnis durch, dem Planeten Erde etwas schuldig zu sein. Einige Konzerne sind bereits dabei, ihre monetären Schulden gegenüber Mutter Natur auszurechnen.

Für Peter Bakker, Vorsitzender des 'World Business Council for Sustainable Development' (WBCSD), ist die starke Präsenz der Privatwirtschaft auf dem Treffen des Weltnaturschutzbundes (IUCN) vom 6. bis 15. September in der südkoreanischen Stadt Jeju Indikator für die Bereitschaft von Firmen, bei der nachhaltigen Entwicklung künftig eine Rolle zu spielen.

Auf dem historischen Erdgipfel der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro war der WBCSD als Novum begrüßt worden. Er sorgte dafür, dass Vertreter des privaten Sektors an den Umweltdiskussionen teilnahmen. Zwei Jahrzehnte später zeigen sich Multis wie der Zementgigant 'Holcim' und mittelständische Unternehmen wie der Teehändler 'Dilmah' aus Sri Lanka gern von ihrer ökologischen Seite.

Gute Absichten allein reichen aber noch nicht aus, meinen Experten. Bakker zufolge muss die Privatwirtschaft neue Strategien entwickeln, um einen wirklichen Kurswechsel tatsächlich vollziehen zu können. Dazu müssten die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Umwelt die Entscheidungen der Firmenleitungen maßgeblich beeinflussen. "Eine der größten Herausforderungen der Zukunft wird darin liegen, das natürliche Kapital in Zahlen zu fassen", sagte der WBCSD-Chef.

Pavan Sukhdev, Autor des kürzlich erschienenen Buches 'Corporation 2020: Transforming Businesses for Tomorrow's World' ist ebenfalls der Ansicht, dass Firmen den finanziellen Wert der Auswirkungen ihrer Arbeit auf die Natur berechnen sollten. Dies sei im Grunde seit Beginn der Industriellen Revolution überfällig.


Nicht nur Profit, sondern auch sozialer und ökologischer Fortschritt gefragt

Sukhdev fordert neue Richtlinien und Kontrollen, die Unternehmen zwingt, über die Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt Rechenschaft abzulegen. Sie sollten sich nicht damit begnügen, nach Profit zu streben, sondern auch nach menschlichen, sozialen und ökologischen Fortschritten.

Der große Schuh- und Sportbekleidungshersteller Puma ist nach Angaben einer Sprecherin dabei, Methoden zu entwickeln, um die Kosten für die Natur in den Geschäftsberichten darzustellen. Puma beauftragte die Beraterfirmen 'PricewaterhouseCoopers' und 'Trucost' damit, einen 'Environmental Profit and Loss Account' zu erstellen, der zuerst 2011 verwendet wurde. In der ersten Phase wurden die von dem Unternehmen produzierten Treibhausgase und das verbrauchte Wasser beziffert.

Bei der Berechnung kam zunächst heraus, dass die Auswirkungen auf die Umwelt sich im Laufe des Jahres 2010 mit 185 Millionen US-Dollar zu Buche schlugen. Die Folgekosten, die durch Wasserverbrauch und Klimagasemissionen entstanden, wurden mit rund 121 Millionen Dollar veranschlagt. Kalkuliert wurden auch die ökologischen Kosten für die Landnutzung für den Rohstoffabbau, Luftverschmutzung und Müllproduktion, insbesondere in der Vertriebskette.

Puma will künftig auch untersuchen lassen, wie hoch die Folgekosten durch sauren Regen, Smog-Vorstufen und Feinstaub sind. Auch Faktoren wie faire Gehälter, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Beiträge zum Steueraufkommen sollen berücksichtigt werden.

Seit der ersten Untersuchung hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, die Verpackungen seiner Produkte zu 100 Prozent nachhaltig zu gestalten. Bis 2015 soll zudem der Verbrauch von Kohle, Strom und Wasser um ein Viertel reduziert werden.

Puma-Sprecherin Holly Dublin erklärte, dass das Unternehmen nach der UN-Nachhaltigkeitskonferenz 'Rio+20' zahlreiche Anfragen von anderen Firmen erhalten habe, die sich für die Kalkulation der Umweltfolgen interessierten.


Unternehmen in Schwellenländern sollen mitziehen

Bakker sieht auch Unternehmen in aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie Indien, China und Brasilien in der Pflicht. Diese Länder, die zusammen mehr als drei Milliarden Einwohner haben, sollten demnach dezidiert Position beziehen und den Umweltschutz nicht einer raschen ökonomischen Entwicklung opfern.

Bakker ist der Meinung, dass diese Länder den Anschluss an umweltfreundliche Technologien etwa im Mobilfunk- und Festnetztelefonsektor finden können. Sie könnten von Wärmekraft auf Wind- und Solarenergie umsteigen. "Wenn sie das Konsumverhalten der westlichen Welt übernehmen, sind wir in Schwierigkeiten."

Nach Berechnungen des WBCSD sind in den vergangenen 50 Jahren bereits 60 Prozent der weltweiten ökologischen Dienstleistungen geschädigt worden. Untersucht wurden etwa Süßwasserquellen, Nahrung, Klimaregulierung, Flutkontrolle, Wasserklärung und Müllaufbereitung, wie aus dem in Jeju von dem Rat veröffentlichten Bericht 'Biodiversity and Ecosystem Services: Scaling Up Business Solutions' hervorgeht. Die allein durch Entwaldung entstehenden Umweltkosten werden mit zwei bis fünf Billionen Dollar pro Jahr beziffert. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.wbcsd.org/Pages/EDocument/EDocumentDetails.aspx?ID=14923&NoSearchContextKey=true
http://www.iucnworldconservationcongress.org/
http://www.business-biodiversity.eu/default.asp?Menue=186&News=1018
http://www.ipsnews.net/2012/09/companies-calculate-their-debt-to-planet-earth/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2012