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URBAN/043: Stadtentwicklung bei Überflutung - Wie Städte Raum für Wasser schaffen können (idw)


Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund / Institut Ranke-Heinemann, 07.12.2018

Stadtentwicklung bei Überflutung: Wie Städte Raum für Wasser schaffen können


In Küstenstädten wird es wegen des Klimawandels immer häufiger zu Überflutungen kommen. Daher muss die Menschheit lernen, in Einklang mit dem Wasser zu leben. Es bieten sich naturnahe Lösungen an.

Die Siedlungen an den australischen Küsten sind den Einflüssen des Klimawandels stark ausgesetzt. Städte, die widerstandsfähig gegenüber den klimatischen Bedingungen sind und mit großen Wassermassen umgehen können, müssen daher in Zukunft Standard werden.

Laut der Wissenschaftlerin Elisa Palazzo Dozentin am Fachbereich Urban and Landscape Design der University of New South Wales in Sydney, zeigt die Forschung deutlich, dass das Klima immer unsteter wird. Wetterereignisse wie die Sturzflut in Sydney vor einer Woche werden öfter und extremer vorkommen, während die Zeitspanne zwischen den Vorfällen immer kürzer werden wird. Mit einem höheren Meeresspiegel und regelmäßigen Überflutungen werden Wasserlandschaften ein Teil unseres städtischen Lebens werden.

Die meisten australischen Städte befinden sich in Küstennähe oder in der Nähe von Flüssen. Ob wir es schaffen, die globale Erderwärmung bei unter 1,5°C zu halten oder nicht: die Mehrheit der australischen Bevölkerung wird bald in einer Überschwemmungszone leben.

Perspektivenwechsel: Regenwasser als Ressource, nicht als Abfall

Den Wasserkreislauf zu verstehen, ist eine Möglichkeit, eine positive Beziehung zwischen natürlichen Prozessen, Pflanzen und Menschen zu schaffen. Wir können lernen, Überschwemmungen als regeneratives Element anzusehen, das das Leben auch im städtischen Umfeld verbessern kann.

Für eine lange Zeit hat die Stadtplanung die Möglichkeiten übersehen, die das Regenwasser in städtischen Systemen bietet. Nun muss die Abkehr von dem Gedanken, Regen als zu entsorgenden Abfall anzusehen, überwunden werden. Stattdessen sollte es als nicht-erneuerbare Ressource angesehen werden, die geschützt und wiederbenutzt werden kann.

Diese Veränderung im Umgangs mit Regenwasser ist in einigen städtebaulichen Vorreiterprojekten bereits sichtbar. Städte wie New York, New Orleans und Kopenhagen beginnen nach den Überschwemmungen der vergangenen Jahre bereits mit der Umstrukturierung. Dort verändern städtebauliche Maßnahmen radikal die Art, wie Räume genutzt, erlebt und wahrgenommen werden.

Innovative Strategien verstehen Überflutungen eher als natürlichen Prozess, mit dem gearbeitet werden muss, denn als Prozess, gegen den man standhalten muss. Unstrukturierte, sanfte und auf der Natur basierende Lösungen sollen in Zukunft technisch entwickelte Maßnahmen ersetzen. Diese Projekte nutzen den Klimawandel für sich, um Vorteile für die Bewohner zu entwickeln.

Platz für Wasser schaffen

Die Idee, mit Wasser Hochwasserschutz mit natürlichen Mitteln zu betreiben, wurde schon vielfältig erforscht. Die Ergebnisse lassen sich in vier Strategien einteilen:

Schwammräume und sicheres Ablassen des Wassers: Ein Netzwerk kleiner und mittlerer Grünflächen absorbiert und speichert überschüssiges Wasser. Nahezu alle Freiflächen einer Stadt, beispielsweise Hausdächer, können Teil eines dezentralen "Off-Grid"-Systems sein.

Die Kopenhagener Kampagne zur klimabeständigen Nachbarschaft zielt darauf ab, zumindest 20 Prozent der öffentlichen Fläche als eine Art Schwamm zu nutzen, um Sturzfluten in innerstädtischen Gebieten zu reduzieren. Kontrolliertes Fluten eines Teils dieses Systems vermeidet Wasserprobleme an anderen Stellen, zum Beispiel auf Straßen. Diese "safe to fail"-Orte können zahlreiche weitere Funktionen übernehmen und den Menschen in trockenen Zeiten zur Erholung zur Verfügung gestellt werden.

Design für Variabilität: Die Prozesse des Wassers ändern sich mit der Saison. Die Gestaltung von Wohnsiedlungen sollte diese Veränderbarkeit reflektieren. Ein besseres Verständnis der Prozesse der Natur innerhalb einer Stadt führt zu neuem Design, das neben ökologischen Vorteilen auch den räumlichen Ausdruck verändert. Eine interessante Erneuerung in der Stadtplanung ist die veränderte Gestaltung, die die vormals starren Formen ersetzt. Eine Auswahl verschiedener Pflanzen und Erdsubstraten unterstützt die Variabilität in der räumlichen Gestaltung. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Biliancourt Park in Frankreich, in dem Wasser dafür sorgt, dass die Größe der Gärten sich je nach Pegelstand immer wieder verändert.

Verschwende es nicht: Regenwasser ist eine kostbare Ressource, die genutzt werden sollte. Undurchlässiger Boden und Dachoberflächen können Regenwasser auffangen und für eine spätere Benutzung - etwa zur Bewässerung, zum Waschen oder für die Toilettenspülung - speichern. Der Prozess ist einfach und benötigt keine spezielle Technologie. Das gilt besonders für das Wasser vom Dach, denn es ist rein genug, um so, wie es aufgefangen wird, genutzt zu werden.

Lass es durchsickern: Pflastersteine lassen das Wasser in den Grund sickern und so dem Grundwasser zuführen. Durchlässige Böden erhalten den natürlichen Wasserkreislauf und erlauben einen Feuchtigkeitsaustausch zwischen der Luft und der Erde. Zudem sorgt dies für eine Abkühlung der Stadt im Sommer und zudem für eine angenehme Wohnumgebung.

Um die Anzahl der undurchlässigen Böden zu reduzieren, sollte die Anzahl der herkömmlichen Straßen und Parkplätze durch Gras oder wasserdurchlässige Untergründe ersetzt werden. Dort, wo es dennoch nötig ist, Boden zu pflastern, sollte ein Filtersystem eingebaut werden, um die Verunreinigung des Regenwassers möglichst gering zu halten.

Eine große, kollektive Anstrengung ist nötig

Die Umsetzung dieser Strategien zur Vermeidung von Überschwemmungen in privaten und öffentlichen Gebieten ist schwierig. Sie erfordert eine kollektive Anstrengung.

Forschung zu städtischer Klimaadaption zeigt, dass der Prozess dieser Umgestaltung oft ein hierarchischer Prozess ist. Programme zum Wiederaufbau nach Hochwasserschäden wurden in der Vergangenheit nur selten von den Regierungen als Möglichkeit gesehen, auf die Bedürfnisse der lokalen Kommunen einzugehen.

Es werden gemeinsame Entscheidungen zum Wassermanagement benötigt, um die Lebensbedingungen der Bewohner an das sich schnell ändernde Klima anzupassen. Neue Herausforderungen können zu Chancen werden, wenn Umweltziele mit Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit gepaart werden.

Die Umsetzung von Maßnahmen zur Anpassung an das Hochwasser werde noch immer nur sporadisch umgesetzt. Sie beschränkt sich oft auf zentralisierte Feuchtbiotope in großen Parks und Gärten. Es wird ein kapillar-ähnliches Netzwerk benötigt, welches Städte mit hoher baulicher Dichte mit kleinen bis mittleren naturbasierten Maßnahmen durchsetzt.

Bislang gibt es keinen Beweis dafür, dass die Vorteile dieser Systeme effektiv genug sind, um massive Überflutungen zu vermeiden. Deswegen müssen diese Maßnahmen systematisch getestet und überwacht werden. Wir müssen anfangen, uns Fragen zu stellen: Was wäre, wenn jedes Hausdach eine bepflanzte Oberfläche hätte, wenn jeder Gehweg Regenwasser auffangen und speichern würde, wenn jeder Park ein Regengarten wäre?

Wir müssen dieses Wissen dringend anwenden, denn wenn wir nicht schnell lernen, wie wir mit Wasser in Städten umgehen, wird das Wasser sie in der Zukunft noch härter treffen.

Der Artikel wurde am 4. Dezember 2018 im "The Conversation" veröffentlicht.



Weitere Informationen:
Institut Ranke-Heinemann /
Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund
Pressestelle Friedrichstr. 95
10117 Berlin
Email: berlin@ranke-heinemann.de

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Originalpublikation:
https://theconversation.com/design-for-flooding-how-cities-can-make-room-for-water-105844

Weitere Informationen finden Sie unter
http://https//www.ranke-heinemann.de

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news707593
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution705

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund / Institut Ranke-Heinemann, 07.12.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2018

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