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WASSER/043: Zentralasien - Rückschläge bei der Wasserversorgung, Alleingänge kommen Staaten teuer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2011

Zentralasien: Rückschläge bei der Wasserversorgung - Alleingänge kommen Staaten teuer

von Christopher Pala

Von Partnerschaft bei Strom- und Wasserversorgung keine Spur - Bild: © Christopher Pala/IPS

Von Partnerschaft bei Strom- und Wasserversorgung keine Spur
Bild: © Christopher Pala/IPS

Almaty, Kasachstan, 18. November (IPS) - Dass ein Heer von Geberländern, die seit 20 Jahren in die gemeinsame Wassernutzung der zentralasiatischen Staaten investieren, so wenig erreichen konnte, hat Seltenheitswert. Die Zusammenarbeit zwischen den Nachbarn der Region nimmt nicht zu, sondern ab.

Auch wenn die Frage der Wasserzuteilung in vielen Teilen der Welt ein Problem darstellt - etwa an Donau und Nil - ist die Situation der zentralasiatischen Länder speziell. Diese haben nämlich vor 20 Jahren die Erfahrung gemacht, dass sich eine faire Wasserpartnerschaft sowohl für die wasserreichen als auch für die wasserarmen Länder auszahlt.

"Anstatt auf eine Win-Win-Situation zu setzen, stecken die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion unabhängigen zentralasiatischen Staaten nun in einer Lose-Lose-Situation", meint der usbekische Berater Iskandar Abdullajew.

In der meerfernen Region sind Niederschläge selten. Der meiste Regen geht über dem Pamir-Gebirge nieder, von wo aus die beiden größten Flüsse der Region ihren Weg Richtung Osten einschlagen. Sowohl der Amu Darja als auch der 100 Kilometer südlich entspringende Sir Darja münden in den Aralsee. Dass der Großteil des Wassers für die Landwirtschaft verwendet wird, hat dazu geführt, dass der nördliche Teil des Aralsees ausgetrocknet ist.

Mit dem Ziel vor Augen, das Wasser der Flüsse für die Bewässerung der Landwirtschaft zu nutzen, hatten die sowjetischen Behörden ein Bataillon von Dämmen am Sir Darja angelegt. Da Kirgisistan am Oberlauf des Flusses liegt, ist es gegenüber den stromabwärts gelegenen Ländern Usbekistan und Kasachstan im Vorteil. Die Dämme waren zudem mit Strom produzierenden Turbinen ausgestattet, die Kirgisistan mit preiswertem Strom versorgten.


Lohnender Tausch

Jahrzehnte lang sorgte das im Sommer in die Stauseen einlaufende Schmelzwasser dafür, dass der Wassernachschub gewährleistet und auch die usbekischen und kasachstanischen Felder bis in den Frühling hinein bewässert werden konnten. In der Winterzeit half Usbekistan den Kirgisen mit seinen reichlich vorhandenen Gas- und Kohlevorräten aus.

Doch nach der Unabhängigkeit stoppte Usbekistan die Lieferung seiner Heizmaterialien, was wiederum Kirgisistan nötigte, auch im Winter auf Wasserkraft zurückzugreifen. Ein großer Teil des Winterwassers versickerte ungenutzt in der Usbekischen Wüste. Aufgrund der hohen Wasserverluste sah sich Usbekistan in der Situation, nicht mehr alle seine Agrarflächen bewässern zu können. Ein Viertel des Farmlands ist inzwischen unfruchtbar.

Derweil arbeitet Tadschikistan an der Fertigstellung eines zwei Milliarden US-Dollar teuren Wasserkraftwerks an einem Zufluss des Amu Darja. Der sogenannte Rogun-Damm soll 3.600 Megawatt Strom produzieren - sechs Mal so viel wie ein Kohlekraftwerk.

Sowjetische Ingenieure hatten den Damm ursprünglich so konzipiert, dass er das Wasser für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen reguliert. Doch nun soll er vordergründig Exportstrom generieren. Das heißt, dass eine optimierte Freisetzung von Wasser zum Wohl der usbekischen Landwirtschaft nicht mehr gegeben ist.

Nachdem das Vorhaben auf usbekischer Seite heftige Proteste ausgelöst hatte, beantragte Tadschikistan bei der Weltbank einen weichen Kredit für die Erstellung mehrerer Machbarkeitsstudien. "Wir werden keine Entscheidung treffen, solange die Untersuchungen nicht abgeschlossen sind", versicherte unlängst der tadschikische Wasserminister Rachmat Bobokalonow. Und Weltbankwasserexperte Daryl Fields fügte hinzu, dass es zu früh sei, um sich zu den Ergebnissen zu äußern.


Langzeitschäden

Sollte der Damm fertiggestellt und vorrangig für die Stromproduktion genutzt werden, hätte dies nach Ansicht von Wadim Sokolow von der zentralasiatischen Zwischenstaatlichen Kommission für Wasserkoordinierung (ICWC) verheerende Folgen. So würden weitere Teile des usbekischen Farmlands vernichtet und die Feuchtgebiete im ehemaligen Mündungsgebiet des Amu Darja geschädigt.

Der Rogun-Damm ist ein gutes Beispiel für die derzeitigen Bemühungen der zentralasiatischen Länder, sich von ihren Nachbarn unabhängig zu machen. Doch Sokolow zufolge verlangt eine solche Strategie Usbekistan kostspielige Investitionen in Methoden ab, Wasser auch im Winter speichern zu können.

Darüber hinaus sahen sich die Länder plötzlich zum Bau neuer Straßen zu den Grenzübergängen gezwungen, nachdem alle übrigen Übergänge geschlossen worden waren. Hinzu kommt, dass die erhöhte Stromnachfrage im Winter die ohnehin maroden kirgisischen und tadschikischen Energienetze weiter belastet und Stromausfälle begünstigt.

"Selbst kirgisische Bauern leiden", meinte Sokolow. "Sie konnten 2008, einem sehr trockenen Jahr, nur 60 Prozent ihres Wasserbedarfs decken. Damit standen sie schlechter als die usbekischen Bauern da, die im gleichen Jahr 70 Prozent ihres Wasserbedarfs decken konnten."

1998 hatten die vier Länder auf Initiative der USA ein Abkommen unterzeichnet, in dem sie sich für eine Rückkehr zum sowjetischen Modell entschieden: So sollten Usbekistan und Kasachstan als Gegenleistung für die Freisetzung von Wasser im Frühling und Sommer Kirgistan und Tadschikistan mit Strom, Kohle und Gas versorgen.

Doch die stromabwärts gelegenen Länder haben in den letzten drei Jahren nur einen Teil des Deals erfüllt, während sich die Länder am Oberlauf gezwungen sahen, im Winter das Wasser in ihren Stauseen für den fortgesetzten Betrieb ihrer Wasserturbinen zu verwenden.

Der Klimawandel wird die bestehenden Probleme noch weiter verschärfen. Abgesehen von den Gefahren, die die Gletscherschmelze mit sich bringt, bedeuten wärmere Temperaturen einen höheren Verdunstungsgrad, was wiederum zu einer weiteren Verringerung des Wassers für Bewässerungszwecke führen wird. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.icwc-aral.uz/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105889

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2011