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WASSER/256: Gute Unternehmensführung im Wasserwerk à la VEOLIA und China? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1142, vom 30. März 2019 - 38. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Gute Unternehmensführung im Wasserwerk à la VEOLIA und China?


Noch ziemlich undurchsichtig sind die Hintergründe, die Frankreich und China veranlasst haben, gemeinsam ein neues Normungsprojekt zu "Governance and service to users" im Technischen Komitee (TC) 224 der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) zu beantragen. Zumindest auf Stirnrunzeln bei deutschen Beobachtern der ISO-Szenerie ist die Absicht gestoßen, dass ein VEOLIA-Vertreter aus Frankreich den Vorsitz in diesen Normungsprojekt übernehmen soll. Ferner war vorgesehen, dass eine Chinesin als Covorsitzende fungieren und eine Australierin die Geschäftsführung übernehmen sollte. Die vorgesehene Geschäftsführerin war ehemals Mitarbeiterin der Regulierungsbehörde in Australien und ist inzwischen Mitarbeiterin eines Ingenieurbüros. Regulierungsbehörden - wie beispielsweise OFWAT in England und Wales - haben bei deutschen Wasserwerkern per se keinen guten Ruf (s. RUNDBR. 782/1-2).

Staunend wird gefragt, was denn die gemeinsamen Interessen von China und Frankreich sein könnten, wenn es um die Normung der Corporate Governance bei Wasserversorgern geht. Da erwacht sofort wieder das Misstrauen gegenüber VEOLIA. Sollen da Konzerninteressen von VEOLIA über die Normung umgesetzt werden? "Das ist Firmenpolitik - sonst würde VEOLIA nicht seine Leute dahin schicken", so eine Meinung. Spekuliert wird, dass sich VEOLIA via ISO einen Unternehmensleitfaden stricken will, der passgenau auf die Konzernleitlinien von VEOLIA zugeschnitten werden könnte. Das Renommee, praktisch zu 100 Prozent einem ISO-Leitfaden zu entsprechen, könnte VEOLIA dann wieder behilflich sein, weltweit weitere Betriebsführungen im Wasser- und Abwassersektor zu akquirieren.

Gute Unternehmensführung in Wasserbetrieben à la Dänemark

Bei dem französisch-chinesischen Zusammenspiel in der ISO irritiert zudem, dass die treibende Kraft hinter dem Normungsprojekt die dänische Siedlungswasserwirtschaft sein soll. In Dänemark sind die ehemals kommunalen Wasserbetriebe ab dem Jahr 2010 in eigenständigen Aktiengesellschaften umgewandelt worden, was jetzt zu ungeklärten Schnittstellen mit den Wasserbehörden und insbesondere mit den kommunalen Aktionären geführt hat. (In Deutschland wird dieses Modell "formale Privatisierung" genannt.) Insofern hätten die Unternehmensführungen der jetzt autonomen Trinkwasserver- und Abwasserentsorger in Dänemark Interesse an einer ISO-Norm, die eine "good governance" in der Siedlungswasserwirtschaft regelt - also Spielregeln zwischen den Behörden und den kommunalen Aktionären einerseits und den Unternehmensführungen andererseits festlegt. Die dänische Siedlungswasserwirtschaft hat hierzu bereits einen Kodex ausgearbeitet, der voraussichtlich als Vorlage für den geplanten ISO-Leitfaden dienen wird. Der Kodex soll verhindern, dass es zu Reibereien zwischen den Unternehmensleitungen und den kommunalen Aktionären kommt. Ferner soll der Kodex dazu beitragen, "Zweifel hinsichtlich der Legitimität der Aufgabenwahrnehmung" durch eine kommunal beherrschte Aktiengesellschaft auszuräumen.

Good governance im Wassersektor à la OECD

Der zuvor genannte dänische Kodex lehnt sich wiederum eng an die zwölf Prinzipien zur good governance im Wassersektor der OECD an. Die OECD hat sich bereits früher den Schnittstellenproblemen angenommen, die sich u.a. daraus ergeben, dass die Vorstände von kommunal beherrschten Aktiengesellschaften damit beginnen, selbständiger zu agieren, als es den kommunalen Aktionären lieb ist. Zur Implementierungsstrategie der zwölf OECD-Prinzipien, die am Weltwassertag 2018 (21.03.18) in Brasilia auf dem 8. Weltwasserforum veröffentlicht worden war, siehe:
http://www.oecd.org/governance/implementin g-the-oecd-principles-on-water-governance-9789264292659-en.htm

Unter diesem Link sind auch die - u.a. in deutscher Sprache veröffentlichten - zwölf Prinzipien der OECD aus dem Jahr 2015 herunterladbar. Die 23seitigen "OECD-Grundsätze zur Wassergovernance" sind u.a. unterschrieben von VEOLIA, SUEZ und dem französischen Strommonopolisten EdF sowie von vielen weiteren Unternehmen und Organisationen - so u.a. auch vom WWF und von Transparency International. Zu den oben genannten Schnittstellenproblemen heißt es in dem durchaus lesenswerten OECD-Papier.

"Die Länder haben die zunehmend komplexen und ressourcenintensiven Zuständigkeiten (für die Wasserver- und die Abwasserentsorgung) in unterschiedlichem Maße auf nachgeordnete Gebietskörperschaften übertragen, was zu Interdependenzen zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen führt, die koordiniert werden müssen, um die Fragmentierung zu verringern."

Wie der dänische Kodex soll auch die geplante ISO-Norm (mit dem Charakter eines Leitfadens) die Rollen und Verantwortlichkeiten beschreiben, die den Unternehmensführungen einerseits und den Behörden, den kommunalen Aktionären und der interessierten Öffentlichkeit ("Stakeholder") andererseits zukommt. Ferner soll der Ablauf von Entscheidungsprozessen zwischen diesen Akteuren vor dem Hintergrund von politischen, institutionellen und administrativen Regularien festgelegt werden. Dazu gehöre auch die Berücksichtigung der Sustainable Development Goals (SDG) und der Auswirkungen des Klimawandels auf die Siedlungswasserwirtschaft (Dürre und Hochwasser).

Lieber Betriebsführung als Privatisierung

Zumindest verbal beteuern die Antragsteller für die neue ISO-Norm 23638, dass in dem Leitfaden nicht zur Privatisierung von Wasser- und Abwasserbetrieben angeregt werden soll. Allerdings wäre nach unserer Einschätzung eine "Privatisierungs-Norm" auch gar nicht das Interesse von VEOLIA & Co.: Die französischen Umweltdienstleistungsmultis verdienen ihr Geld weltweit überwiegend mit Betriebsführungen. Insofern ist davon auszugehen, dass das jetzt beantragte Normungsprojekt auch das Zusammenspiel von Betriebsführern und kommunalen Auftraggebern beschreiben wird. Wenn VEOLIA-Mitarbeiter den Vorsitz in dem Normungsausschuss übernehmen, kann man vermuten, dass die Regeln für Betriebsführungen in der ISO 23638 zu den Konzerninteressen von VEOLIA & Co. zumindest nicht in Kontrast stehen werden. Zur Erarbeitung der ISO/NP 23638 wird voraussichtlich eine neue Workinggroup im TC 224 eingerichtet werden. Inzwischen wurde der Normungsantrag umgetauft und heißt jetzt aktuell "ISO NP 23638 Prinziples of effective corporate governance of water utilities".

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1142
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2019

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