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BERICHT/038: Weltklimarat - Es ist noch nicht zu spät (DGVN)


DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen


Vereinte Nationen & int. Organisationen - 14.04.2014

"Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten"
Bericht des Weltklimarates IPCC zeigt Wege zu einer Begrenzung des globalen Klimawandels auf

von Frank Kürschner-Pelkmann [1]



Es ist noch nicht zu spät. So lautet die zentrale Aussage des dritten Teils des fünften Sachstandsberichtes des Weltklimarates IPCC [2] (Intergovernmental Panel on Climate Change), der am 13. April 2014 in Berlin präsentiert wurde.

Noch kann der globale Klimawandel auf ein handhabbares Maß begrenzt werden, wobei aber die bisher angekündigten Reduktionsziele einzelner Länder dafür nicht ausreichen. Mehr Klimaschutz ist unverzichtbar. Der IPCC-Bericht trägt deshalb den Titel "Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change" (Klimawandel 2014: Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels).

Nach einwöchigen Debatten hat die Arbeitsgruppe 3 des Weltklimarates die Ergebnisse ihrer mehrjährigen Arbeit in einer "Summery for Policymakers" (Zusammenfassung für Entscheidungsträger) formuliert. Diese Kurzfassung wird eine sehr viel größere politische Wirkung erzielen als der in Kürze erscheinende ausführliche Sachstandbericht von etlichen Hundert Seiten mit fast 10.000 Fußnoten. Entsprechend kontrovers rangen Wissenschaftler und Regierungsvertreter aus allen Teilen der Welt in Berlin um einzelne Formulierungen in dieser Zusammenfassung.

Mehrere Hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen haben fast 1.200 veröffentlichte Szenarien für die sozioökonomische Entwicklung der Welt und die Auswirkungen des globalen Klimawandels sowie zahlreiche weitere wissenschaftliche Beiträge ausgewertet und bewertet. Die Ergebnisse sind in den IPCC-Sachstandsbericht eingeflossen. Daraus ist erkennen, welche absehbaren Auswirkungen bestimmte Maßnahmen zum Klimaschutz beziehungsweise eine Untätigkeit auf klimarelevanten Gebieten haben können.

"Der neue Bericht fordert Entscheidungsträger heraus, weil er ihnen alternative Zukunftsszenarien darstellt und die Wege zu jedem von ihnen aufzeigt. Der einzige sichere Weg voran besteht darin, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu einer CO2-neutralen Welt zu gelangen."
Christiana Figueres, Exekutivsekretärin des UN-Klimasekretariats UNFCCC

Politikern und Verantwortlichen in Unternehmen wird also vermittelt, welche Konsequenzen es hat, bestimmte Optionen zum Klimaschutz zu wählen oder zu verwerfen. Besondere Verantwortung haben die Länder mit hohem Prokopfeinkommen, denn hier sind die klimaschädlichen Emissionen je Einwohner im Durchschnitt fast zehnmal so hoch wie in einkommensschwachen Ländern.


Gehandelt werden muss jetzt

Die Notwendigkeit, rasch und entschlossen Maßnahmen zum wirksamen Schutz des Klimas zu ergreifen, ergibt sich aus der Perspektive der Klimawissenschaft u. a. daraus, dass die CO2-Emissionen sich von 2000 bis 2010 mit jährlich 2,2 Prozent stärker erhöht haben als in den Jahrzehnten davor. Maßnahmen zum Schutz des Klimas waren also nicht so wirksam, dass sie die zunehmenden klimaschädlichen Emissionen ausgleichen konnten.

Besonders die Zunahme wirtschaftlicher Aktivitäten und der fossilen Energieerzeugung mit Kohle werden hierfür verantwortlich gemacht, zu einem gewissen Grade auch das Wachstum der Weltbevölkerung. Bei einem "weiter so" ist weltweit mit einem Temperaturanstieg von 3,7 bis 4,8 Grad bis zum Jahre 2100 zu rechnen, lassen die zahlreichen ausgewerteten Studien und wissenschaftlichen Beiträge aus aller Welt erwarten.

Der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri verkündete in Berlin mit gewohnter Vorliebe für plakative Formulierungen: "Der Hochgeschwindigkeitszug zur Treibhausgasverminderung muss jetzt schnell abfahren, und die Welt muss darauf aufspringen."

Im IPCC-Bericht wird weiterhin die Möglichkeit gesehen, die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Erforderlich ist hierfür nach Auffassung der international führenden Klimawissenschaftler eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 40 bis 70 Prozent bis zur Mitte des Jahrhunderts und auf fast Null bis zum Ende des Jahrhunderts.

Youba Sokona aus Mali, einer der drei Ko-Vorsitzenden der IPCC-Arbeitsgruppe 3, betonte bei der Präsentation der wichtigsten Ergebnisse des Berichtes in Berlin: "Die Kernaufgabe bei der Begrenzung des Klimawandels ist die Entkoppelung der Treibhausgasemissionen vom Wachstum der Volkswirtschaften und der Bevölkerung."

Die dafür notwendigen Maßnahmen sind nicht unbezahlbar. "Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten." Dies erklärte Ottmar Edenhofer, ein weiterer Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe und stellvertretender Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung [3]. Auch ist nicht mit einem deutlichen Rückgang des Wirtschaftswachstums zu rechnen, wenn die erforderlichen Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden. Bei einem jährlichen Wachstum zwischen 1,6 und 3 Prozent wäre lediglich mit Einbußen von 0,06 Prozentpunkten zu rechnen. Allerdings ist dies nur eine Schätzung, weil die tatsächlichen Kosten schwer zu berechnen sind und von vielen Faktoren abhängen. Unstrittig ist: Je länger gewartet wird, desto höher werden die Kosten.


Erneuerbare Energie gewinnt weiter an Bedeutung

Im IPCC-Bericht werden Veränderungen im Energiebereich als entscheidend für einen erfolgreichen globalen Klimaschutz angesehen, denn hier entstehen mehr als ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen. Damit die erneuerbare Energieerzeugung rascher an Bedeutung gewinnen kann, ist eine Umschichtung der Investitionen im Energiesektor erforderlich. Damit dies gelingt, müssen die Subventionen für die fossile Energieerzeugung reduziert werden. Innerhalb des Bereichs der fossilen Energieerzeugung wird eine stärkere Berücksichtigung des Einsatzes von Gas gegenüber Kohle befürwortet. Wichtige Steuerungsinstrumente für eine globale Energiewende sind eine Umgestaltung der Energiesteuern und ein funktionierender Emissionshandel [4].

Debatten werden zweifellos die Ausführungen im Bericht zur Speicherung von CO2 in der Erde, zum Fracking und zur Atomenergie auslösen. Die Risiken dieser Technologien werden nicht ignoriert, aber es wird ihnen grundsätzlich ein möglicher Beitrag zum Klimaschutz zugesprochen. Unstrittig ist hingegen, dass sehr viel mehr Maßnahmen erforderlich sind, um die Energieeffizienz zu erhöhen und den Energieverbrauch zu vermindern.


Aussichtsreiche Veränderungspotenziale in vielen Sektoren

Im dritten Teil des IPCC-Sachstandsberichts werden neben dem Energiebereich eine ganze Reihe anderer Sektoren benannt, wo wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz dringend erforderlich sind. Dabei wird betont, dass Erfolge bei der Reduzierung der globalen Erwärmung bei umsichtiger Planung einhergehen werden mit Erfolgen bei Armutsbekämpfung, nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung, Verbesserung der Gesundheitssituation und auf anderen Gebieten. Hervorgehoben wird, dass für den Klimaschutz eine Verhaltensänderung der einzelnen Menschen ebenso erforderlich ist wie eine staatliche Klimaschutzpolitik und ein verändertes Handeln von Unternehmen.

Da der Verkehrs- und Transportsektor zu 27 Prozent zum Energieverbrauch beiträgt und eine Verdoppelung der klimaschädlichen Emissionen dieses Sektors bis 2050 befürchtet wird, besteht hier ein großer Handlungsbedarf. Nach Auffassung der IPCC-Experten sind u. a. individuelle Verhaltensänderungen, technische Innovationen und Investitionen in eine klimafreundliche Verkehrsinfrastruktur erforderlich.

Großes Einsparpotenzial beim Energieverbrauch und damit bei klimaschädlichen Emissionen wird beim Bau und der Sanierung von Gebäuden diagnostiziert. Innovationen der letzten Jahre auf technologischem Gebiet und bei der Planung von Gebäuden ermöglichen deutliche Energieeinsparungen und haben zudem ein großes Potenzial dafür, umweltfreundlicher und gesünder zu leben.

In der Industrie werden Einsparungen des Energieverbrauchs um etwa ein Viertel erwartet, wenn auf breiter Basis die verfügbaren Technologien zur Erhöhung der Energieeffizienz und für Energieeinsparung genutzt werden. Die Klimabilanz lässt sich auch dadurch deutlich verbessern, dass der Materialeinsatz vermindert und die Recyclingrate erhöht wird.

In der Land- und Forstwirtschaft werden die Bedeutung einer Beendigung der Waldvernichtung, der Aufforstung sowie der Verminderung der klimaschädlichen Emissionen von Ackerbau und Viehzucht betont. Der Klimaschutz lässt sich mit einer Erhöhung der Ernährungssicherheit und einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung verbinden.


Stimmen aus der Bundesregierung zum Bericht

"Wir müssen jetzt alles daran setzen, im Klimaschutz beherzt voran zu gehen. Deutschland kann dabei eine wichtige Rolle spielen, wenn wir der Welt am praktischen Beispiel zeigen, dass Klimaschutz in einem Industrieland funktioniert." Diese Einschätzung äußerte Bundesumweltministerin [5] Barbara Hendricks nach der Veröffentlichung des Berichtes. Deutschland werde sich in der EU für ein Klimaziel von mindestens 40 Prozent Emissionsreduzierungen bis 2030 einsetzen (ein Ziel, das bisher innerhalb der EU heftig umstritten ist). Deutschland selbst will seinen Treibhausgasausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent vermindern.

"Ein Preis für Treibhausgase ist zentral. Wir brauchen eine grundlegende Reform des Emissionshandels und Preissignale wie Energiesteuern."
Oliver Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, zu den Konsequenzen aus dem IPCC-Bericht

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka [6] zog den Schluss: "Der Bericht der IPCC-Wissenschaftler zeigt: Die Klimaforschung und die Forschung für die Energiewende müssen mit Hochdruck fortgeführt werden." Die Ministerin verwies auf die Programme ihres Ministeriums zur Klimaforschung, vor allem im Rahmen der "Forschungen für Nachhaltige Entwicklungen". Auch international übernehme das Ministerium Verantwortung und dies insbesondere in Regionen, die besonders vom Klimawandel betroffen seien.


Reaktionen von Umwelt- und Klimaschutzorganisationen

"Es wird höchste Zeit, dass Regierungen und Investoren entschieden in Richtung einer CO2-freien Energieerzeugung umsteuern", lautet eine Einsicht von Lutz Weischer, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch [7], aus dem Bericht: "Dazu muss die Bundesregierung sich für ambitionierte EU-Klimaziele für die Zeit nach 2020 einsetzen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Treibhausgas-Einsparungen von 40 Prozent reichen nicht aus. Zudem werden für jedes EU-Mitglied verbindliche Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz benötigt."

"Eine globale Energiewende ist keine Belastung, sie ist eine Chance. Mit minimalen Kosten lassen sich die dramatischsten und teuren Folgen des Klimawandels verhindern", sagte Greenpeace-Klimaexperte [8] Karsten Smid. Hinsichtlich der erneuerbaren Energien stellte er fest: "Das 21. Jahrhunderts hat mit einem Kohlejahrzehnt begonnen, doch es wird sich in das Jahrhundert der Erneuerbaren Energien wandeln."

Sabine Minninger, Klimareferentin bei Brot für die Welt [9], hob hervor: "Der Bericht belegt, dass global ein fundamentaler Wechsel der Energiesysteme notwendig ist. Auch arme Länder müssen die Möglichkeit haben, einen kohlenstoffarmen Entwicklungspfad einzuschlagen und die Nutzung von erneuerbaren Energien auszubauen. Die Industrieländer müssen ihnen dabei helfen und ihrem Versprechen nachkommen, dafür ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung im aktuellen Haushaltsentwurf Mittel für die Klimafinanzierung zusammenstreicht, statt sie auszuweiten."

Weitere Informationen zum dritten Teil des fünften IPCC-Sachstandsberichts finden Sie auf der Website "mitigation2014" [10]. Hier besteht auch die Möglichkeit, die Zusammenfassung des Berichts (auf Englisch) herunterzuladen.

Deutschsprachige Informationen zum Bericht finden Sie auf der Website der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle.[11]


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Kleine Schritte sind wichtig: Biogasgewinnung durch Kuhdung in Indien. UN Photo/Ray Witlin
  • Präsentation des IPCC-Berichtes am Ende von intensiven Debatten der Arbeitsgruppe 3 des Weltklimarates. Foto: Bundesumweltministerium
  • Vorbei die Zeiten, als Hochspannungsmasten wie hier in Korea als Zeichen für wirtschaftliche Entwicklung und Fortschritt galten. Im Lichte des neuen IPCC-Berichtes sind u. a. die Steigerung von Energieeffizienz und vermehrte Energieeinsparung unverzichtbar. UN Photo/Kibea Park


[1] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/leitbild-impressum/
[2] http://www.ipcc.ch/
[3] https://www.pik-potsdam.de/pik-startseite?set_language=de
[4] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/meldung/emissionshandel-2014-neue-projekte-und-alte-probleme/
[5] http://www.bmub.bund.de/
[6] http://www.bmbf.de/
[7] http://germanwatch.org/de/startseite
[8] http://www.greenpeace.de/
[9] http://www.brot-fuer-die-welt.de/home.html
[10] http://www.mitigation2014.org/
[11] http://www.de-ipcc.de/de/200.php

http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/meldung/es-kostet-nicht-die-welt-den-planeten-zu-retten/

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Quelle:
DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen
Vereinte Nationen & int. Organisationen 14.04.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2014