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FORSCHUNG/363: Lachgasproduktion und -konsumption in Fichtenwäldern (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
Ausgabe 1, Mai 2011

Forschung lokal
Lachgasproduktion und -konsumption in Fichtenwäldern bei Bodenfrost und Trockenheit
Nicht nur Kohlendioxid trägt zum globalen Klimawandel bei

von Gerhard Gebauer


Die steigende Konzentration von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre ist die primäre Ursache für den derzeit zu beobachtenden Klimawandel. Treibhausgase absorbieren von der Erdoberfläche abgegebene Wärmestrahlung und reflektieren einen Teil auf die Erdoberfläche zurück. Sie bewirken damit einen Temperaturanstieg. Zu diesen Treibhausgasen gehört insbesondere auch das als Lachgas bekannte Distickstoffmonoxid (N2O). Die Lachgaskonzentration in der Erdatmosphäre ist in den letzten 200 Jahren um 18% gestiegen. Ursachen für diesen Anstieg sind in erster Linie der weltweit kontinuierlich steigende Einsatz von Kunstdünger in der Landwirtschaft, der atmosphärische Eintrag reaktiver Stickstoffverbindungen auch in naturnahe Ökosysteme - wie etwa Wälder - und eine lange Verweildauer von Lachgas in der Atmosphäre. Lachgasmoleküle verbleiben im Durchschnitt 114 Jahre in der Erdatmosphäre, bis sie letztendlich in der Stratosphäre weiter umgesetzt werden.

Nitrat (NO3-) ist die Ausgangssubstanz für die Entstehung von Lachgas in Böden. Unter Sauerstoffmangel benutzen Mikroorganismen das Nitrat im Boden, um es zu Lachgas zu reduzieren. Lachgas kann aber auch von Mikroorganismen als Substrat für einen weiteren Reduktionsschritt zu Distickstoff (N2) benutzt werden. Somit wird Lachgas in einer komplexen Abfolge von mikrobiellen Prozessen in Böden sowohl produziert als auch konsumiert.

Als Folge des globalen Klimawandels werden für die Mittelgebirgsregionen in Mitteleuropa häufigere Frostwechselperioden im Winter und längere Trockenperioden im Sommer mit nachfolgenden Starkregenereignissen erwartet. Im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschergruppe 562 "Dynamik von Bodenprozessen bei extremen meteorologischen Randbedingungen" wurden diese prognostizierten Witterungsextremereignisse während der letzten Jahre in einem Fichtenwald im Fichtelgebirge wiederholt experimentell simuliert. Durch Entfernen der Schneedecke konnte im Winter Bodenfrost bis in 15 Zentimeter Tiefe des Waldbodens induziert werden. Mit Hilfe von Dachkonstruktionen wurden im Sommer Trockenperioden im Waldboden verlängert. Anschließend wurde der Boden Starkregenereignissen ausgesetzt. In einem Teilprojekt der Forschergruppe wurde der Austausch von Lachgas zwischen der Waldbodenoberfläche und der Atmosphäre während der meteorologischen Extremereignisse untersucht. Mit Hilfe verschließbarer Haubensysteme wurde der Lachgasaustausch in regelmäßigen Zeitintervallen gemessen. Weiterhin wurde die Lachgaskonzentration in der Bodenluft sowie die Häufigkeit schwerer und leichter Stickstoffisotope (15N und 14N) in den Lachgasmolekülen entlang von Tiefenprofilen bestimmt. Die bei der mikrobiellen Umsetzung von Lachgas beteiligten Enzyme bevorzugen das leichte Isotop 14N. Als Folge treten Verschiebungen in der Isotopenhäufigkeit bei Lachgasproduktion und -konsumption auf. Mit Hilfe dieser Messdaten konnte somit im Bodenprofil unterschieden werden, an welchen Orten Lachgasproduktion oder Lachgaskonsumption überwogen. Die Bodenluft aus definierten Bodentiefen wurde mit Hilfe selbst entwickelter und in Zusammenarbeit mit den Technischen Werkstätten der Universität Bayreuth gefertigter Bodenluftsonden gesammelt.

Episodische Lachgasemissionen bei Bodenfrost trugen über 80% zur jährlichen Summe der Lachgasemission aus dem Waldboden bei.

Bodenfrostereignisse im Winter führten zu einem sprunghaften Anstieg der Lachgasemission aus dem Waldboden in die Atmosphäre. Als Ursache für den sprunghaften Anstieg der Lachgasemission bei Bodenfrostereignissen wurde eine auch im Winter fortlaufende mikrobielle Lachgasproduktion in dem vom Bodenfrost nicht erfassten Unterboden und eine fehlende mikrobielle Lachgaskonsumption im gefrorenen Oberboden identifiziert. Bei einem für die Zukunft prognostizierten häufigeren Auftreten von Bodenfrostereignissen ist daher ein Anstieg der jährlichen Lachgasemission aus unseren Waldböden zu erwarten.

Bei experimentell verlängerten Trockenperioden im Sommer wurde ein unerwartetes Phänomen beobachtet. Zunehmende Trockenheit wandelte den Waldboden von einer Lachgasquelle zu einer Lachgassenke, das heißt vom Waldboden wurde aus der Atmosphäre sogar Lachgas aufgenommen. Diese an der Bodenoberfläche gemessenen Ergebnisse konnten wiederum mit Hilfe von Profilanalysen der Bodenluft bestätigt und mechanistisch erklärt werden. Durch eine größere mikrobielle Lachgaskonsumption als - produktion bei Trockenheit im Oberboden wurde in der Bodenluft die Lachgaskonzentration der freien Atmosphäre unterschritten. Lachgas musste folglich entlang eines Konzentrationsgradienten aus der Atmosphäre in den Boden diffundieren. Erst beim Einsetzen von Regen wandelte sich der Waldboden wieder von einer Senke zu einer Quelle von Lachgas um. Die Beobachtung einer vorübergehenden Lachgas- Senkenfunktion von Waldböden bei Trockenheit trägt zu einer Vervollständigung der bisher noch immer lückenhaften globalen Lachgasbilanz bei.

Autor & Info
Prof. Dr. Gerhard Gebauer
leitet im BayCEER das Labor für Isotopen-Biogeochemie. Zusammen mit dem Team dieser zentralen Einrichtung führt er für die Mitglieder des BayCEER Isotopenhäufigkeitsanalysen durch, berät die BayCEER-Mitglieder bei den verschiedensten Anwendungen stabiler Isotope in der Ökologie und Umweltforschung und setzt die Laborausstattung für Lehrveranstaltungen, Methodenentwicklung und eigene Forschungstätigkeit ein.

Weblinks
www.bayceer.uni-bayreuth.de/Gebauer
www.bayceer.uni-bayreuth.de/ibg


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Dachkonstruktion auf den Versuchsflächen im Fichtelgebirge. Durch Verschließen der Dächer mit transparenten Polycarbonat-Platten wurde der Waldboden verlängerten Trockenperioden ausgesetzt. Foto: Egbert Matzner.

• Das Laborteam für Isotopen-Biogeochemie: Gudrun Elias-Mertel (inzwischen ausgeschieden), Gerhard Gebauer, Iris Schmiedinger, Isolde Baumann und Christine Tiroch.

• Haubensystem zur Bestimmung des Lachgasaustausches zwischen Bodenoberfläche und Atmosphäre. Foto: Stefanie Goldberg.

• Schneeräumaktion auf den Versuchsflächen im Fichtelgebirge. Durch Entfernen der isolierenden Schneedecke wurde im Waldboden Bodenfrost induziert. Foto: Egbert Matzner.

• Messgerät zur Bestimmung der Lachgaskonzentration in der Luft der Haubensysteme. Foto: Stefanie Goldberg


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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, Mai 2011, Seite 62-63
Herausgeber: Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 23, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de

"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2011