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FORSCHUNG/373: Anpassungsoptionen für unsere Wälder (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
Ausgabe 1, Mai 2011

Anpassungsoptionen für unsere Wälder
Innerartliche Unterschiede bei Bäumen bezüglich der Reaktion auf den Klimawandel

von Carl Beierkuhnlein, Jürgen Kreyling und Daniel Thiel


Klimaveränderungen werden die mitteleuropäischen Wuchsbedingungen in diesem Jahrhundert nachhaltig verändern. Vor allem für unsere langlebigen und ausdauernden Ökosysteme (wie z. B. Wälder) und ihre Schlüsselarten muss deshalb frühzeitig abgeschätzt werden, wie diese sich unter sich ändernden Bedingungen verhalten werden.

Besonders in der Forstwirtschaft müssen bei "Umtriebszeiten" (optimale Zeiten für die Nutzung von Bäumen) von ca. 100 Jahren schon jetzt die Weichen für stabile und ertragreiche Waldökosysteme der Zukunft gestellt werden.

Bäume, die heute gepflanzt werden, werden auf Grund ihrer Langlebigkeit den veränderten Klimabedingungen bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts ausgesetzt sein. Betrachtet man zum Beispiel die Ansprüche der heimischen Fichte im Bezug auf Jahresniederschlag und Jahresmitteltemperatur, muss man befürchten, dass selbst bei einer moderaten Erwärmung große Teile Oberfrankens für die derzeitige "Brotbaumart" der Forstwirtschaft nicht mehr geeignet sein werden (Abb.1).

In dem Experiment "Plastizität und Anpassung verschiedener Herkünfte langlebiger Schlüsselpflanzenarten bezüglich klimatischer Extremereignisse" (EVENT 3), welches Teil des Forschungsverbundes FORKAST ("Auswirkungen des Klimas auf Ökosysteme und klimatische Anpassungsstrategien") ist, arbeitet der Lehrstuhl für Biogeografie mit dem Bayerischen Landesamt für forstliche Saat und Pflanzenzucht ASP (Teisendorf) zusammen. Der Forschungsverbund beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme und mit klimatischen Anpassungsstrategien und besteht aus insgesamt 16 Teilprojekten, an denen mehrere bayerische Hochschulen und Landesämter beteiligt sind.

Ziel von EVENT 3 ist es, die Variabilität und genetische Vielfalt innerhalb von Baumarten zu beleuchten. Hier konzentriert man sich im Wesentlichen auf Hauptbaumarten wie die Buche (Fagus sylvatica). Das Teilprojekt zu Schwarz-Kiefern (Pinus nigra) im Rahmen von EVENT 3 wird von der Oberfrankenstiftung gefördert. 2011 werden auch vier Provenienzen der Flaum-Eiche (Quercus pubescens) ins EVENT 3 Experiment integriert.

Die Annahme, dass die Toleranz von Waldbäumen gegenüber den künftig erwarteten Klimabedingungen aufgrund ihrer rezenten Verbreitung beurteilt werden könnte, ignoriert die genetischen Unterschiede innerhalb ihrer Verbreitungsgebiete (also Genotypen bzw. Ökotypen). Herkunftsversuche in der Forstwirtschaft haben zwar eine lange Tradition und konnten zeigen, dass Populationen bzw. geographische "Herkünfte" an das lokale Klima angepasst sind und sich somit voneinander unterscheiden. Allerdings ist künftig verstärkt das Auftreten von Witterungsextremen (z. B. Trockenheit) bei gleichzeitig kaum verändertem Auftreten von Spätfrostereignissen zu beachten. Es muss heute bekannt sein, welche Arten, beziehungsweise welche Herkünfte dieser Arten, den künftigen Bedingungen gewachsen sein werden, um gegen Ende des 21. Jahrhunderts funktionsfähige Ökosysteme zu formen.

Auf der Suche nach potentiell geeigneten Herkünften fällt der Blick auf Gebiete, die bereits heute Klimabedingungen aufweisen, wie sie für Bayern am Ende dieses Jahrhunderts erwartet werden. Die Nutzungsmöglichkeiten solcher Herkünfte muss nun im Hinblick auf häufigere und extremere Wetterereignisse getestet werden.

Hier wurde die Rotbuche (Fagus sylvatica) ausgewählt, welche die heimischen Laubmischwälder natürlicherweise dominiert und dort auch für die Gewährleistung von Ökosystemfunktionen wie Biomasseertrag maßgeblich verantwortlich ist. Mit Hilfe regionaler Klimamodelle (z. B. REMO, UBA 2006) wurden künftig erwartete Klimabedingungen für Nordostbayern ermittelt und europäische Regionen identifiziert, welche schon heute solche Bedingungen aufweisen. Aus diesen Regionen (siehe Abb. 2) wurden anschließend Rotbuchen akquiriert und innerhalb des Experiments künftig erwarteten klimatischen Bedingungen ausgesetzt: Sowohl veränderten Mittelwerten (Erwärmung) als auch Extrembedingungen wie Trockenheit und Spätfrost (siehe Abb. 3 und 4). Durch den Vergleich verschiedener geographischer Herkünfte sollen jene identifiziert werden, welche diesen Bedingungen am besten gewachsen sind.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die Herkünfte der Rot-Buche individuell auf Extremereignisse wie Dürre reagieren, d.h. sich in ihrer Dürreresistenz unterscheiden. Weiterhin variieren die Herkünfte auch in ihrer Spätfrostresistenz. Trotz eines allgemeinen Erwärmungstrends wird es in unseren Breiten auch in Zukunft immer wieder zu Spätfrostereignissen kommen. Dies ist zu bedenken, wenn man Herkünfte aus Regionen einführt, in denen eine Anpassung an solche Ereignisse nicht gefordert ist. Die Ergebnisse legen jetzt nahe, dass ein Frostereignis im Mai den Zuwachs von Buchen aus südlicheren Regionen, wie zum Beispiel Bulgarien stärker negativ beeinflusst, als den heimischer Provenienzen. Besonders interessant dabei ist, dass eine vorausgehende Wärmebehandlung die Spätfrostschäden verringert. Durch die künstliche Erwärmung treiben die Pflanzen schneller aus und erreichen bis zum Zeitpunkt des Frostereignisses schon die Blattreife, was vermutlich die höhere Resistenz der wärmebehandelten Gruppe erklärt.

Dies zeigt die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Organismen, Ökosystemen und Klimaparametern (siehe Abb.5). Im EVENT 3 Experiment werden des Weiteren Provenienzen der Schwarz-Kiefer (Pinus nigra) untersucht, die vor allem auf Trockenstandorten als mögliche Alternative zu Fichte und Waldkiefer gilt. Auch hier unterscheiden sich die Herkünfte zum Teil deutlich in ihrer Wachstumsreaktion auf klimatische Extremereignisse.

Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die gezielte Nutzung innerartlicher Vielfalt ein potentielles Werkzeug der Klimaanpassung sein kann. Allerdings ist die Übertragung von Klimaeigenschaften nicht trivial. Arten und Herkünfte reagieren teils sehr individuell. Mitunter treten Effekte erst verzögert ein Jahr nach der Behandlung auf. Für konkrete Handlungsanweisungen für die Forstwirtschaft werden weitere Herkunftsversuche benötigt.

Weblink: www.biogeo.uni-bayreuth.de


AUTOREN

Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein

leitet den Lehrstuhl für Biogeografie an der Universität Bayreuth, mit langjähriger Erfahrung mit experimenteller Forschung in Grünlandbeständen, z. B. in EVENT oder BIODEPTH. Unter anderem ist er der Herausgeber der Studie "Klimawandel in Bayern - Auswirkungen und Anpassungsstrategien" im Auftrag des Landesamtes für Umwelt Bayern. Zusätzlich ist er der Sprecher des Forschungsverbundes FORKAST und Leiter des Teilprojektes 1 (Event 3), in dem parallel Versuche mit verschiedenen Herkünften der Rot-Buche der Schwarz-Kiefer und der Flaumeiche durchgeführt werden.

Dr. Jürgen Kreyling

ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für Biogeografie in Bayreuth. Er hat seine Dissertation im Rahmen des EVENT-Experiments abgeschlossen. Hierbei konnte er Erfahrungen in der Anlage und Durchführung experimenteller Forschung und in Herkunftsversuchen mit Grünlandarten sammeln. Er ist ebenfalls in das Teilprojekt 1 des Forschungsverbundes FORKAST eingebunden.

Daniel Thiel

ist Absolvent des Graduierten-Programms Global Change Ecology (M.Sc.) im Elitenetzwerk Bayern. Er ist Doktorand im Teilprojekt 1 des Forschungsverbundes FORKAST und ist für die Pflege, Datenaufnahme und -auswertung im EVENT 3-Experiment verantwortlich.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Klimaeignung Oberfrankens für die Fichte (Picea abies). Geeignete Räume sind in grün hervorgehoben. Oben: Aktuell geeignete Gebiete (ganz Oberfranken mit Ausnahme des Schneeberggipfels). Unten: Erwärmung um 2 Grad. Die Fichte fällt bei dieser moderaten und sehr optimistischen Erwartung bereits im gesamten westlichen Oberfranken aus. Nur in den östlichen Gebieten (Frankenwald, Fichtelgebirge) kann die Fichte dann noch geeignete Bedingungen vorfinden.

Abb. 2: Rezente Verbreitung der RotBuche (dunkelgrau) und durch Linien hervorgehobene genetisch unterschiedliche Regionen aufgrund von Isoenzymen (nach Magri et al. 2006). Durch schwarze Pixel verdeutlicht sind Regionen innerhalb dieser Verbreitung, in denen schon heute ähnliche Klimaverhältnisse herrschen, wie sie für Bayreuth für die Periode 2071 - 2100 prognostiziert werden (REMO A1B).

Abb. 4: Überblick über das EVENT 3 Experiment im Ökologisch-Botanischen Garten. Es besteht aus insgesamt 12 Folientunnels, in denen jede der vier Klimabehandlungen (Kontrolle; Dürre; Erwärmung; Dürre kombiniert mit Erwärmung) dreimal wiederholt wird.

Abb. 3: Rot-Buchen unterschiedlicher Herkünfte in einem der Gewächshäuser des EVENT 3 Experiments, hier mit aktiver (Infrarot-Strahler) und passiver Wärmebehandlung (Windschutz).

Am Lehrstuhl für Biogeografie werden - in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Störungsökologie - die Auswirkungen von Klimaveränderungen und in besonderer Weise von klimatischen Extremereignissen auf Ökosysteme und deren Funktionen experimentell erforscht. Die Wechselwirkungen von Extremereignissen und Biodiversität (EVENT 1) bzw. Extremereignissen und verschiedenen Managementregimen (EVENT 2) standen dabei bisher im Mittelpunkt. Im Jahre 2009 wurde das EVENT 3 etabliert.


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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, Mai 2011, Seite 74-77
Herausgeber: Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
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Internet: www.uni-bayreuth.de

"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2011