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MASSNAHMEN/033: Fehlschläge bei CDM-Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009

Mogelpackungen statt Modellprojekte
Betroffene berichten über CDM-Auswirkungen

Von Eva Filzmoser


CDM-Projekte sollen beim Klimaschutz helfen. Aber sie werden zum Großteil auf Kosten der lokalen Bevölkerung umgesetzt. Fünf Jahre nach der Registrierung des ersten CDM-Projekts soll nun eine Recherchereise in Indien Klarheit darüber schaffen, inwiefern die Prinzipien des CDM - günstige Emissionsreduktion und nachhaltige Entwicklung im CDM-Gastland - noch gültig sind oder ob das lukrative Geschäft mit dem Kohlendioxidmarkt es unmöglich gemacht hat, Nein zu schlechten Projekten zu sagen.

Der im Rahmen des Kyoto-Protokolls beschlossene Clean Development Mechanism (CDM) ermöglicht gemeinsame Klimaschutz-Projekte von Industrie- und Entwicklungsländern. Dabei wird ein Projekt, wie der Bau von Wasserkraftwerken oder die Errichtung von Biomassekraftwerken, vom Industrieland finanziert und im Entwicklungsland durchgeführt. Für jede in einem solchen Projekt eingesparte Tonne CO2 erhalten die Investoren ein Zertifikat, das sie auf die Erfüllung ihrer Reduktionsverpflichtung anrechnen dürfen.

Bewertung durch Betroffene

Eine Recherchereise von CDM Watch, einer Initiative internationaler Nichtregierungsorganisationen unter Federführung des Forum Umwelt & Entwicklung, soll nun den oft beklagten Mängeln des CDM, in CDM-Gastländern auch "cheat development mechanism" genannt, auf den Grund gehen. Die Betroffenen sollen endlich die Möglichkeit bekommen, eine effektive Bewertung von CDM-Projekten abzugeben. Nach den jetzigen Regeln des CDM muss die örtliche Bevölkerung befragt werden, bevor über ein neues CDM-Projekt entschieden wird. Diese Befragung beschränkt sich meist auf ein "informatives" Treffen vor Projektbeginn und dann auf die Möglichkeit, einen Kommentar während einer Frist von 30 Tagen, nachdem das Projekt die offizielle CDM-Bewerbung eingereicht hat, abzugeben.

Wie diese Regelung in der Praxis gehandhabt wird, berichteten Betroffene in dem Dorf Dewlang im Bundesstaat Uttarakhand im Norden Indiens. Das abgelegene Dorf liegt am Fluss Bhagirathi, ca. 6 Stunden stromaufwärts des Tehri-Wasserkraftwerks, eines der weltgrößten Wasserkraftwerke, das mehr als 40 Dörfer verschwinden ließ.

Nun soll auch der Bhagirathi für die saubere Energieerzeugung genutzt werden. Ein Vertrag hierzu wurde im November 2003 unterschrieben. Um dies wirtschaftlich zu machen - so die Projektentwickler -, wurde für das Laufwasserkraftwerk Bhilangana III im Januar 2008 Unterstützung durch den CDM beantragt (Bhilangana I wurde 2007 unter heftiger lokaler Kritik genehmigt und Bhilangana II wird sich demnächst als CDM-Projekt bewerben). Laut UNFCCC sollte die Kreditierung der verminderten Emissionen durch dieses Projekt im September 2009 beginnen.

Vor Ort beschwerten sich die aufgelösten Dorfbewohner über das halbfertige Kraftwerk, oder besser gesagt die Schäden, die davon sichtbar sind. So beklagten sie die unbrauchbar gemachten Straßen, die kargen Ernten, für die die Staubbelastung durch Bauarbeiten verantwortlich ist, sowie die versiegten Wasserquellen, die durch kontinuierliche Sprengungen für den Wassertunnel verursacht wurden. Mehr als 14 Dörfer leiden so täglich an den Folgen des Wasserkraftwerkes und die Menschen müssen kilometerweit laufen, um Trinkwasser zu beschaffen. Dewlang, das Dorf, unter dem der Wassertunnel gegraben wird, weist überdies Risse in mehr als 75% aller Häuser auf. So auch an der Schule: Der Unterricht muss mittlerweile im Freien abgehalten werden, weil Dorfbewohner befürchten, die Schule würde aufgrund der Risse einstürzen.

Auf die Frage, ob die Dorfbewohner von den Projektentwicklern vor der Planung und dem Bau des Projekts befragt wurden, reagierten sie mit einem kargen Lächeln. Obwohl das Projekt schon seit 2003 geplant war, erfuhren sie erstmals im Mai 2007 davon - durch die Erschütterungen beim Tunnelbau. Erst nach einem Hungerstreik des Dorfältesten, der 56 Tage für die Wiedergutmachung der Schäden fastete, wurde ein Treffen einberufen, um dies zu besprechen. "Leere Versprechungen und Korruption", sagen sie. Die Dorfbewohner wollten das Wasserkraftwerk nicht. Nun ist es zu spät, das Projekt zu stoppen, da die Schäden unwiderruflich sind. Um die Situation in Dewlang zu ändern, ist nun ein Dorfbewohner vor Gericht gezogen und fordert die komplette Umsiedlung aller Einwohner von Dewlang.

Reform muss Mängel adressieren

Die Kritik am CDM ist breit und reicht vom Design der CDM-Methoden, die auch ineffiziente Technologien als CDM zulassen, bis zu den institutionellen Gremien im CDM-Prozess, die dafür bekannt sind, offensichtliche Fälle von Betrug und gefälschte Dokumente seitens der Projektentwickler nicht zu erkennen. Anfang September wurde nun zum zweiten Mal eine solche Institution suspendiert. Ein weiteres Zeichen, dass strengere Regeln dringend benötigt sind.

Bei diesen Problemen des CDM handelt es sich nicht um Einzelfälle.(*) Die CDM-Reform, die im Dezember 2009 einen reformierten Mechanismus für die Zeit nach 2012 erarbeiten wird, muss diese Mängel aufgreifen.

Die Autorin ist Koordinatorin von CDM Watch.
www.cdm-watch.org

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Die Dorfbewohner beschweren sich über das halbfertige Kraftwerk, oder besser gesagt, die Schäden, die davon sichtbar sind.
Mehr als 14 Dörfer leiden täglich an den Folgen des Wasserkraftwerkes und die Menschen müssen kilometerweit laufen um Trinkwasser zu beschaffen.

Anmerkungen (Red.)
CDM: Clean Development Mechanism - Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung
[2] UNFCCC: Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention
[3] Vgl. Eva Filzmoser: Klimaschutz nicht ohne die Menschen. Clean Development Mechanism - alles Müll?
Forum Umwelt & Entwicklung Rundbrief 2/2009.
Siehe http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/klima/uklma031.html


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.

http://www.forum-ue.de/fileadmin/userupload/rundbriefe/200903.pdf


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009, S. 24-25
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2009