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FORSCHUNG/433: Ein Netz im Kornfeld - Erhebung von Daten zur Klima- und Landnutzung (UFZ Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2013

Ein Netz im Kornfeld

von Verena Müller



Jan Bumberger und Nils Reiche stehen am Rande einer der insgesamt 50 Versuchsflächen des riesigen Freiluftexperiments GCEF - und vor einer großen Herausforderung. Wie lassen sich die vielen Informationen, die die Global Change Experimental Facility in den nächsten Jahren liefern wird, möglichst perfekt messen und verarbeiten?

Die GCEF widmet sich der Frage, wie sich verschiedene Formen der Landnutzung unter dem für Ende dieses Jahrhunderts in unseren Breitengraden prognostizierten Klima auf ökologische Prozesse auswirken werden. Unter jedem der zehn riesigen Stahlgerippe wurden dazu fünf Felder unterschiedlicher landwirtschaftlicher Bewirtschaftung angelegt - vom konventionellen Landbau, über Ökolandbau und intensiv bewirtschaftetes Grasland bis hin zu weniger intensiv genutztem Grasland und einer Fläche, auf der Schafe weiden. Ein Teil der Felder, die "Klimawandel-Parzellen", wird den prognostizierten veränderten Klimabedingungen ausgesetzt werden, der andere den aktuell herrschenden klimatischen Bedingungen. Die GCEF lässt in den nächsten Jahren also viele spannende Forschungsergebnisse erwarten.

Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass sehr viele Daten großflächig, genau, regelmäßig und dennoch schnell und einfach erhoben werden können. Denn nur so bekommt man ein möglichst umfassendes und realistisches Bild von der Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit umfasst auch die abiotischen Faktoren Temperatur, Licht und Feuchtigkeit in Luft und Boden sowie die Dynamik von Treibhausgasen und Wasser im System Boden - Pflanze - Wasser. Denn natürlich ist es einerseits essenziell zu untersuchen, wie sich die sogenannten biotischen Faktoren, also die Wechselwirkungen innerhalb der "belebten Natur" unter den simulierten klimatischen und landwirtschaftlichen Bedingungen verändern. Ebenso relevant ist es aber herauszufinden, welchen Einfluss die simulierten Bedingungen darauf haben, welche Menge an Treibhausgasen wie CO2 oder Methan freigesetzt wird oder wie stark sich Temperatur und Feuchtigkeit der Böden verändern. Denn auch diese abiotischen Faktoren sind entscheidend dafür, welche Landnutzungsform sich unter den vermuteten zukünftigen Klimabedingungen als die nachhaltigste herausstellen wird: Was nützt langfristig eine Form der Landnutzung, die zwar beispielsweise durch intensive Bewirtschaftung kurzfristig sehr ertragreich ist, dafür aber im Gegenzug hohe Mengen an Treibhausgasen freisetzt und damit entscheidend zum Klimawandel beiträgt. Oder die zu Lasten der Bodenfeuchtigkeit geht und damit auf lange Sicht die Bodenfruchtbarkeit mindert.

Von der Stange zu kaufen gibt es eine derart anspruchsvolle und maßgeschneiderte Messtechnik nicht. Die aufwendige Suche nach einer geeigneten Lösung führte Dr. Martin Schädler, den wissenschaftlichen Koordinator der GCEF, schließlich zurück ans UFZ zu den beiden Nachwuchswissenschaftlern Dr. Jan Bumberger und Dr. Nils Reiche, die im Department Monitoring- und Erkundungstechnologien arbeiten. Denn beide beschäftigen sich im Rahmen anderer Projekte mit der Entwicklung derartiger Messtechnik. Die erweist sich nun auch für die GCEF von unschätzbarem Wert.

Inzwischen stecken in den Untersuchungsflächen der GCEF viele für den Außenstehenden merkwürdig erscheinende Gerätschaften: Kleine quaderförmige Kästen, die an Stativen in Dreiergrüppchen übereinander gereiht in den Parzellen stehen. Und große Kästen, die hoch oben in den Ecken der Gewächshaus-Konstruktionen hängen. "Wir befinden uns hier auf einem echten Hightech-Versuchsfeld", erklärt Jan Bumberger mit gewissem Stolz in der Stimme. Die Dinge, die für den Betrachter sichtbar sind, sind dabei nur ein Teil der hochmodernen Technik. Denn sie steckt überwiegend im Boden vergraben oder schwirrt als Daten durch die Luft. Ohne sie müsste man eine ganze Armada an Wissenschaftlern mobilisieren, die regelmäßig auf die Versuchsfelder fährt, um die gewünschten Basis-Messgrößen an unzähligen Stellen jeden Tag über den Tagesverlauf hinweg zu messen. Das würde nicht nur einen sehr hohen finanziellen, sondern auch zeitlichen Aufwand bedeuten. Oder man könnte an einer Stelle der Fläche mehrere Messgeräte installieren, deren Daten regelmäßig von Wissenschaftlern ausgelesen werden müssten - so ge­ schehen bei vielen existierenden Freilandexperimenten. Für kleine Untersuchungsflächen mit nahezu homogener Natur funktioniert das gut. Aber was ist mit großen, heterogenen Flächen, in denen verschieg dene Pflanzengemeinschaften auftreten und damit die Boden- und Luftparameter jeweils von Abschnitt zu Abschnitt variieren? Hier kann man nicht von einem Messpunkt auf die gesamte Fläche schließen. Denn oft, wie im Falle der GCEF, soll es gerade um diese Unterschiede gehen.

"Diese Aufgaben übernehmen nun drahtlose selbstorganisierende Sensornetzwerke. Also eine Art WLAN-Netzwerk, in dem sich viele kleine Messstationen - sogenannte Sensorknoten - untereinander vernetzen", so Jan Bumberger mit Blick auf die kleinen Kästen vor ihm. Diese 'All-in-one-Boxen' tragen Sensoren auf ihrer Oberfläche - zur Messung der Feuchtigkeit und Temperatur in Luft oder Boden sowie der Strahlungsintensität. Damit werden sowohl über- als auch unterirdisch Messungen in drei verschieden Höhen möglich. Statt einer einzigen oder nur wenigen hochpräzisen Messungen auf diesem großflächigen Gelände werden also viele Messungen über die großen Flächen verteilt. Denn mehr Informationen ergeben ein genaueres Bild von der Wirklichkeit. Als Rechner im Taschenformat wandeln die Sensorknoten dann die aufgenommenen Werte direkt in digitale Daten um, um sie an Router zu funken - die größeren grauen Kästen in den Ecken der über den Versuchsflächen thronenden Stahlgerippe. All die Router stellen den Kontakt der Boxen zum Datenlogger her, der dann direkt die projekteigene Datenbank befüttert - eine echte Prämiere für solch großangelegte ökologische Freilandexperimente.

Für Nils Reiche eröffnet die GCEF die optimale Gelegenheit, unter definierten Klimaveränderungen zu zeigen, wie sich die Dynamiken von Treibhausgasen und der physiologische Zustand der Vegetation auf den Versuchsfeldern ändern. "Mithilfe der Infrarot-Spektroskopie wollen wir etwa die Aufnahme und die Abgabe von Kohlendioxid und Methan über dem Versuchsfeld messen", erklärt Nils Reiche. Denn indem beispielsweise infrarotes Licht einer bestimmten Wellenlänge von einer Strahlungsquelle zu einem Empfänger gesendet wird, kann anhand der Differenz zwischen abgestrahlter und empfangener Strahlungsmenge die Konzentration an CO2 innerhalb dieser Luft-Strecke gemessen werden. Je mehr der infraroten Strahlung dabei absorbiert wird, umso mehr CO2 befindet sich auf dieser Strecke; umso mehr Treibhausgase werden also durch dieses Versuchsfeld in die Atmosphäre abgegeben. Bisher wurde die Infrarot-Spektroskopie vor allem für die Analyse chemischer und biologischer Proben im Labor angewendet. Nils Reiche und sein Team sind nun die ersten, die deren Potenzial für die ökologische Feldforschung auf der Skala eines Experiments wie der GCEF entdecken, um Zusammenhänge der Treibhausgasflüsse mit Gradienten der Biodiversität zu untersuchen.

"Manchmal ist es eben ganz gut, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Leider wird das noch viel zu selten getan. Zu oft folgen viele einfach dem, was sie einmal im Studium gelernt haben und sind dabei vollkommen fixiert auf ihre eigene Forschungsdisziplin", geben Jan Bumberger und Nils Reiche zu bedenken. Denn wie bereichernd ein solcher "Blick" für ein großes Forschungsvorhaben sein kann, beweist diese Kooperation im Rahmen der GCEF. Die eigentlichen wissenschaftlichen Disziplinen der beiden Forscher lassen nicht direkt eine Beteiligung an einem Forschungsprojekt vermuten, das sich auf ökologische Prozesse konzentriert. Nils Reiche ist Doktor der Chemie. Das Labor ist also seine eigentliche Welt. Jan Bumberger ist promovierter Elektroingenieur.

Zusammen mit den Ökologen vom UFZ möchten die beiden Wissenschaftler in den nächsten Jahren große Mengen an Daten auswerten, die hoffentlich Auskunft darüber geben werden, wie sich ökologische Prozesse unter den zu erwartenden klimatischen Bedingungen verändern werden. Und welche Form der Landnutzung sich dann als die nachhaltigste herausstellt. Denn die dort gewonnenen Erkenntnisse gehen uns natürlich alle etwas an, nicht nur die Ökologen.


UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Jan Bumberger, Dr. Nils Reiche
Dept. Monitoring- und Erkundungstechnologien
e-mail: jan.bumberger@ufz.de
e-mail: nils.reiche@ufz.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Für beide Wissenschaftler - Dr. Jan Bumberger (links) und Dr. Nils Reiche (rechts) - kam die Arbeit im GCEF-Team (Global Change Experimental Facility) relativ überraschend, arbeiten sie doch eigentlich in einem UFZ-Department, das nicht unmittelbar in die Forschung der GCEF eingebunden ist. Mittlerweile ist ihre Arbeit in der GCEF von unschätzbarem Wert und damit ein schönes Beispiel für eine gelungene Kooperation zwischen den verschiedenen Disziplinen am UFZ.

- Für das Langzeitmonitoring verschiedener mikroklimatischer Parameter wird ein drahtsloses Sensornetzwerk entwickelt und eingerichtet. Die Sensorknoten sind so ausgelegt, dass auch in Zukunft unterschiedlichste Sensoren implementiert werden können. Ein Gewirr ober- und unterirdischer Kabel wäre auf der GCEF undenkbar, da viele Flächen mehrmals im Jahr mit landwirtschaftlichen Geräten befahren werden müssen.


Siehe auch die vorangegangenen Schattenblick-Artikel unter:

UMWELT\KLIMA
FORSCHUNG/432: Was bringt der Klimawandel? Die Zukunft unterm Stahlgerüst (UFZ Newsletter)

UMWELT\MEINUNGEN
STANDPUNKT/434: Langfristige Umweltbeobachtung - aufwendig, aber unverzichtbar (UFZ Newsletter)

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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2013, S. 8-9
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2013