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ANBAU/123: Raubbau für Palmöl, Indonesien - Im Würgegriff der Palmöl-Mafia (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie


Raubbau für Palmöl
Tropenwald-Spezial Recherche in Indonesien 2009

Sumatra im Würgegriff der Palmöl-Mafia

Von Peter Gerhardt und Jule Naundorf


Auf ihrer Recherche-Reise durch Indonesien haben Heike Lipper, Jule Naundorf und Peter Gerhardt vor Ort erlebt, wie brutal die Palmöl-Industrie und besonders der Raubbau-Konzern Wilmar gegen Mensch und Natur vorgeht.

Die erste Station der Recherche führt uns nach Sumatra. Diese einst so waldreiche Insel ist bis auf wenige Reste kahl geschlagen worden. Der Triathlon der Zerstörung verläuft nach dem immer gleichen Muster: Zuerst kommen die Kettensägen der Holzfirmen, die Hand in Hand mit korrupten Politikern schnelles Geld mit Meranti- oder Ramin-Holz machen.

Die zweite Welle der Zerstörung geht von der Papierindustrie aus, die den Rest der geplünderten Wälder in ihren überdimensionierten Papierfabriken zu Zellstoff verkocht. Am Ende der Verwertungskette planieren die Bulldozer der Palmölgiganten die Baumstümpfe, entwässern den Boden und pflanzen Ölpalmen bis zum Horizont. Die Gewinne in diesem mafiaartig organisierten Geschäft streichen in allen Fällen die Gleichen ein: große Konzerne, korrupte Militärs und skrupellose Politiker.

Das von der Regierung Suharto initiierte Transmigrasi-Projekt erhöhte den Druck auf die Naturräume: Familien aus der - nach Ansicht der Regierung - überbevölkerten Zentralinsel Java wurden auf das weniger dicht bewohnte Sumatra umgesiedelt. In der Regel erhielten die Familien zwei Hektar Land, das sie roden mussten, um dort Landwirtschaft betreiben zu können.

An keinem anderen Ort der Welt lässt sich besser besichtigen, mit welch rasanter Geschwindigkeit die letzten Regenwälder dieser Erde verloren gehen. Innerhalb von drei Jahrzehnten ist die grüne Schatzkammer in eine öde Agrarwüste umgewandelt worden. Einzelne Waldflächen gibt es noch in den wenigen Naturschutzgebieten und dort, wo die Zerstörung der Wälder für die Konzerne kein lukratives Geschäft ist: in hügeligem Terrain oder abgelegenen Feuchtgebieten.

Auf den Spuren von Palmöl-Gigant Wilmar: Brutale Landkonflikte

Die Expansion von Wilmar ist - typisch für die Entwicklung dieses Konzerns - vor allem durch Zukäufe vonstatten gegangen. Der nach eigenen Angaben größte Palmölhändler der Welt war bei seiner Einkaufstour nicht wählerisch und hat sich viele Gebiete einverleibt, auf denen es große Landkonflikte gibt. Außerdem gibt es Satellitendaten, die belegen, dass es in den Konzessionen von Wilmar auch 2008 zu unkontrollierten und illegalen Bränden gekommen ist.

In der Provinz Riau in der Nähe der Hauptstadt Pekanbaru wird uns vor Augen geführt, wie weit der lange Arm von Wilmar reicht. Obwohl sich die Dorf-Ältesten einig sind, dass Wilmar der Gemeinde große Landflächen schuldet und Entschädigungen zahlen sollte, werden wir gebeten, die Sache in Europa vorerst nicht weiter zu verfolgen. Zu groß ist der Respekt vor der Allmacht des Konzerns. In Riau hat der Palmölirrsinn seine Spuren besonders deutlich hinterlassen, die ursprüngliche Vegetation ist fast ausnahmslos durch industrielle Monokulturen ersetzt. Wilmar betreibt hier eine Palmöl-Raffinerie mit über 250.000 Tonnen Jahreskapazität.

Wir sind mit Dede Kunaifi und seinen Mitstreitern von unserer Partnerorganisation Kabut verabredet. Kabut engagiert sich gegen die Papier- und Palmölindustrie und veröffentlicht Informationen in eigenen Internetblogs. Mit ein paar Klicks holt Raflis, der Geodaten- Spezialist bei Kabut, die Informationen zu Wilmar auf den Bildschirm seines Laptops. Raflis ist sicher: Auf den Plantagenflächen von Wilmar gab es 2008 unkontrollierte Brände. Er gleicht die Gebiete, für die der Konzern Nutzungsrechte erworben hat, mit den Daten des Feuerüberwachungssatelliten ab und zeigt uns die Schnittmengen. Wilmar ist also, wie so viele weitere Konzerne auch, dafür verantwortlich, dass die Menschen in Pekanbaru häufig die Hand vor Augen nicht sehen können, weil der Qualm aus den Feuern und Schwelbränden in den Plantagenflächen so dicht ist. In dieses Bild passt auch, dass Wilmar von der niederländischen Umweltorganisation Millieudefensie bereits 2004 beim Zündeln erwischt wurde.

In der Provinz Jambi werden wir Zeuge, wie ein Landkonflikt zwischen Wilmar und den Bewohnern des Dorfes Rantau Gedang eskaliert. Begleitet werden wir von Arif Munandar und Feri Irawan, die für die Umweltorganisation Walhi den Widerstand gegen die Großkonzerne koordinieren. 1993 hat die Asiatic Pasada Group das Land handstreichartig in Beschlag genommen, kahl geschlagen und mit Ölpalmen bepflanzt. Die DorfbewohnerInnen wollten sich diesen Landraub nicht gefallen lassen und nahmen ihr Recht in die eigene Hand. Seit 2003 haben sie ihr Land zurückerobert und beernten die Ölpalmen, die der Konzern gepflanzt hat, auf eigene Rechnung. Auf diese Weise wollen sie die Rückgabe ihres Landes erzwingen.

Dessen ungeachtet hat Wilmar auf seinem Expansionsfeldzug dieses Konfliktgebiet 2007 von der Asiatic Pasada Group gekauft. Seitdem der Konzern aus Singapur das Sagen hat, sind die Methoden der Sicherheitsleute noch rabiater geworden, klagen die DorfbewohnerInnen. Zwei Frauen, Fatima und Helmi, berichten davon, wie Polizisten und mit Maschinenpistolen bewaffnete Sicherheitsleute den Menschen nachts in ihren Häusern und bei der Feldarbeit auflauern und mit Gewalt drohen, sollte der Widerstand nicht sofort beendet werden. Und sie wissen genau, wozu Konzerne in Indonesien im Stande sind, wenn sie ihre Gewinne durch aufmüpfige DorfbewohnerInnen gefährdet sehen.

Im Zentrum des Widerstands steht Tarmie Ab, der als Dorfvorsteher das Vertrauen der Leute genießt. Er hat früh erkannt, dass Wilmar und Co. mit Verhandlungen nicht in die Knie zu zwingen sind. Sein Engagement wird von der Frauen-Gruppe des Dorfes tatkräftig unterstützt. Gemeinsam wollen sie erreichen, dass die Palmölflächen nicht weiter ausgedehnt werden. Tarmie Ab zeigt auf ein Waldstück am Horizont. Dies soll für künftige Generationen bewahrt werden.

Nachdem wir das Dorf verlassen haben, wird aus den Befürchtungen traurige Gewissheit: Vier DorfbewohnerInnen werden unmittelbar nach unsere Abreise ins Gefängnis geworfen. Widerstand in Indonesien ist gefährlich.

Dass auch andere Konzerne korrupte Polizisten vor ihren Karren spannen, haben die EinwohnerInnen von Kandang Mendapo erfahren müssen. Die DorfbewohnerInnen wehren sich gegen den Landraub durch den Konzern Sinar Mas. Sie haben ihr Land zurückerobert und halten es besetzt. Rusdy, der Bürgermeister, wurde kurzerhand ins Gefängnis gesperrt. Damit soll der Widerstand vor Ort gebrochen werden. Doch sie sind entschlossen weiter zu machen und haben mit der Umweltorganisation Walhi einen starken Partner auf ihrer Seite.

Unsere Recherche führt uns weiter nach Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos. Borneo ist mit einer Fläche von 751.936 Quadratkilometer die drittgrößte Insel der Welt und die größte im indonesischen Archipel. Auch hier ist die Palmöl-Mafia am Werk. Nur kommt den Unternehmen hier zugute, dass es immer wieder verheerende Waldbrände gibt, die die eigenen Brandaktivitäten verschleiern.

1997 und 1998 wurden in Indonesien schätzungsweise zehn Mio. Hektar Land durch Brände geschädigt oder zerstört. Hauptauslöser war damals das Klimaphänomen "El Nino". In den folgenden Jahren gab es jährlich weitere Brände, aber in wesentlich geringerem Ausmaß.

Im September 2002 zeigten Satellitenbilder, dass mehr als 75 Prozent der Brandherde in West- und Zentralkalimantan in Ölpalm- und Holzplantagen sowie Holzeinschlagsgebieten lagen. Zu einer weiteren schweren Brandkatastrophe kam es 2006: in Zentralkalimantan wurde eine Million Hektar Landfläche zerstört. Diesen Umstand machen sich die ÖlpalmMultis zunutze. Da Plantagen eigentlich nur auf degradierten, d.h. kahlgeschlagenen Böden angelegt werden dürfen, legen die Unternehmen oft selbst Feuer - illegal natürlich!

Wir erreichen die Plantagen von Wilmar International, einem der größten Konzerne in Indonesiens Palmölbusiness. In Zentralkalimantan sind ihre Plantagen mit 120.000 Hektar unvorstellbar groß - so groß wie die gesamte Fläche des Wattenmeeres an der Nordsee. Von Nord nach Süd führt eine 100 Kilometer lange fast gerade Straße hindurch. Teile der Plantage sind erst 2008 angelegt worden. Zwischen den noch kleinen Palmölpflanzen sind die Reste der vorherigen Vegetation zu sehen: vereinzelte Bäume ragen dazwischen hervor, verbrannte Baumreste verrotten langsam in den Gräben.

Aber es gibt nicht nur ökologische Probleme - immer wieder kommt es zu Landrechtskonflikten. Wardian, ein Bauer aus Sembuluh, erzählt uns, dass die Plantagenfirma einfach Palmölpflanzen auf seinem Land angebaut und ihn nicht einmal dafür entschädigt hat. Sembuluh liegt an einem See, der vollständig von Plantagen umgeben ist. Nicht nur Wilmar hat hier seine Plantagen, auch Sinar Mas ist vertreten. Etwa 11.000 Menschen aus den umliegenden Dörfern arbeiten auf der Plantage, überwiegend als ErntehelferInnen oder Lkw-Fahrer, aber nur knapp 800 sind angestellt. Der Rest sind TagelöhnerInnen, die im Krankheitsfall nicht abgesichert sind. Die Krankenstationen, die Schulen und die Supermärkte, die die Plantagenbesitzer in ihren Plantagendörfern errichtet haben, sind nur für die dort lebenden Arbeiter und deren Familien zugänglich.

Wilmar vergrößert sich meist durch den Zukauf von Länderein anderer Plantagenfirmen. Dass sie dabei häufig bereits bestehende Konflikte mitkaufen, ist ihnen egal. So baute beispielsweise eine Plantagenfirma eine Zubringerstaße über den Friedhof eines Dayak-Dorfes. Wilmar kaufte das Gelände, ignorierte aber den bestehenden Konflikt und weigert sich bis heute die Verantwortung zu übernehmen. Anstatt Auseinandersetzungen im Vorfeld zu vermeiden, lautet Wilmars Verhandlungsstrategie die lokale Bevölkerung lange hinzuhalten und nur sehr selten zu entschädigen. Der Bevölkerung fehlt es häufig an Wissen und Unterstützung, um ihr Recht auf zumindest finanziellen Ausgleich gegen die Macht der Konzerne durchzusetzen.


Die Forderungen der indonesischen Umweltschützer

ROBIN WOOD initiiert Tropenwald-Kampagnen nur, wenn es eine enge Kooperation mit Umweltschützern vor Ort gibt. Gemeinsam mit unseren Partnern in Indonesien haben wir folgende Forderungen und Eckpunkte festgehalten.

1. Keine weitere Expansion der industriellen Palmöl-Produktion. Diese Industrie hat bereits viel zu viel Landfläche und darf keinen weiteren Hektar mit Ölpalmen bepflanzen.

2. Landkonflikte müssen ohne Verzögerung zugunsten der lokalen Bevölkerung von den Konzernen gelöst werden.

3. Zertifizierungen - wie der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) - sind in Indonesien kein geeignetes Instrument, um eine nachhaltige Palmöl-Produktion zu gewährleisten. Insbesondere dann, wenn Zertifikatshalter weitere Expansionen anstreben und mit vielen Landrechtskonflikten in ihren Konzessionen konfrontiert sind.

Peter Gerhardt und Jule Naundorf (V.i.S.d.P. für das Tropenwald-Spezial), Tropenwaldreferat ROBIN WOOD, Nernstweg 32, 22765 Hamburg, Tel.: 040/380892-18


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Der Tropenwald auf Sumatra ist bald komplett gerodet
- Tarmie Ab zeigt auf ein Waldstück am Horizont, das für künftige Generationen bewahrt werden soll
- Fatima berichtet, wie die Polizei die DorfbewohnerInnen bedroht
- Die Plantagen von Wilmar in Kalimantan erstrecken sich über 120.000 Hektar und haben gigantische ökologische Schäden verursacht
- Die Menschen vor Ort fordern, dass die großen Konzeren kein weiteres Land für ihre Ölpalm-Plantagen bekommen dürfen

"Die Palmölfirmen haben schnell gemerkt, dass ich mit meinen Vorstellungen eine Gefahr für ihre guten Geschäfte bin. Man bot mir ein nagelneues Auto an, damit ich Ruhe gebe. Ich habe das natürlich abgelehnt und mich nicht bestechen lassen. Seitdem rechne ich damit, dass die Polizei, die hier der Scherge von Wilmar ist, mich abholt und ins Gefängnis steckt." Tarmie Ab

"Für die Palmölindustrie sind vor allem Flächen interessant, auf denen Wald steht. Das Holz bringt Geld und die Investoren müssen für eine neue Ölpalmen-Plantage nicht so tief in die eigenen Taschen greifen". Feri Irawan, Walhi


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2009