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ANBAU/166: Der Ökolandbau kommt kaum voran - Landwirte zögern bei der Umstellung (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 190 - Februar/März 2016
Die Berliner Umweltzeitung

Der Ökolandbau kommt kaum voran
Landwirte zögern bei der Umstellung

Von Volker Voss


Viele Landwirte in Deutschland spielen mit dem Gedanken, ihren Betrieb auf ökologischen Anbau umzustellen. In über 1.200 Beratungen allein 2015 erläuterte Jan Flagge, Präsident des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), interessierten Landwirten die Bedingungen und Erfordernisse für eine Umstellung auf Öko-Anbau. Denn die Nachfrage nach Öko-Produkten ist groß, mittlerweile sogar höher als die hiesige Produktion an Öko-Lebensmitteln.

So verzeichnet die Branche, um die Nachfrage zu decken, einen hohen Import von Bio-Erzeugnissen. Nichtsdestotrotz ist die Bereitschaft zur Umstellung gering. "So eine Umstellung ist mit großen Risiken verbunden", warnt Plagge. Schließlich sei dies eine Grundsatzentscheidung für die nächsten Generationen, die alles Bisherige infrage stellt. Auch geht es hierbei nicht um einen kurzfristigen Modetrend. Denn Bio ist längst kein Nischenbereich mehr. Mittlerweile führen auch herkömmliche Supermärkte Bio-Produkte, oft sogar preisgünstiger als in den Bioläden und -märkten.

Diejenigen, die bereits umgestellt haben, taten dies oft aus innerer Überzeugung. Die Gründe für die Beibehaltung herkömmlicher Anbauformen sind nicht zu unterschätzen. Immer mehr Landwirte kämpfen ohnehin bereits ums Überleben, viele haben schon aufgegeben. Seit 1991 habe sich die Anzahl der Höfe bereits halbiert. Es sind insbesondere kleine familiär betriebene Höfe, die aufgeben oder am Rande des Existenzminimums weitermachen. Die großen Agrarbetriebe mit wenig Personal verdrängen die kleinen Landwirte, wird von unter wirtschaftlichen Druck geratenen Bauern berichtet.

Hohe Pachtpreise

Der Bio-Anbau ist auch nicht dazu geeignet, die aktuelle Krise in der Landwirtschaft zu lösen. Eine Besserung im konventionellen Bereich ist nicht Sicht. Für viele ist dann Aufgeben die einzige Alternative. Bedenkt man, dass Landwirte in einigen Regionen gerade mal noch 24 Cent für den Liter Milch bekommen, ist es nachvollziehbar, dass vielen das Wasser bis zum Hals steht. Für eine Umstellung ist es dann zu spät. Andererseits lassen sich beispielsweise mit Mais für Biogas-Anlagen höhere Deckungsbeiträge erwirtschaften als mit Öko-Landbau. Die gestiegenen Pachtpreise in Biogas-Regionen können Öko-Landwirte nicht zahlen. Negativ wirkt sich auch die unzuverlässige Förderung des ökologischen Landbaus in einigen Bundesländern aus, bemängelt der BÖLW, Betriebe, die die Voraussetzungen erfüllen, müssen auch umstellen können, beispielsweise um in den Genuss langfristiger Lieferverträge und finanzieller Beihilfe zu kommen.

Bei einer Expertenanhörung der Grünen Bundestagsfraktion zum Thema, brachten Politiker, Vertreter landwirtschaftlicher Betriebe und Verbände ihre Vorschläge und Kritiken ein. So erinnerte ein Landwirt daran, dass die Pachtfläche im Agrarbereich mittlerweile mehr als 80 Prozent der verfügbaren Anbaufläche betrage. So sei die jetzige Eigentumsstruktur Schuld an der Misere in der Landwirtschaft. Es seien die großen Kapitalgesellschaften, die sich den Zugriff sicherten. Besonders gravierend sei dies in den neuen Bundesländern. Laut Berechnung des Deutschen Bauernverbandes sind die Pachtpreise in einigen Regionen so stark gestiegen, dass sie Ökobauern nicht mehr zahlen können. Es gebe einen enormen Strukturwandel in der Landwirtschaft.

Kritik wurde auch an den auf ökologische Produkte konzentrierten Einzelhandel geübt. So bildeten sich in diesem Bereich mittlerweile Monopolstellungen einiger Biohändler heraus, ähnlich wie im konventionellen Handel. Kleine Händler verschwinden zusehends vom Markt. Manche Biolandwirte müssten sich ihre eigenen Abnehmerstrukturen schaffen, weil sonst die Großabnehmer die Bedingungen bestimmten, wurde Kritik laut.

Was ist günstiger?

Viele Fragen stellen sich Umstellungs-Interessierten: Welcher Betrag kann nach der Umstellung erwirtschaftet werden? Ist ein Ökobetrieb überhaupt zukunftsfähig? Gibt es Beihilfen für die Zeit der Umstellung? Jede Investition muss kalkuliert werden: Ist es günstiger, Mineraldünger - wie in der Biolandwirtschaft üblich - zu verwenden oder doch Pestizide? "Denn spritzen müssen grundsätzlich herkömmliche, aber auch nach biologischen Kriterien arbeitende Landwirte", merkt Jan Plagge an. Ein weiterer Punkt ist die stark auf herkömmliche Landbewirtschaftung ausgerichtete Ausbildung, die zu wenig Ökolandbau beinhaltet. Besonders zu schaffen macht Bio-Landwirten die Konkurrenz aus Mittel- und Osteuropa, die mit preisgünstigeren Bio-Produkten den hiesigen Markt beliefert. Da können hiesige Landwirte nicht mithalten.

Es gibt also viele Gründe, warum Landwirte nicht auf Bio umstellen, obwohl viele dies tun würden. Für eine derartige Neuorientierung müssten aus der Politik positivere Signale kommen, fordert Dr. Manon Haccius, Abteilung Qualitätsmanagement bei Alnatura. Sie bemängelt, dass die gesetzlichen Anforderungen meist nicht nachvollziehbar seien. Die Regeln für den ökologischen Landbau seien bereits überreguliert. Zudem gebe es aufgrund unsteter Umstellungs- und Beibehaltungsförderungen der Bundesländer wenig Planungssicherheit, kritisiert Eric Brenneke, konventioneller Landwirt aus Niedersachsen. Insbesondere sollte auch stärker kommuniziert werden, dass Ökolandbau umweltschonender ist als herkömmlicher Anbau. Beispielsweise fallen weniger Pflanzenschutzmittel-Rückstände an. Auch der geringere Einsatz von Tierarzneimitteln und das Verbot synthetischer Pflanzenschutzmittel schonen Grundwasser und Oberflächengewässer. Der Verzicht auf mineralische Dünger und synthetische Pflanzenschutzmittel vermindert den Energieverbrauch und zugleich die Emission klimaschädlicher Gase.

Stagnierende Zahlen

2014 betrug der Anteil der Biolandwirtschaft an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche gerademal 6,3 Prozent. Gegenwärtig stagniert der Zuwachs. Damit rückt das Ziel der Bundesregierung eines 20-prozentigen Anteils der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in weite Ferne, so der aktuelle Bericht des Umwelt Bundesamtes zum Thema.

Trotz aktuell sinkender Betriebszahlen in der Landwirtschaft nahm laut Statistischem Bundesamt die Anzahl der Ökolandbau-Betriebe 2013 noch um neun Prozent zu. So gab es in Deutschland Ende 2013 immerhin 18.000 Ökohöfe. das Jahr 2014 vermeldet das Umweltbundesamt (UBA) hingegen bereits eine Zunahme um fast 6.000 ökologisch bewirtschafteten Betrieben, also ein sprunghafter Anstieg auf 24.000 Höfe. Wie viele ökologische Betriebe es nun tatsächlich gibt, ist trotzdem nicht eindeutig nachvollziehbar. Hinweis des UBA: Den Berechnungen liegen unterschiedliche Erhebungsmethoden zugrunde. "Alternativ vom Statistischen Bundesamt in seiner Nachhaltigkeitsberichterstattung bereitgestellte Zahlen weisen aufgrund einer anderen Erfassungsmethode und eines anderen Erhebungszeitpunktes geringere Anteile der Ökolandbaufläche an der gesamten Landwirtschaftsfläche aus".

Unumstritten ist, dass der Umbau der Landwirtschaft sehr teuer sein wird, sagt Landwirt Brennecke. Sonst sollte man es gleich sein lassen. Notwendig sei eine Umschichtung bei der Agrarforderung, um die dringend notwendigen gleichen Wettbewerbsrahmenbedingungen für den Ökolandbau zu schaffen, schlägt Bioland-Berater Martin Kötter-Jürß vor.

Weitere Informationen:
www.umweltinstitut.org
www.boelw.de
www.umweltbundesamt.de

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 190, Seite 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2016

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