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ENERGIE/060: Bioenergie - Energieholzplantagen als Alternative zur Waldnutzung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Boom der Bioenergie - Chance oder Risiko?
Energieholzplantagen als Alternative zur Waldnutzung

Von Florian Schöne


Angesichts steigender Preise für fossile Energieträger hat die Nachfrage nach Biomasse zur energetischen Verwertung in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Entwicklung wird flankiert durch die gesetzlichen Vorgaben im Bereich der erneuerbaren Energien, die auch zukünftig eine steigende Bedeutung der Bioenergie erwarten lassen. Für die Land- und Forstwirtschaft sind dadurch neue Einkommensmöglichkeiten entstanden. Für den Umwelt- und Naturschutz kann die Produktion unter bestimmten Bedingungen Chancen bieten, sie birgt jedoch auch erhebliche Risiken.

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und der Beimischungspflicht für Biokraftstoffe hat die Bundesrepublik Zeichen gesetzt für einen zunehmenden Einsatz von Biomasse als Ersatz für fossile Energie. Das hat die Nutzung von Ackerflächen in Deutschland bereits stark geprägt. So hat sich innerhalb von drei Jahren die Anbaufläche von Mais zur Verwertung in Biogasanlagen fast verzwanzigfacht, auf nunmehr über eine halbe Million Hektar. Auch der Rapsanbau zur Produktion von Biodiesel nahm in den letzten Jahren stetig zu und macht heute mit rund 1,1 Millionen Hektar den Hauptteil der nachwachsenden Rohstoffe aus. An der gesamten Ackerfläche in Deutschland hat der Anbau von Energiepflanzen mit rund 1,75 Millionen Hektar einen Anteil von gut 14 Prozent. Mittlerweile wird jedoch deutlich, dass sich durch den rasanten Anstieg der Biomasseproduktion mit einseitiger Ausrichtung auf Monokulturen aus Raps und Mais sowie durch die zunehmenden Flächenkonkurrenzen die Natur- und Umweltsituation zum Teil deutlich verschlechtert.


Risiken der Biomasseproduktion

So wurde auf ertragreichen Standorten vielerorts die Fruchtfolge extrem verengt, um die Wirtschaftlichkeit der Anlagen sicherzustellen. Aus demselben Grund werden zunehmend Brachen und weniger ertragreiche Anbauflächen sowie extensiv bewirtschaftetes Grünland für den Anbau von Biomasse genutzt. Die Nutzungskonkurrenz zwischen Lebensmittel- und Energieerzeugung hat auch Auswirkungen auf die Pachtpreise, dadurch verlieren bewährte Agrarumweltprogramme an Attraktivität, und der Druck auf Naturschutzflächen steigt. Aus Sicht des Naturschutzes sind eine Reihe von Risiken mit einer intensiven Bioenergieproduktion verbunden:

• Grünlandumbruch und Gewässerbelastung: Trotz gegenteiliger EU- Vorschriften wird derzeit zunehmend Grünland in Ackerland umgewandelt. Das betrifft insbesondere Feuchtgrünland in Nord- und Westdeutschland, das für den Anbau von Mais genutzt wird, und macht auch vor Naturschutzgebieten nicht halt. Die hohen Düngemittelgaben, die der Mais benötigt, führen überdies zu erheblichen Nährstoffbelastungen von Grundwasser und Oberflächengewässern.

• Grünlandintensivierung: Aus der Biomasse von Wiesen lässt sich Energie erzeugen. Für die Biogasproduktion wird nährstoffreiches Intensivgrünland bevorzugt, das pro Jahr vier Mal und öfter gemäht wird. So gehen traditionelle, artenreiche Wiesen zunehmend verloren.

• Vorgezogene Erntetermine: Beim Anbau von zwei Kulturen in einem Jahr (z.B. Mais nach Grünroggen) erfolgt die erste Ernte Anfang Juni, zur wichtigsten Vermehrungszeit vieler Tier- und Pflanzenarten. Dieser ackerbauliche Eingriff bedroht die Bodenbrüter (wie zum Beispiel die Feldlerche) und führt zu einer ungenügenden Aussamung von Ackerwildkräutern.

• Vermehrte Nutzung von Stilllegungsflächen: Von 1,2 Millionen Hektar Stilllegung in Deutschland wurden 2006 allein 450.000 ha für nachwachsende Rohstoffe genutzt. Damit verliert die Flächenstilllegung, die ursprünglich als Instrument zur Begrenzung von Überschüssen eingeführt wurde, ihre Bedeutung zur Schaffung wichtiger Rückzugsräume für viele Tier- und Pflanzenenarten in ausgeräumten Ackerbauregionen. Dies gilt umso mehr, als die Pflicht zur Flächenstilllegung seit Herbst 2007 endgültig abgeschafft ist. Seitdem sind weitere 340.000 ha Brachen wieder in Nutzung genommen worden. Sofern kein neues Instrument zum Erhalt ökologischer Vorrangflächen in Ackerbauregionen geschaffen wird, ist mit einem weiteren Rückgang der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft zu rechnen.

• Veränderung des Landschaftsbildes: Durch die Vereinheitlichung der Fruchtfolgen sowie durch den Anbau neuer Kulturen (schnellwachsende Hölzer, Schilfgras u.a.) kann sich das Erscheinungsbild der bisher vielfältigen Kulturlandschaften erheblich verändern.

• Intensivierung der Waldnutzung: Auch im Wald hat die steigende Nachfrage nach Holz eine Nutzungsintensivierung zur Folge. So macht das Bundeslandwirtschaftsministerium in seinem "Nachhaltigkeitskonzept" deutliche Nutzungsreserven bei Laub- und Restholz aus und fordert die Einführung einer "Holzmobilisierungsprämie" sowie die "Verjüngung überalterter Bestände". Die erhöhten Struktur- und Biomasseausträge im Wald bergen jedoch weitreichende Gefahren für das Ökosystem (z.B. Nährstoffmangel, Veränderung der Artenzusammensetzung) und stehen in direkter Konkurrenz zur naturschutzfachlichen Forderung nach mehr Alt- und Biotopholz im Wald.


Biomasse effizient und naturverträglich produzieren

Biomasse kann durchaus einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zu einer nachhaltigen Energieversorgung leisten. Bei Flächenknappheit, Nutzungskonkurrenz und Risiken für die Umwelt ist es aber nicht mehr gerechtfertigt, die Nutzung und die staatliche Förderung von Bioenergie per se als positiv darzustellen. Vielmehr geht es darum, Biomasse möglichst effizient zu nutzen.

Die bisher geförderten Bioenergieverfahren (z. B. Rapsdiesel und Biogas auf Maisbasis) sind jedoch äußerst ineffizient, da sie Treibhausgas-Vermeidungskosten von zum Teil über 300 Euro pro Tonne CO2 aufweisen. Um einen sinnvollen Klimaschutz zu erreichen, sollten künftig nur noch Verfahren unterstützt werden, die weniger als 50 EUR/t CO2-Vermeidungskosten verursachen. Neben der Biogaserzeugung auf Gülle- oder Reststoffbasis ist dies unter anderem die kombinierte Strom- und Wärmeerzeugung auf Basis von Hackschnitzeln aus Waldrestholz oder Kurzumtriebsplantagen. Durch einen entsprechenden Kurswechsel in der Förderung ließe sich nach Aussage des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeslandwirtschaftsministerium "bei gleichbleibendem Einsatz von Ressourcen und Flächen der Beitrag der Bioenergie zum Klimaschutz mehr als verdreifachen".

Vor diesem Hintergrund sollte die Natur- und Umweltverträglichkeit der geförderten Technologien, Anbaumethoden und Anbaupflanzen zur Voraussetzung für die staatliche Unterstützung werden. Die Gefahr einer Überbeanspruchung von Naturräumen und eines Verlustes von Biodiversität sollte etwa durch verbindlich festzuschreibende Mindeststandards vermieden werden. So müsste die Förderung an folgende Kriterien gekoppelt werden:

• Beschränkung des Anteils einer Fruchtart (z.B. Silomais) in der Biogasanlage auf maximal 50% sowie Einhaltung einer mindestens dreigliedrigen Fruchtfolge,

• Verzicht auf Grünlandumbruch,

• Verzicht auf Gentechnik.


Energieholzplantagen als Alternative?

Um den Bedarf vor allem für die Wärmeerzeugung zu decken, wird als zusätzliche Quelle für Energieholz zunehmend die Anlage von Plantagen mit schnellwachsenden Hölzern auf landwirtschaftlichen Flächen diskutiert. Diese Kulturen erbringen hohe Trockenmasseerträge und hohe Treibhausgas-Einsparungen bei geringen Kosten. Aus Klima- und Umweltsicht sind sie damit gegenüber herkömmlichen Bioenergieverfahren wie Rapsdiesel oder Biogas aus Silomais im Vorteil. Auch aus Sicht des Naturschutzes bieten Kurzumtriebsplantagen zahlreiche Chancen, da sie hochwertiger einzuschätzen sind als intensiv genutzte Ackerkulturen und zugleich den Nutzungsdruck im Wald reduzieren.

Kurzumtriebsplantagen können jedoch - wie alle großflächig angebauten Monokulturen - zur Homogenisierung und Monotonisierung der Landschaft beitragen. Auch ist ihre Bedeutung für bedrohte Tier- und Pflanzenarten eher gering, da vor allem "Allerweltsarten" die Pappel- oder Weidenkulturen besiedeln. Trotzdem haben die Plantagen im Vergleich zu anderen, einjährigen Energiepflanzen zahlreiche Vorteile. So profitieren die Arten auf einer Energieholzfläche gegenüber den Anbauflächen von Mais und Raps zum Beispiel von der längeren Bodenruhe, dem geringeren Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie den geringeren Störungen. Daher sind durch die Anlage von Kurzumtriebsplantagen in ausgeräumten Landschaften positive Auswirkungen für Natur und Umwelt zu erwarten. Naturschutzfachlich wichtige Gebiete wie Magerrasen, Feuchtwiesen, Bachauen oder Brachflächen sowie Offenlandgebiete mit Wiesenbrütervorkommen sind jedoch strikt von einem Energieholzanbau freizuhalten.


Schlussfolgerungen

Biomasse sollte nicht nur effizient, sondern auch naturverträglich angebaut werden. Raumordnerische Konzepte und Auflagen könnten Flächenkonkurrenzen mit dem Naturschutz vermeiden helfen. Um die Strukturvielfalt zu wahren bzw. wiederherzustellen, empfiehlt es sich, alternative Anbauverfahren (z.B. Mischkulturen) und Kulturpflanzen zu verwenden, die sich zu einem Mosaik verschiedener Anbauformen in der Landschaft fügen. Ratsam wäre es, Schlaggrößen regionalspezifisch zu begrenzen. Auch streifenförmig angelegte Kulturen mit schnellwachsenden Hölzern können die biologische Vielfalt bereichern.

Bedingt durch die Vielzahl von Nutzungsansprüchen an die weltweit verfügbaren Flächen, wird Bioenergie in Zukunft allerdings nur einen begrenzten - aber gleichzeitig unverzichtbaren - Beitrag zum zukünftigen Energiemix leisten können. Längerfristig sollten vorrangig Ressourcen, die für die Ernährungssicherung nicht gebraucht werden, zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Effiziente Nutzung hat dabei oberste Priorität. Außerdem kann die Bioenergie nur bei einer gleichzeitigen Verminderung des gesamten Energieverbrauchs in den Industrieländern einen spürbaren Beitrag zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit leisten. Eine Entwicklung im Einklang mit Natur und Umwelt ist die Voraussetzung dafür, dass die öffentliche Akzeptanz der Bioenergie langfristig erhalten bleibt.

Der Autor ist Referent für Agrarpolitik & Bioenergie und Stellvertretender Fachbereichsleiter Naturschutz und Umweltpolitik beim NABU - Naturschutzbund Deutschland e. V.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2009