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FORSCHUNG/355: Klimawandel und Weizenqualität (ForschungsReport)


ForschungsReport 2/2011
Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz

Klimawandel und Weizenqualität

von Georg Langenkämper, Christian Zörb, Meinolf G. Lindhauer (Detmold), Herbert Wieser, Peter Köhler (Freising), Petra Högy, Jürgen Franzaring und Andreas Fangmeier (Hohenheim)


Hat der Klimawandel mit all seinen Konsequenzen Einfluss auf die Qualität des Weizens? Ändern sich damit auch die Backeigenschaften und die Verwertbarkeit des Weizenmehls? Diesen Fragen ist ein Forscherteam aus dem Max Rubner-Institut gemeinsam mit Kollegen der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie und der Universität Hohenheim nachgegangen.

Der Klimawandel steht in direktem Zusammenhang mit dem Konzentrationsanstieg des klimarelevanten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist seit Beginn der Industrialisierung von 280 auf heute über 380 ppm (parts per million) angestiegen und liegt damit nach Berichten des Weltklimarates (IPCC; Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) höher als jemals zuvor in den letzten 630.000 Jahren. Diese Tendenz setzt sich fort - für das Jahr 2050 wird eine CO2-Konzentration von 550 ppm prognostiziert.

Die Erhöhung der CO2-Konzentration wirkt sich auf landwirtschaftliche Kulturpflanzen und Agrarökosysteme in vielfältiger Weise aus: Zum einen indirekt durch Veränderungen von Niederschlagsmustern und Temperaturanstieg, zum anderen aber auch ganz direkt, denn das CO2 dient den Pflanzen als unverzichtbarer Grundstoff für ihr Wachstum. Über die Photosynthese produzieren sie aus CO2 und Sonnenlicht Biomasse. Steigt die Konzentration dieses Gases, kann das zu einem verbesserten Wachstum führen - man spricht dann vom CO2-Düngeeffekt.

Gut untersucht sind inzwischen die möglichen Konsequenzen einer erhöhten CO2-Konzentration auf den Ertrag - auch unter Freilandbedingungen (siehe ForschungsReport 1/2005). Wie verändert sich aber die Qualität von Weizen im Hinblick auf die Verwertbarkeit als Nahrungsmittel? Dies ist die zentrale Fragestellung der hier vorgestellten Forschungsarbeiten.


Info:

Free-air carbon dioxide enrichment (FACE) ist eine technische Versuchsanordnung, mit der steigende CO2-Konzentrationen (Hauptursache des Klimawandels) direkt im Freiland simuliert werden können. Mit solchen Systemen kann bereits heute der Einfluss von erhöhtem CO2 auf die landwirtschaftlichen Produktionssysteme in der Zukunft untersucht werden. Hierzu wird reines CO2 je nach Windrichtung und -stärke über dünne Leitungen direkt in die Pflanzenbestände abgegeben, so dass das Mikroklima (Wind, Sonnenstrahlung, Verdunstung) nicht beeinflusst wird.


Erhöhte CO2-Konzentration in Feldversuchen

Um die Wachstumsbedingungen bei den künftigen CO2-Verhältnissen realitätsnah zu simulieren, wurde Sommerweizen (Triticum aestivum) der Sorte TRISO über drei Anbaujahre im Freiland unter erhöhter (550 ppm) im Vergleich zur aktuellen CO2-Konzentration (380 ppm) angebaut. Die Versuche fanden in der so genannten Mini-FACE-Anlage der Universität Hohenheim statt (s. Infokasten und Abb. 1).

Foto: © Dr. Petra Högy und Prof. Dr. Andreas Fangmeier, Universität Hohenheim

Abb. 1: FACE-System für Feldexperimente mit erhöhtem CO2 in der Atmosphäre an der Universität Hohenheim. Die CO2-Konzentrationen innerhalb der Versuchsflächen betragen entweder 380 ppm (derzeitige Konzentration) oder 550 ppm (zukünftige Konzentration).
Foto: © Dr. Petra Högy und Prof. Dr. Andreas Fangmeier, Universität Hohenheim

Über alle drei Anbaujahre hinweg wurden die oberirdische Biomasse (Blätter, Stängel, Ähren) sowie die Ertragsparameter zur Kornreife (Anzahl von Ähren, Körnern und Flächenertrag) erfasst. Es zeigte sich, dass im Durchschnitt sowohl die Biomasse als auch die Ertragsparameter zunahmen (Abb. 2). Obwohl es keine signifikanten Veränderungen im Tausendkorngewicht gab (Abb. 2), konnte eine gewisse Verschiebung der Korngrößenfraktionen hin zu kleineren Körnern festgestellt werden. Ein vermehrter Anteil kleinerer Weizenkörner ist aus Sicht der Weizenverarbeitung unerwünscht und hat damit direkte Folgen für den Vermarktungswert der Ware. Dies ist ein erstes Indiz dafür, dass die Qualitätseigenschaften des Weizens durch erhöhtes CO2 beeinflusst werden.


Effekte auf Weizenproteine und Qualitätsparameter

Um die Proteine des Weizens und die CO2-bedingten Veränderungen in der Proteinzusammensetzung quantitativ zu bestimmen, setzten wir moderne Analysenmethoden wie die Hochleistungs-Flüssigchromatographie (HPLC) und die zweidimensionale Gel-Elektrophorese (2D-GE) ein.

Die Backfähigkeit von Weizen hängt vor allem vom Proteingehalt des Mehls und von der Zusammensetzung der Proteine ab. Nicht nur für die Brotherstellung sind diese Qualitätsparameter von Bedeutung, sondern auch für die Produktion so großer Lebensmittelgruppen wie Feine Backwaren und Teigwaren. Unter CO2-Anreicherung nahm der Proteingehalt im Weizen ab (Abb. 3). Auch das Gluten (Kleberprotein; entscheidend für die Backfähigkeit) war unter diesen Bedingungen reduziert (Abb. 3). Gluten bildet im Teig ein starkes, dreidimensionales Netzwerk, bestehend aus den Proteinfraktionen der Gliadine und Glutenine. Während die Gliadine die Teigdehnbarkeit beeinflussen, sind die Glutenine für die Teigfestigkeit und -elastizität verantwortlich. Unter erhöhtem CO2 war der Mengenanteil der Gliadine geringer (Abb. 3). Somit verändert sich auch das Verhältnis von Gliadinen zu Gluteninen - und damit die Backfähigkeit bzw. die Backeigenschaften.

Um noch detaillierter Veränderungen der Proteinzusammensetzung im Weizenkorn zu untersuchen, bietet sich die 2D-GE an. Diese Methode erlaubt die hochauflösende Trennung von mehreren hundert individuellen Proteinen in einem Analysengang (Abb. 4). Unsere Untersuchungen von Weizen eines Anbaujahres ergaben, dass unter erhöhten CO2-Bedingungen 16 Kornproteine in höherer und 16 in niedrigerer Konzentration vorlagen als bei den Vergleichsproben, die unter heutigen CO2-Verhältnissen gewachsen waren. Einige dieser Proteine konnten wir identifizieren (Abb. 4). So kamen drei individuelle Glutenin-Proteine mit verringerten relativen Konzentrationen vor. Da gerade die hochmolekularen Glutenin-Untereinheiten (HMW-Glu) die Teigeigenschaften stark beeinflussen, weist auch dieses Ergebnis auf eine veränderte Verarbeitungsqualität unter erhöhtem CO2 hin.

In weiteren Untersuchungen befassten wir uns mit Verarbeitungsqualitäten wie den Knet- und Fließeigenschaften der Teige sowie der Backfähigkeit des Weizens. Der Kleberwiderstand war in den Proben, die aus der Mini-FACE-Anlage mit erhöhten CO2-Verhältnissen stammten, erhöht, was ebenfalls auf das veränderte Mengenverhältnis von Gliadinen zu Gluteninen zurückzuführen sein dürfte. Darüber hinaus ergaben sich Hinweise, dass das Teigvolumen von Gebäckstücken durch den CO2-Anstieg abnehmen könnte. Um hier gegenzusteuern, müsste künftig die Verarbeitungskette angepasst werden.


Effekte auf Aminosäuren und Mineralstoffe

Weizen stellt eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel weltweit dar. Daher ist es unerlässlich, die Inhaltsstoffe des Weizens aus dem FACE-Experiment auch unter dem Aspekt der Ernährungsqualität zu betrachten.

Bei einer erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre nehmen in den Weizenkörnern - korrespondierend zum Gesamt-Proteinanteil - auch die Konzentrationen der Aminosäuren ab. Je nach Aminosäure konnten wir einen Rückgang von 5 bis 11% ermitteln (Abb. 5). Einige Aminosäuren kann der Körper nicht selbst synthetisieren, sie müssen mit der Nahrung aufgenommen werden (sog. essentielle Aminosäuren). Da Weizenprotein von Natur aus nur relativ geringe Mengen der essentiellen Aminosäuren Lysin und Tryptophan enthält, ist eine weitere, CO2-bedingte Verminderung dieser Aminosäuren unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten nicht wünschenswert.

Je nach absolut vorkommender Menge in den Pflanzen werden Mineralstoffe in Makro-, Mikro- und Spuren-Elemente unterteilt. Ein einheitlicher Trend hinsichtlich der untersuchten Mineralstoffgruppen im Weizenkorn zeigte sich nicht. Die Konzentrationen von Kalium, Molybdän und Blei stiegen unter erhöhten CO2-Bedingungen an, während die von Magnesium, Eisen, Cadmium und Silizium abnahmen (Abb. 6). Alle anderen Mineralstoffe wurden nicht beeinflusst. Als ungünstig ist die Abnahme des für die menschliche Ernährung wichtigen Mineralstoffs Eisen zu bewerten, ebenso die Zunahme von Blei. Günstig hingegen sind die Zunahme von Kalium und die Abnahme von Cadmium. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Tendenzen je nach Standort- und Bodenbedingungen anders ausfallen können.


Fazit und Ausblick

Erhöhte CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre beeinflussen die chemische Zusammensetzung des Weizenkorns und somit die Weizenqualität. Dies kann Konsequenzen für die Ernährung und Gesundheit der Konsumenten haben. Darüber hinaus wirken sie sich auch auf die industrielle Verarbeitung, die Produktqualität sowie die Vermarktung aus. Folgen für die regionale und globale Rohstoffversorgung bzw. die Lebensmittel- und Futtermittelqualität wichtiger landwirtschaftlicher Kulturarten können daher nicht ausgeschlossen werden.

Inwieweit können Fortschritte in der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsweise (z. B. N-Düngung), in der Produktionstechnologie und in der Pflanzenzüchtung die negativen Folgen des Klimawandels ausgleichen? Diese Frage lässt sich heute noch nicht beantworten. Ergebnisse aus FACE-Versuchen, mit denen sich im Freiland die künftigen CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre simulieren lassen, sind in diesem Zusammenhang sehr hilfreich. Allerdings ist die experimentelle Datenbasis hier noch recht dünn, da es weltweit erst wenige FACE-Studien gibt. Um eine besser belastbare Datenbasis hinsichtlich der CO2-Effekte auf die Weizenqualität und damit die Qualität und Sicherheit der entsprechenden Lebensmittel zu erhalten, sollten weitere FACE-Experimente über mehrere Anbaujahre, mit verschiedenen Sorten und an verschiedenen klimatischen Standorten durchgeführt werden.


Dr. (NZ) Georg Langenkämper, Dr. Christian Zörb, Prof. Dr. Meinolf G. Lindhauer, Max Rubner-Institut (MRI), Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide, Schützenberg 12, 32756 Detmold. E-Mail: georg.langenkaemper[at]mri.bund.de

Dr. Herbert Wieser, Prof. Dr. Peter Köhler, Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA), Leibniz Institut und Hans-Dieter-Belitz-Institut für Getreideforschung, Lise-Meitner-Straße 34, 85354 Freising

Dr. Petra Högy, Dr. Jürgen Franzaring, Prof. Dr. Andreas Fangmeier, Universität Hohenheim, Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, August-von-Hartmann Str. 3, 70599 Stuttgart


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 2: CO2-Effekte auf Biomassefraktionen und Ertragsparameter von Weizen. Die Ergebnisse der statistischen Varianzanalyse sind über verschiedene Signifikanzniveaus angegeben:
*** P ≤ 0,001; ** P ≤ 0,01; * P ≤ 0,05; (*) 0,1 ≥ P ≥ 0,05 (Trend). TG = Trockengewicht; TKG = Tausendkorngewicht. [1]

Abb. 3: CO2-Effekte auf Protein und Proteinfraktionen im Weizenkorn. Symbole der Varianzanalyse siehe Legende zu Abb. 2.1

Abb. 4: Proteine im Weizenkorn, getrennt durch zweidimensionale Gel-Elektrophorese, gefärbt mit Coomassie-Blau. Rot markierte Beschriftungen: Proteine mit höheren relativen Konzentrationen bei erhöhtem CO2. Blau markierte Beschriftungen: Proteine mit niedrigeren relativen Konzentrationen bei erhöhtem CO2. Abkürzungen: HMW = high molecular weight; Glu = Glutenin; Bx17 und 1By9 bezeichnen bestimmte Gluteninuntereinheiten; LMW = low molecular weight; GAPDH = Glycerinaldehyd-3-phosphat-dehydrogenase. [2]

Abb. 5: CO2-Effekte auf Aminosäuren im Weizenkorn. Symbole der Varianzanalyse siehe Legende zu Abb. 2.1

Abb. 6: CO2-Effekte auf Mineralstoffe im Weizenkorn. Untersucht wurden Natrium (Na), Kalium (K), Calcium (Ca), Magnesium (Mg), Phosphor (P), Schwefel (S), Eisen (Fe), Zink (Zn), Selen (Se), Kupfer (Cu), Mangan (Mn), Chrom (Cr), Molybdän (Mo), Nickel (Ni), Cadmium (Cd), Blei (Pb) und Silizium (Si). Symbole der Varianzanalyse siehe Legende zu Abb. 2.1

Fußnoten:
[1] Reprinted from Plant Biology, Vol 11 (Suppl. 1), Högy P., Wieser, H., Köhler, P., Schwadorf, K., Breuer, J., Franzaring, J., Muntifering, R., Fangmeier A., Effects of elevated CO2 on grain yield and quality of wheat: results from a three-year FACE experiment, 60-69, Copyright 2009, with permission from John Wiley and Sons and German Botanical Society and The Royal Botanical Society of the Netherlands.
[2] Reprinted from Journal of Cereal Science, Vol 50, Högy P., Zörb C., Langenkämper G., Betsche T., Fangmeier A., Atmospheric CO2 enrichment changes the wheat grain proteome, 248-254, Copyright 2009, with permission from Elsevier.

Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


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Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
2/2011, Heft 44 - Seite 21-23
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Schriftleitung & Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsanstalten
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2012