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FORSCHUNG/481: Aktenzeichen P (Leibniz)


Leibniz-Journal - Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft 4/2014

Aktenzeichen P

von Wiebke Peters


Phosphor wird knapp. Der Bedarf an dem unverzichtbaren Dünger steigt, und damit auch sein Preis. Gleichzeitig wird Phosphor oft verschwendet oder gelangt ungenutzt ins Abwasser. Jetzt kämpfen Wissenschaftler gegen die drohende Rohstoffkrise.

Wer ernten will, muss düngen. Nach dieser simplen Regel funktioniert Nahrungserzeugung weltweit: Nur Landwirte, die ihre Äcker mit Phosphor versorgen, fahren jedes Jahr reiche Ernte ein, denn ohne den Nährstoff mit dem Elementsymbol P wachsen Pflanzen nicht. Auch sonst ist Phosphor unersetzlich: Kein anderes Element kann die vielfältigen und für alle Lebewesen - ob Mensch, Tier oder Pflanze - essenziellen Aufgaben dieses Mineralstoffs übernehmen. Unter anderem steckt Phosphor in Knochen und Zähnen, ist Bestandteil der DNA, spielt eine entscheidende Rolle beim Energiestoffwechsel von Zellen.

Das Element kommt als Rohstoff nur in gebundener Form vor, als Phosphatmineral; davon werden weltweit jährlich etwa 220 Millionen Tonnen abgebaut und zu Dünger verarbeitet. Das Problem: Weil immer mehr Menschen auf der Erde leben, für die immer mehr Nahrungsmittel produziert werden müssen, wächst der weltweite Bedarf an der endlichen Ressource, nach Schätzungen der EU-Kommission bis zum Jahr 2050 um etwa 50 Prozent.

800 Prozent Preisanstieg

Wie kostbar Phosphor ist, zeigte sich im Jahr 2008 auf schmerzliche Weise: China verknappte das Phosphat-Angebot künstlich, der Preis schoss um 800 Prozent nach oben, Nahrungsmittel verteuerten sich, und durch die Kombination mit wetterbedingten Ernteausfällen kam es in vielen armen Ländern zu Hungersnöten.

Ein neuer Umgang mit Phosphor ist also nötig. Einmal verwendet, muss er zumindest teilweise wieder aufbereitet und neu genutzt werden. Phosphor-Recycling lohnt sich, 60 Prozent des importierten Phosphats könnten in Deutschland nach Expertenschätzungen durch wiederverwerteten Phosphor ersetzt werden - vielleicht sogar mehr.

Wie man Phosphor effizienter und nachhaltiger nutzen kann, ist das zentrale Anliegen vieler Forschungsvorhaben. Jürgen Kern vom Leibniz-Institut für Agrartechnik Bornim (ATB) hat sich in einem Projekt zur Wiederverwertung von Abwasser in der Landwirtschaft damit beschäftigt. Abwasser-Recycling verspricht reiche Phosphor-Ausbeute, denn jeder Mensch scheidet Tag für Tag den Überschuss der vom Körper benötigten Menge, die er über die Nahrung zu sich nimmt, aus. Schon seit Jahrzehnten werden deswegen Klärschlämme zur Düngung auf Äcker aufgebracht. In diesen Schlämmen stecken wichtige Nährstoffe, aber auch Schwermetalle. Mittels chemischer Verfahren lassen sich jedoch phosphathaltige Verbindungen wie Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP) aus Klärschlämmen herauskristallisieren, die deutlich geringer belastet sind. Dass MAP im Jahr 2008 als Düngemittel zugelassen wurde, war unmittelbare Folge der ATB-Forschung. Jürgen Kern und sein Team konnten nachweisen, dass Phosphor aus MAP-Dünger, obwohl nur zu einem sehr geringen Teil wasserlöslich, genauso wirksam wie herkömmliche Düngemittel ist - und umweltfreundlicher: "In Phosphatdüngern aus Nordafrika stecken etwa 15 mg Cadmium pro Kilo, eine Menge, die langfristig als nicht unbedenklich einzustufen ist", sagt Kern.

Zu viel Gülle auf dem Acker

Neben der Wiederverwertung von Phosphor ist auch sein sparsamerer Einsatz sinnvoll und möglich. Davon sind wir heute allerdings weit entfernt. Besonders Wirtschaftsdünger wie Gülle und Gärreste werden regional noch viel zu großzügig auf den Äckern verteilt. Phosphordünger einzusparen, ist eines der Themen, denen sich der Leibniz-WissenschaftsCampus Phosphorforschung Rostock widmet. 80 Wissenschaftler von fünf Leibniz-Instituten und der Universität Rostock bearbeiten in dem regionalen Netzwerk mehr als 30 Projekte. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, welche Rolle die Gene von Tieren und Pflanzen für die Aufnahme des Mineralstoffs spielt und wie sich erreichen lässt, dass sie mit einer geringeren Phosphorgabe auskommen. Klaus J. Dehmer vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung hat der Rostocker Universität für ein im Herbst 2014 gestartetes Projekt Knollen von bis zu 250 Jahre alten Kartoffel-Sorten aus verschiedenen Herkunftsländern zur Verfügung gestellt. Dort wird untersucht, wie variabel der Phosphorgehalt in Kartoffelknollen sein kann und welche Genotypen besonders effizient in Bezug auf die Phosphoraufnahme sind, also mit wenig Dünger aus kommen.

Klaus Wimmers vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie untersucht ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Uni Rostock die genetische Variabilität von Schweinen in Bezug auf den Phosphor-Umsatz. Erste Ergebnisse zeigen, dass es innerhalb einer Rasse Tiere gibt, die Phosphor effizienter nutzen als andere. Selektiert man die Schweine mit besonders "Phosphor-effizienten" Genen und züchtet diese gezielt, könnte zukünftig die Phosphor-Aufnahme und -Ausscheidung bei diesen Tieren optimiert und die Phosphor-Zufuhr somit abgesenkt werden.

Um neuartige Recycling-Düngemittel geht es in einem weiteren Projekt des Wissenschafts-Campus. Peter Leinweber, Professor für Bodenkunde an der Universität Rostock, will ein schadstofffreies Material zum Düngen von Äckern finden. Sein Team macht Versuche mit Knochenkohle. Sie entsteht, indem Schlachtabfälle - entfettete und von Gelatine befreite Knochen - ein besonderes Zersetzungsverfahren (Pyrolyse) durchlaufen. "Der so erzeugte Dünger, Calcium-Magnesium-Phosphat, ist nicht nur selbst schadstofffrei, er hat auch noch die erfreuliche Eigenschaft, im Boden vorhandenes Cadmium aus früheren Düngeperioden durch Ausfällung abzusondern und so unschädlich zu machen", berichtet Leinweber. Im Moment arbeiten er und sein Team daran, die Löslichkeit der Knochenkohle zu verbessern, damit Pflanzen sie besser aufnehmen können. "Die größte Herausforderung ist, recycelten Phosphor pflanzenverfügbar zu machen", sagt auch ATB-Forscher Jürgen Kern. Am ATB wird gegenwärtig ebenfalls erforscht, wie in Biokohle enthaltener Phosphor gut resorbiert werden kann.

Knochenkohle gegen Hungersnöte

Noch sind die Verfahren, Phosphor zu recyceln und einzusparen nicht wirtschaftlich, aber das dürfte sich bald ändern. Schon alleine, weil Phosphordünger nicht so billig bleiben wird, wie er zurzeit ist. Dann könnten Knochenkohle und Co. dazu beitragen, Hungersnöte zu verhindern.

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Quelle:
Leibniz-Journal - Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
Nr. 4/2014, Dezember 2014, Seite 22 - 23
Herausgeber: Präsident der Leibniz-Gemeinschaft
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2015

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