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FISCHEREI/136: Wahnsinn mit Methode - WWF fordert Ende der Wegwerf-Fischerei (WWF Magazin)


WWF Magazin 1/2009
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Wahnsinn mit Methode
WWF fordert Ende der Wegwerf-Fischerei

Von Ralph Kampwirth, WWF


Europas Meere verkommen zum gigantischen Friedhof für Frischfisch. Der WWF Deutschland drängt deshalb die zuständige Europäische Union, Beifänge in der Fischerei endlich drastisch zu reduzieren und den massenhaften Rückwurf von Fisch ins Meer zu verbieten.

Sicher haben Sie schon häufiger im Meer gebadet - vielleicht vor Mallorca, Sylt oder Rügen. Aber haben Sie gewusst, dass Sie - egal, ob Nordsee oder Mittelmeer - in einer der größten Müllkippen Europas geschwommen sind?

Jedes Jahr werfen Europas Fischer mehrere Millionen Tonnen Kabeljau, Scholle und andere Meerestiere ungenutzt wieder über Bord. Allein die so genannte Baumkurren-Fischerei (siehe Kasten) in der Nordsee verursacht auf diese Weise 330 Millionen Kilogramm "Müll" im Jahr. Häufig sind die Tiere bereits tot, verendet in Netzen oder am Haken. Eine gigantische und skandalöse Verschwendung: Die Ozeane als Müllkippe für Frischfisch.

Im Sommer 2008 ertappte die norwegische Küstenwache einen britischen Trawler auf frischer Tat - per Videokamera dokumentierten die Norweger, wie die Fischer etwa 80 Prozent ihres Fangs an Kabeljau und Seelachs zurück über Bord kippten. Etwa sechs Tonnen hatten sie zuvor in norwegischen Gewässern gefischt und wollten nun lediglich die größten Exemplare behalten. Während norwegische Fischereivorschriften das Zurückwerfen von Fisch verbieten und diesen Fischern nun der Lizenzentzug droht, ist der Rückwurf in EU-Gewässern noch immer legal.


Fischmüll vor unseren Küsten

Laut einer aktuellen WWF-Studie ist die Verschwendung in der Nordsee besonders alarmierend. Pro Jahr wird dort rund ein Drittel des gesamten Fangs als Müll über Bord geworfen. Das sind eine Million Tonnen Fisch und andere Meerestiere. Je nach Zielart ist das Verhältnis besonders drastisch: Für jedes Kilogramm Seezunge in der Fischtheke werden bis zu sechs Kilogramm Meerestiere entsorgt, für jedes Kilogramm Norwegischen Hummer (Scampi) bis zu fünf Kilogramm. Häufig sind die Fischer zu dieser kolossalen Verschwendung gezwungen, weil es in der EU nicht erlaubt ist, Beifänge oder zu viel gefischten Fisch mit in den Hafen zu bringen und zu verwerten. Entweder sind die gefangenen Tiere zu klein. Oder der Fischer hat mehrere Arten im Netz, aber nicht für alle eine Fangerlauhnis. So versenkten schottische Fischer im Jahr 2008 nach Angaben der britischen Regierung Kabeljau im Wert von rund 37 Millionen Euro, weil ihre Quote bereits überschritten war.


Die EU muss handeln

Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben. Der WWF Deutschland hat deshalb im Herbst vergangenen Jahres eine neue Kampagne gestartet. Damit will die Umweltstiftung erreichen, dass die zuständige Europäische Union Beifänge drastisch reduziert und den Rückwurf von Fisch ins Meer verbietet.


Die WWF-Forderungen:

• Beifänge müssen künftig auf die Fangquoten angerechnet werden. So wird ein Anreiz für die Fischer geschaffen, Beifänge zu vermeiden. Es soll nur so viel Fisch aus den Meeren geholt werden, wie erlaubt und nachhaltig ist. Ist die Quote erfüllt - sei es durch gezielten Fang oder durch unbeabsichtigten Beifang -, wird diese Fischerei geschlossen. Dies muss durch regelmäßige Kontrollen überprüft werden.

• Die Fischer müssen verpflichtet werden, die neuesten und selektivsten Techniken einzusetzen, bei denen tatsächlich nur die ausgewählte Zielart gefangen wird. Der WWF hatte 2007 ein innovatives Netz prämiert, mit dem sich der Beifang von Kabeljau in der Fischerei auf Schellfisch und Wittling drastisch reduzieren lässt. Es ermöglicht dem Kabeljau die Flucht durch große Maschen am Boden des Netzeingangs, während sich der gleichzeitig gefangene Schellfisch nach oben orientiert und ins Netz geht.


Tödliches Netzwerk

Auch bis zu 90 Prozent des Beifangs in der Krabbenfischerei der Nordsee könnten durch den Einsatz solch selektiver Netze lebend wieder freigesetzt oder gleich ganz vermieden werden. Darüber hinaus muss der Lebensmittelhandel Fisch aus beifang-intensiven oder anderen schädlichen Fischereien aus seinem Sortiment streichen und möglichst nur noch nachhaltig gewonnenen Fisch, beispielsweise mit dem MSC-Siegel, anbieten. Die EU diskutiert derzeit Maßnahmen, um den Beifang einzudämmen. Allerdings ist noch unklar, ob die Vorschläge durchgesetzt werden. Denn wie so oft in der Fischereipolitik bekämpft die mächtige Fischerei-Lobby die Reform. Am Ende könnte erneut das Meer der Verlierer sein. Damit es nicht so weit kommt, setzt der WWF die Politiker mit seiner Beifang-Kampagne unter Druck. Die Umweltstiftung will unter anderem dafür sorgen, dass sich die Bundesregierung in Brüssel ohne Wenn und Aber für eine umweltfreundliche Fischerei starkmacht. Wir lassen nicht eher nach, bis die Verschwendung ein Ende hat. Denn Meerestiere sind kein Müll! Wenn in Brüssel die Vernunft siegt, müssen Sie in einigen Jahren nicht mehr in einer Fisch-Müllkippe baden.


Tödliches Netzwerk

Schleppnetze sind kegelförmig und oft kilometerlang, werden durch freies Wasser oder über den Meeresboden gezogen. Gefangen werden sollen Fisch und Schrimps, aber viele andere Meerestiere bleiben ebenfalls im Netz hängen.

Kiemennetze hängen entweder dicht unter der Wasseroberfläche oder werden am Boden verankert. Die Netze, bis zu 30 Meter hoch, sind so entworfen, dass Fische einer bestimmten Größe sich mit ihren Kiemen oder Flossen darin verhaken und verenden.

Langleinen sind bis zu 100 Kilometer lange Angelschnüre, an denen jeweils mehrere Tausend beköderte Haken befestigt sind. Damit sollen vor allem Tunfische gefangen werden. Besonders perfide sind Baumkurren mit ihren schweren kufen- oder rollenartigen Schuhen. auf denen das Netz vom Kutter über den Meeresboden gezogen wird, wobei sie alles mitnehmen oder platt schleifen - von der Scholle bis zur Koralle.


Mehr dazu lesen Sie unter www.wwf.de/beifang im Internet.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
• Schleppnetz
• Abgegrast: Mit gigantischen Netzen durchkämmt die Fischerei-Industrie die Weltmeere. Nicht nur die Speisefische werden dabei immer weniger, auch viele andere Meerestiere verenden als Kollateralschäden dieser unselektiven Fangmethoden.


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Quelle:
WWF Magazin 1/2009, Seite 13-15
Herausgeber:
WWF Deutschland
Rebstöcker Str. 55, 60326 Frankfurt am Main
Tel.: 069/7 91 44-0, Fax: 7 91 44-112
E-Mail: info@wwf.de
Internet: http://www.wwf.de

Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2009