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GENTECHNIK/696: Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen neu regeln (Testbiotech)


Testbiotech - Pressemitteilung, 20. Oktober 2009

Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen muss neu geregelt werden

Expertengruppe Testbiotech fordert Crash-Test


Straßburg und München - Mit einem neuen Risikokonzept für transgene Pflanzen tritt die Expertengruppe Testbiotech e.V. erstmals an die Öffentlichkeit. In ihrem Bericht zeigen die Verfasser die mangelnde Sicherheit bei der Prüfung gentechnisch veränderter Pflanzen auf. Diese entspricht nicht dem aktuellen Forschungsstand. Testbiotech schlägt unter anderem die Einführung eines Crash-Tests für gentechnisch manipulierte Pflanzen vor. Der Report wird heute in Straßburg an Corinne Lepage, Vizepräsidentin des Ausschusses für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlamentes übergeben.

"Die derzeitigen Konzepte der Risikobewertung transgener Pflanzen berücksichtigen nicht, dass Gene ganz anders funktionieren, als noch vor einigen Jahren angenommen," erläutert Christoph Then, Geschäftsführer der neu gegründeten Organisation und Mitverfasser der Studie. "Die aktuelle Forschung zeigt, dass durch den invasiven Eingriff in das Erbgut weit mehr Veränderungen ausgelöst werden, als von der Gentechnik-Industrie und ihrer Lobby behauptet wird."

Bisher gehen die Zulassungsstellen der EU davon aus, dass transgene Pflanzen im wesentlichen ähnlich wie konventionell gezüchtete Pflanzen zu bewerten sind und gentechnische Eingriffe nur gezielte und begrenzte Veränderungen bewirken. Die Risikoprüfung wird deswegen auf wenige Merkmale beschränkt. Tatsächlich, so zeigen die Testbiotech- Experten in ihrem Bericht, werden durch den gentechnischen Eingriff die Aktivitäten von einigen hundert oder auch mehreren tausend Genen verändert. "Auch bei der konventionellen Züchtung kommt es zu vielen Veränderungen im Genom, allerdings wird dabei das natürliche System der Genregulation nicht durchbrochen. Im Gegensatz dazu müssen die ungewollten Veränderungen bei gentechnisch veränderten Pflanzen als Hinweis auf eine weitreichende Störung der Genregulation angesehen werden", erklärt Then. "Die Untersuchungen zeigen, dass sich diese Störungen auf der Ebene des Genoms, der Zelle oder des ganzen Organismus auswirken."

Die unvorhergesehenen Eigenschaften transgener Pflanzen zeigen sich oft erst unter Umweltstress wie wechselnden klimatischen Einflüssen. So kann sich etwa die Konzentration der Inhaltsstoffe ändern oder Gene werden stillgelegt. Dadurch können Risiken für Mensch und Umwelt entstehen, die zunächst nicht bemerkt wurden. Obwohl unerwartete Reaktionen von gentechnisch veränderten Pflanzen unter Stressbedingungen vielfach dokumentiert sind, verlangen die Zulassungsbehörden bisher keine entsprechenden Untersuchungen. Testbiotech fordert hier einen grundlegenden Wechsel: Zukünftig soll unter anderem die Stressreaktion transgener Pflanzen in gezielten Belastungstests umfassend dokumentiert werden, bevor es zu Freilandversuchen kommt. "Wir brauchen eine Art Crash-Test, in dem untersucht wird, inwieweit die Pflanzen unter Stresseinwirkung genetisch stabil sind und welche ungewollten Veränderungen im Stoffwechsel zu beobachten sind."

Der Report "risk reloaded: Zum Umgang mit den Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU" wird an verschiedene Politiker und Institutionen der EU übergeben. Heute fand bereits ein Treffen mit Corinne Lepage, Vizepräsidentin des Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments und ehemalige französische Umweltministerin, statt. "Eine Reihe unabhängiger Studien zeigt, dass die Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa nicht ausreichend untersucht werden. Es wird Zeit, dass die EU- Kommission und die EFSA auch andere wissenschaftliche Stellungnahmen berücksichtigen, als diejenigen, die von den Firmen selbst vorgelegt werden. Als ein Mitglied des Europäischen Parlaments werde ich alles tun, um die europäische Expertise möglichst transparent, vielfältig und auch widersprüchlich zu gestalten. Die Auswirkungen der neuen Technologien für Gesundheit, Umwelt und die Gesellschaft sind zu weitreichend, hier darf das Prinzip der Vorsorge nicht aus wirtschaftlichen Gründen ignoriert werden," beschreibt Corinne Lepage ihre Position. Der Bericht soll auch der neuen Bundesregierung übergeben werden. Die Autoren zeigen, dass das Anbauverbot des gentechnisch veränderten Mais MON810 wissenschaftlich gerechtfertigt ist.

Die Expertengruppe Testbiotech e.V. tritt mit diesem Bericht erstmals an die Öffentlichkeit. Testbiotech fördert unabhängige Forschung und die gesellschaftliche Debatte zu den Auswirkungen der Biotechnologie. Die Organisation versteht sich als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, sieht sich in einer Vermittlerrolle zwischen Öffentlichkeit, Forschung und Politik und setzt sich insbesondere für eine Förderung der unabhängigen Risikoforschung ein.

Die Studie "risk reloaded - zum Umgang mit den Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU" kann unter www.testbiotech.net heruntergeladen werden.

Direkter Link:
http://www.testbiotech.net/node/96
(pdf-Dokument, 988 KB)


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Quelle:
Pressemitteilung, 20.10.2009
Testbiotech e.V. - Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der
Biotechnologie
Frohschammerstr. 14, 80807 München,
E-Mail: info@testbiotech.org,
Internet: www.testbiotech.org, www.testbiotech.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2009