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AGRARINDUSTRIE/133: Fleischboom zu Lasten der Umwelt - neuer Rekord in deutschen Schlachthöfen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2016
Völlig losgelöst
Lässt sich die EU noch demokratisieren?

Gefahr für Flüsse, Seen und Meere
Fleischboom zu Lasten der Umwelt - neuer Rekord in deutschen Schlachthöfen

Von Katrin Wenz


In den letzten Jahren hat die Bundesregierung den Ausbau Deutschlands als Fleischproduktionsstätte massiv vorangetrieben, auch wenn der Fleischverbrauch hierzulande langsam sinkt. Während 2011 noch 59,7 Kilogramm verzehrt wurden, waren es 2014 58,6 Kilogramm. Trotz des sinkenden Konsums wird die industrielle Fleischproduktion weiter ausgebaut.


Bereits im Januar 2016 wurden nachweislich bundesweit für Schweine mindestens 720.000 und für Geflügel mindestens 10,8 Millionen neue Plätze beantragt und genehmigt. Die Intensivierung wurde vor allem in den Regionen ausgebaut, in denen viel zu viele Tiere gehalten werden und die Grundwasserqualität durch die hohe Nitratbelastung bereits schlecht ist.(1) Deutschland ist mit einer durchschnittlichen Fleischüberproduktion von 20 Prozent innerhalb von 10 Jahren von einem Nettoimporteur zu einem bedeutenden Nettoexporteur geworden. Die Produktionskosten der Erzeuger werden kaum gedeckt und so steigt die Produktion immer weiter. Mit dem Bau neuer Mega-Ställe geht ein trauriger Rekord einher. In den ersten 6 Monaten 2016 wurden knapp 4,1 Millionen Tonnen Fleisch in den gewerblichen Schlachtbetrieben produziert. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Zuwachs von 300 Tonnen.

Dramatische Auswirkungen auf die Umwelt

Die große Zahl der Tiere werden in größtenteils intensiv wirtschaftenden Tierhaltungsbetrieben mit importiertem Soja gefüttert. Die Folge: Ein riesiger Nährstoffüberschuss. Jährlich entstehen so 191 Millionen Kubikmeter flüssiger Wirtschaftsdünger - Gülle, die auf viel zu wenig Fläche ausgebracht wird. Überdüngung hat zu einer alarmierend schlechten Wasserqualität in Deutschland geführt. Im Rahmen der geltenden Düngeverordnung werden viele Nährstoffströme nicht gemessen und nicht erfasst. Das Grundwasser in Deutschland ist so stark mit Nitrat belastet, dass der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) dies als eines der größten ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit bezeichnet.

Gewässer und Meere in Gefahr

Zum überhöhten Einsatz von organischem Dünger kommt zusätzlich mineralischer Dünger. Große Mengen an Nährstoffen gelangen durch die Flüsse oder die Luft in die Meere, da die Pflanzen sie nicht aufnehmen können. Die übermäßige Anreicherung von Nährstoffen in Ökosystemen wird als Eutrophierung (Überdüngung) bezeichnet. Sie stellt die Hauptbedrohung für Seen, Flüsse und Meere dar. Eine direkte Konsequenz der Eutrophierung ist das übermäßige Wachstum kleiner einzelliger Algen und schnell wachsender Makroalgen. Algenblüten können zwar auch in einem gesunden Ökosystem vorkommen, doch wird ihr Wachstum durch die Verfügbarkeit von Licht und Nährstoffen reguliert. Die übermäßige Zufuhr von Nährstoffen führt zu häufigeren und stärkeren Blüten von wenigen Arten. Diese erzeugt eine starke Trübung des Wassers, so dass am Boden angesiedelte Pflanzenarten, wie z.B. Seegras, aufgrund von Lichtmangel absterben. Mit dem Verschwinden von Seegraswiesen und Algenwäldern verlieren wir wichtige Habitate vieler Meerestiere. Zusätzlich sondern manche Phytoplanktonarten auch Giftstoffe ab. Bei der Zersetzung sinken die Algenzellen zum Meeresboden, wo sie von Bakterien abgebaut werden. Dieser Prozess verbraucht Sauerstoff im Bodenwasser und verursacht sauerstoffarme oder sauerstofffreie Zonen, sogenannte Tote Zonen, in denen Lebewesen nicht überleben können. Die Küstengewässer der Nordsee und die gesamte Ostsee sind so stark überdüngt, dass eine Erholung der Ökosysteme nur langsam vor sich gehen wird - trotzdem ist die Überdüngung noch immer erlaubt.

Die Bundesregierung hat die Novelle der Düngeverordnung seit Jahren hinausgezögert und so die Überdüngung geduldet. Wir fordern eine Novelle der Düngeverordnung, die die Ziele zum Schutz unserer Gewässer und der Meere absichert. Bereits 2014 legte der BUND ein gemeinsames Eckpunktepapier(2) vor, welches zentrale Umweltanforderungen wie z.B. eine vollständige Hoftorbilanz,(3) Sanktionen bei Überdüngung und die Einrichtung einer Dünge-Transportdatenbank forderte. Doch auch eine geänderte Düngegesetzgebung entbehrt nicht der Notwendigkeit, die Tierhaltungsdichte dem real vorhandenen, regionalen Flächenbedarf anzupassen. Anstatt die Gülle überregional zu verteilen, sollte die Tierhaltung wieder an die Fläche gebunden werden. Nur so kann das Wasser in Zukunft geschützt werden.


Autorin Katrin Wenz ist Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.


Weitere Informationen unter:
www.bund.net/themen_und_projekte/meeresschutz/
www.bund.net/themen_und_projekte/landwirtschaft/umwelt/ueberduengung/


Fußnoten

(1) https://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/landwirtschaft/160113_ bund_landwirtschaft_fleischatlas_regional_2016.pdf

(2) http://www.bund.net/themen_und_projekte/landwirtschaft/umwelt/ueberduengung/

(3) Bei dieser Bilanzierungsmethode werden alle Stoffströme von Stickstoff und Phosphor erfasst, die in den Betrieb und wieder "hinausfließen". Die Nährstoffzufuhr von Futter oder mineralischem Dünger werden gemessen, aber auch die Nährstoffabfuhr. So lässt sich genau sehen, ob Düngemittel in einem Betrieb effizient eingesetzt werden oder ob sich ein Einspar-Potential ergibt.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 3/2016, Seite 30
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2016

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