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INITIATIVE/210: Neue Perspektiven - Solidarische Landwirtschaft (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 109/2.2011 / titel

Neue Perspektiven: Solidarische Landwirtschaft

Landwirtschaft der Zukunft

Von Rolf Künnemann


So kann es nicht weitergehen in der Landwirtschaft: Tiere werden unter grausamen Bedingungen in "Tierfabriken" gehalten, Böden werden erodiert, Gewässer zerstört, die Artenvielfalt dezimiert. Mit trauriger Regelmäßigkeit kommt es zu Lebensmittelskandalen - und zu Versuchen, den Landwirten und Mitmenschen auch in unserem Land genetisch manipuliertes Saatgut unterzujubeln und damit die Agrarkonzerne endgültig ans Ruder zu lassen. JedeR kann wissen, dass diese Art Landwirtschaft nur dem Agrobusiness und den Supermärkten nutzt, auf Kosten der Gesundheit solcher KonsumentInnen, denen das billigere Angebot immer das bessere ist.

Warum kommt die Umstellung auf Ökolandbau trotzdem nur quälend langsam voran? In Deutschland werden immer noch lediglich sechs Prozent der Böden ökologisch bewirtschaftet. Und das alles, obwohl die Fakten seit Jahrzehnten bekannt sind. Warum müssen Landwirte weiterhin eine Landwirtschaft betreiben, die sie eigentlich für unverantwortlich halten? Warum geben auch weiterhin die Bauern reihenweise auf? Warum lassen wir das eigentlich alles zu? Wir brauchen dringend den schnellen flächendeckenden Übergang zum bäuerlichen Ökolandbau - allein schon wegen der katastrophalen Energie- und Klimabilanz der derzeitigen Landwirtschaft. Allein einige Produkte im Bioladen oder an der Biotheke der Discounter zu kaufen, reicht nicht aus. Doch was können wir tun?

Das Wort Kultur stammt aus dem lateinischen und steht für "pflegen, ehren, (das Land) bebauen (colere)": Es geht um "Agriculture" statt "Agribusiness". Eine in diesem Sinn "kultivierte" Gesellschaft braucht eine neue solidarische Kultur, die uns mit dem Land verbindet, mit den Tieren und Pflanzen, mit Mutter Erde - und vor allem mit den zukünftigen Generationen. Der Kampf um eine neue Agrarpolitik sollte deshalb ergänzt werden durch den gleichzeitigen Aufbau einer solidarischen Landwirtschaft.

In der Solidarischen Landwirtschaft, kurz Solilandbau, übernimmt eine Gemeinschaft von Menschen, meist aus der Stadt, langfristig Verantwortung für einen Hof. Sie finanziert ihn jeweils für ein Jahr im Voraus, übernimmt das wirtschaftliche Risiko und erhält dafür die erzeugten Lebensmittel. Solilandbau ist eine Form des bäuerlichen Ökolandbaus: Artenvielfalt, Böden, Gewässer und Klima bleiben erhalten.

Solidarhöfe haben viele Vorteile. Sie bieten der Hofgruppe Ernährungssouveränität: Der Hof wird unabhängig von Banken und Agrarkonzernen, Märkte spielen allenfalls eine ergänzende Rolle. Solihöfe verbinden die Hofgruppe in der Stadt wieder mit der Quelle ihrer Nahrung - dem Boden, den Pflanzen, den Tieren und den Menschen, die sie erzeugen. Das Konzept wertschätzt die produktiven Leistungen und Potentiale der bäuerlichen Landwirtschaft, verbindet die Menschen wieder mit den Naturkreisläufen und schafft in einer von Vereinzelung bedrohten Gesellschaft soziale Netzwerke, die stark sind, weil sie auf existentiellen Fragen gründen. Und natürlich sind für viele "Mitbauern" in der Stadt auch die gesundheitliche und geschmackliche Qualität der Nahrungsmittel eine wichtige Motivation. Das Mitmachen kann sich übrigens jedeR leisten.

In den 1970er Jahren in Japan entstanden, erfolgte in den USA der Durchbruch dieser "community supported agriculture" (CSA) in den 1990er Jahren. Der erste Solihof in Frankreich entwickelte sich 2001 aus der Zusammenarbeit eines Bauern bei Aubagne mit der dortigen Attac-Gruppe. Seitdem haben sich diese Höfe in Frankreich rasant verbreitet.

In Deutschland gibt es seit Februar 2011 das "Netzwerk Solidarische Landwirtschaft". Die Initiative geht zurück auf einen Workshop der Attac Sommerakademie in Hamburg im Juli 2010 und eine darauf folgende Tagung "Freiheit durch Freihöfe" im Oktober 2010 in Kassel. Dort kamen neben den Neu-InteressentInnen auch erstmals Vertreter der ältesten acht deutschen Solihöfe zusammen und tauschten ihre Erfahrungen aus. Die zweite Tagung im Februar 2011 in Fulda brachte dann wichtige Klärungsprozesse. Die Ziele dieses jungen Netzwerks sind 1. die Idee der Solidarischen Landwirtschaft und eines entsprechenden Paradigmenwechsels voranzubringen, 2. die Gründung neuer Hofgruppen und Solihöfe anzuregen und zu fördern, 3. Dienstleistungen/Beratung für die existierenden Höfe bereitzustellen und neue Gemeinschaftshöfe zu begleiten. Inzwischen gibt es 21 solche Höfe in Deutschland - Tendenz steigend.

Rolf Künnemann ist Mitglied der Koordinationsgruppe des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft und arbeitet bei FIAN International kuennemann[at]googlemail.com


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Kartoffelernte auf dem Landgut Lübnitz: Inzwischen gibt es 21 Gemeinschaftshöfe in Deutschland - Tendenz steigend!


weitere Informationen unter www.solidarische-landwirtschaft.org


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 109/2.2011, S. 12-13
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2011