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TECHNIK/022: JKI-Workshop - Überprüfung der Pflanzenschutzgeräte wird Pflicht in der EU (FR)


ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz 2/2009
Die Zeitschrift des Senats der Bundesforschungsanstalten

Überprüfung der Pflanzenschutzgeräte wird Pflicht in der EU
JKI organisiert dritten europäischen Workshop

Von Heinz Ganzelmeier und Hans-Joachim Wehmann (Braunschweig)


Welche Auswirkungen Pflanzenschutzmittel auf die Umwelt und den Anwender haben, hängt nicht nur von der Beschaffenheit der Mittel selbst ab, sondern auch von ihrer Ausbringung. Doch während in der Europäischen Union die Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln seit 1991 in einer EU-Richtlinie geregelt ist, bestanden für Pflanzenschutzgeräte bisher keine EU-weit geltenden gesetzlichen Vorschriften. Das hat sich nun geändert.


Unterschiedliche Prüfniveaus

Bereits seit 1986 gibt es in Deutschland eine Prüfpflicht für Neugeräte. In Gebrauch befindliche Pflanzenschutzgeräte müssen neben Deutschland auch in Belgien, den Niederlanden und in Tschechien einer landesweiten turnusmäßigen Prüfung unterzogen werden. Auf europäischer Ebene standen Pflanzenschutzgeräte, die durch ihre technische Ausstattung sowie ihre Arbeits- und Funktionsweise die Qualität der Pflanzenschutzmittel-Applikation maßgeblich bestimmen (Verteilung, Anlagerung, Drift), bisher nicht im Fokus der Betrachtungen.

Dennoch haben die Hersteller von Pflanzenschutzgeräten, unterstützt durch die gesetzlich vorgeschriebenen hohen Anforderungen aus der Pflanzenschutzmittel-Zulassung und der Geräteprüfung in Deutschland, stets mit Verbesserungen und innovativen technischen Lösungen reagiert und damit zu dem hohen technischen Stand der Pflanzenschutzgeräte in Deutschland beigetragen.


Die SPISE-Workshops

Um die Harmonisierung der Prüfstandards für Pflanzenschutzgeräte im europäischen Raum voranzubringen, hat das Institut für Anwendungstechnik des Julius Kühn-Instituts (JKI) eine Workshop-Reihe in Leben gerufen. Im Jahr 2004 kamen Experten der Gerätetechnik aus den Mitgliedstaaten, die mit der Prüfung und Kontrolle von Pflanzenschutzgeräten befasst sind, zum ersten europäischen SPISE-Workshop in Braunschweig zusammen (SPISE = Standardized Procedure for Inspection of Sprayers in Europe). Die Resonanz war überaus positiv, weil zwischenzeitlich in nahezu allen Mitgliedstaaten der EU eine wiederkehrende Überprüfung der in Gebrauch befindlichen Pflanzenschutzgeräte als notwendig angesehen wurde und der Workshop eine geeignete Plattform für die damit befassten Experten darstellte.

Dies hat die Initiatoren veranlasst, gemeinsam mit einigen weiteren Kollegen aus den Mitgliedstaaten (die sog. SPISE-Working-Group) 2007 einen zweiten und im September 2009 einen dritten SPISE-Workshop durchzuführen.

Hatte der 2. SPISE-Workshop noch das Ziel, andere Mitgliedstaaten an die bereits seit vielen Jahren etablierten Prüfverfahren in Belgien, den Niederlanden und Deutschland heranzuführen, so war der 3. SPISE-Workshop darauf ausgerichtet, die zwischenzeitlich durch eine neue EU-Rahmenrichtlinie vorgeschriebene Prüfpflicht für in Gebrauch befindliche Pflanzenschutzgeräte zu erläutern und den weiteren Handlungsbedarf für die Mitgliedstaaten aufzuzeigen.


Die Rahmenrichtlinie der EU

Die 2009 verabschiedete Rahmenrichtlinie für einen von Nachhaltigkeit geprägten Pflanzenschutz soll vor allem die Anwendung der Pflanzenschutzmittel in allen Mitgliedstaaten der EU verbessern. In der Richtlinie heißt es unter anderem, dass die Mitgliedstaaten

 • nationale Aktionspläne erlassen, in denen Maßnahmen und Zeitpläne zur Verringerung der Risiken und der Auswirkungen
   von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden,
 • alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um einen Pflanzenschutz mit geringer Pestizidverwendung zu fördern,
 • gewährleisten, dass beruflich eingesetzte Pflanzenschutzgeräte einer regelmäßigen technischen Überprüfung (Kontrolle) unterzogen werden.

Der zuletzt genannte Punkt wird in Artikel 8 der Rahmenrichtlinie spezifiziert. Dort wird für alle Mitgliedstaaten die Einführung einer regelmäßigen Überprüfung von in Gebrauch befindlichen Pflanzenschutzgeräten vorgeschrieben. Für Deutschland stellt dies keine besondere Herausforderung dar, weil die Überprüfung von Feldspritzgeräten bereits seit Mitte 1993 und für Sprühgeräte des Obst-, Wein- und Hopfenbaus seit April 2002 im Turnus von 2 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist (sog. "Geräte-TÜV").

Die in Deutschland gesammelten Erfahrungen haben das JKI-Institut für Anwendungstechnik veranlasst, verstärkt dafür einzutreten, die gesetzlichen Regelungen für Pflanzenschutzgeräte EU-weit zu vereinheitlichen. Eine Harmonisierung der Geräteprüfung in der EU hat den Vorteil, dass

 • eine Angleichung des technischen Niveaus in den
Mitgliedstaaten erfolgt,

 • Mehrfachprüfungen in anderen Mitgliedstaaten sich
erübrigen,


 • Ressourcen (Zeit und Kosten) eingespart werden, weil
Prüfungen
gegenseitig anerkannt werden.

Das Institut für Anwendungstechnik ist seit 1998 auch Mitglied des "European Network for Testing of Agricultural Machinery" (ENTAM), einem Zusammenschluss der meisten europäischen Prüfstellen für Landmaschinen und Traktoren, die im Auftrag von Firmen und ohne eine gesetzliche Prüfpflicht Geräteprüfungen durchführen. Auch hier ist die Einsparung von Mehrfachprüfungen ohne wirklichen Mehrwert und die gegenseitige Anerkennung die eigentliche Triebkraft dieses Netzwerkes.


Der Artikel 8

Bereits während des Gesetzgebungsprozesses der Rahmenrichtlinie zeichnete sich ab, dass die EU nur einen gesetzlichen Rahmen mit einigen wesentlichen Kriterien vorgibt, den die Mitgliedstaaten auszufüllen und weiter zu spezifizieren haben. Hierbei erhalten die Mitgliedstaaten die Flexibilität und den notwendigen Gestaltungsspielraum, um die Überprüfung der in Gebrauch befindlichen Geräte an die jeweiligen nationalen Gegebenheiten anpassen zu können.

Aufgrund dessen hatte die SPISE-Working-Group den 3. SPISE-Workshop inhaltlich auf den Artikel 8 "Kontrolle Pflanzenschutzgeräte" ausgerichtet. Der Workshop fand vom 22.-24. September 2009 in Brünn, Tschechien, statt. Themenschwerpunkte waren die Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten, die sich aus Artikel 8 ergeben, aber auch die Gestaltungsspielräume und mögliche Ausnahmen für die Mitgliedstaaten. Darüber hinaus wurde aufgezeigt, welcher weitere gesetzliche Regelungsbedarf seitens der Mitgliedstaaten noch für erforderlich gehalten wird, da die Rahmenrichtlinie in jedem Mitgliedstaat erst durch eine eigene gesetzliche Regelung in Kraft tritt. Gemäß Artikel 8.1 und 8.2 der Rahmenrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten für in Gebrauch befindliche Pflanzenschutzgeräte regelmäßige Kontrollen einführen, deren Zeitintervall bis 2020 maximal fünf Jahre und danach maximal drei Jahre betragen darf. Zudem müssen alle Geräte bis spätestens 2016 einmal überprüft worden sein. Diese Regelungen werden als sehr zweckmäßig angesehen, da hiermit alle Mitgliedstaaten wiederkehrende Prüfungen durchführen müssen, ohne dass Mitgliedstaaten, die bereits eine Prüfpflicht mit einem engeren Kontrollrhythmus eingeführt haben und damit über ein höheres Schutzniveau verfügen, zu einer Angleichung, das heißt Lockerung, verpflichtet werden.

Gemäß Artikel 8.3 dürfen die Mitgliedstaaten für bestimmte Pflanzenschutzgeräte (u. a. für handgehaltene Geräte, Rückenspritzgeräte und Pflanzenschutzgeräte mit einem Spritzgestänge unter 3 m) auch andere Zeitpläne und Kontrollintervalle festlegen oder sie von der technischen Überprüfung ausnehmen.

Gemäß Artikel 8.4 sollen die Kontrollen sicherstellen, dass ein hoher Schutzgrad für die menschliche Gesundheit und die Umwelt erreicht wird. Zur Spezifizierung der Anforderungen werden EN-Normen herangezogen, die im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht werden. Für die Kontrolle von Feldspritz- und Sprühgeräten für Raumkulturen sind bereits EN-Normen vorhanden, die aber noch nicht im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht sind. Ein großer Handlungsbedarf ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass nach Inkrafttreten der Rahmenrichtlinie im Jahr 2011 möglichst für die weiteren Pflanzenschutzgeräte-Typen auch entsprechende Normen zur Verfügung stehen sollten.

Die Tatsache, dass in der Richtlinie EN-(ISO-)Normen herangezogen werden, wird das Interesse an der Normung deutlich verstärken. Das JKI-Institut für Anwendungstechnik unternimmt große Anstrengungen, um in allen relevanten Normungsvorhaben auf EN-/ISO-Ebene seine Erfahrungen einzubringen und bei der Setzung von technischen Standards mitzuwirken. So ist das Institut derzeit an zwölf Normungsvorhaben beteiligt.

Gemäß Artikel 8.5 sind die Praktiker zu verpflichten, bei ihren Pflanzenschutzgeräten Kalibrierungen und Funktionsüberprüfungen vorzunehmen.

Gemäß Artikel 8.6 soll eine Überprüfung der Kontrollen ermöglicht werden. Die Mitgliedstaaten sind angehalten, die in einem anderen Mitgliedstaat bereits durchgeführten Kontrollen und die dazu vorgelegten Bescheinigungen anzuerkennen.


Harmonisierung der Gerätekontrolle

Die Rahmenrichtlinie räumt den Mitgliedstaaten viel Spielraum ein, um durch ergänzende Vorschriften und Berücksichtigung der eigenen Gegebenheiten und Erfahrungen die Vorgaben umzusetzen. Damit es bei der Umsetzung zu der geforderten Transparenz und Durchlässigkeit (gegenseitige Anerkennung) kommt, ist in wichtigen Sachverhalten ein Grundkonsens herbeizuführen.

Dies hat die SPISE-Working-Group veranlasst, im Vorfeld des 3. SPISE-Workshops einen "Entwurf für eine harmonisierte Implementierung der Gerätekontrolle in den Mitgliedstaaten" zu erarbeiten und zur Diskussion vorzulegen. Hierin wird vorgeschlagen,

1. die Gerätekontrolle zunächst auf die Pflanzenschutzgeräte zu konzentrieren, für die die erforderlichen EN-Normen im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht sind bzw. in naher Zukunft veröffentlicht werden,

2. weitere Pflanzenschutzgeräte-Bauarten in die Kontrolle dann einzubeziehen, sobald dafür die erforderlichen EN-Standards veröffentlicht wurden,

3. die Kontrolle von Pflanzenschutzgeräten amtlich anerkannten Kontrollbetrieben (Landmaschinenwerkstätten) oder amtlichen Dienststellen zu übertragen,

4. die Kontrolle von fabrikneuen Pflanzenschutzgeräten noch vor Auslieferung im Herstellerwerk vorzunehmen, wenn diese den amtlichen Vorgaben entsprechen,

5. für die Anerkennung von Kontrollen aus den Mitgliedstaaten sich auf die Vorlage des gültigen Prüfberichts und die am Gerät angebrachte Kontrollplakette zu stützen, so dass separate Bescheinigungen entfallen können,

6. eine Regelung aufzunehmen, die die Verwendung eines Pflanzenschutzgerätes mit ungültiger Plakette verbietet und die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahren vorsieht.

Die Teilnehmer des SPISE-Workshops haben den vorgelegten Entwurf nur in wenigen Punkten ergänzt, sodass dieser für die weitere Entscheidungsfindung in den Mitgliedstaaten herangezogen werden kann. In einer Resolution haben die Teilnehmer ihre weiteren Empfehlungen und Erwartungen zum Ausdruck gebracht.


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JKI
Dir. & Prof. Dr.-Ing. Heinz Ganzelmeier,
Hans-Joachim Wehmann,
Julius Kühn-Institut, Institut für Anwendungstechnik,
Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig.
E-Mail: heinz.ganzelmeier@jki.bund.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Feldspritzgerät im praktischen Einsatz, das offensichtlich erhebliche technische Mängel aufweist.

- Modernes Feldspritzgerät, ausgestattet mit Flachstrahldüsen, die sich durch eine gute Verteilungsqualität und geringe Abdrift auszeichnen.

- Technische Überprüfung eines Feldspritzgerätes (vergleichbar mit der TÜV-Hauptuntersuchung bei Kraftfahrzeugen): Verteilungsmessungmittels eines elektronischen Prüfstandes; hierbei wird das verspritzte Wasser aufgefangen und wieder in den Gerätetank zurückgeführt.


Diesen Artikel inklusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


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Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
2/2009, Seite 30 - 32
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsinstitute
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016, Fax: 0531/596-1099
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2010